1. Die Spanische Inquisition der Moderne: Der Friseur

Meiner wissenschaftlich noch nicht hinreichend bewiesenen Theorie nach gibt es drei Typen von Friseurgehern. Erstens: Die Gern-Geher, überwiegend weiblichen Geschlechts. Sie freuen sich auf eine Typveränderung, wollen sich vielleicht eine Dauerwelle machen lassen oder eine neue Haarfarbe ausprobieren, und haben kein Problem damit, den neuesten Tratsch auszutauschen. Zweitens: Der männliche Friseurgeher. Meist wird er von seiner Freundin oder von seiner Mutter zum Friseurbesuch verdonnert, oft unter fadenscheinigen Gründen wie: "Die Hundehaare sind ja schon unangenehm, aber deine Haare überall machen mich wahnsinnig!", oder: "Es muss sein, nachdem du letzte Woche fast am verschluckten Haarbällchen erstickt wärst". Dieser Typ, nennen wir ihn "Mann", geht zum Friseur, langweilt sich eine halbe Stunde im Salon, bezahlt, geht wieder nach Hause und hofft, dass seine Haare nun wieder ein paar Jahre lang in Ruhe gelassen werden.

Von diesen Typen soll nicht die Rede sein. Wir behandeln Typ Nummer drei, für den ein Friseurbesuch das Äquivalent zur mittelalterlichen Einladung der Spanischen Inquisition zum intimen Drei-Augen-Gespräch darstellt. Man entkommt ihm einfach nicht, man weiß, es wird schlimm und schmerzhaft, und dennoch muss es einfach sein. Der wesentliche Unterschied: Damals musste man wenigstens nicht für den Folterservice und die Benutzung der Foltergeräte bezahlen.

Das hochnotpeinliche Verhör beginnt immer mit derselben Floskel: "Wie darf ich die Haare schneiden?"

Für den Sozialphobiker bietet sich im Grunde nur eine einzige Antwortmöglichkeit: "Kurz". Was sonst könnte er antworten? "Mit der Schere wäre super", hat vermutlich jede Friseurin ungefähr fünftausendmal gehört und ist entsprechend nicht mehr wirklich witzig. Davon abgesehen möchte ein Sozialphobiker kein Aufsehen erregen, schon gar nicht mit einem Witz. Aufsehen erregt er dennoch, da "kurz" für eine Friseurin ungefähr so aussagekräftig klingt, als würde man bei Lufthansa einen Flug "ins Ausland, bitte" buchen.

Für gewöhnlich verfügen Friseurinnen über keine psychologische Grundschulung, weshalb sie auch nicht bemerken, wie unangenehm diesem einen Kunden das ganze Prozedere ist. Er möchte einfach nur die Haare geschnitten bekommen, bezahlen und nach Hause zu seinem Handy. Aber das wäre natürlich viel zu einfach in einer Dienstleistungsgesellschaft, in der jeder zeigen möchte, was für ein verkanntes Genie in ihm steckt. Anstatt mit ein paar Schnitten den Echthaarvorhang vor den Augen des Kunden zu lüften, wird penibel ganz sachte wie bei der Beschneidung eines Neugeborenen herumgeschnippelt. Und das ist nur ein Nebenaspekt des Grauens.

"Vertrau mir, Patrick, das ist ...

"Vertrau mir, Patrick, das ist jetzt total in bei euch Jungs!" (Bild: https://pixabay.com)

Als männlicher Sozialphobiker ist man im Friseursalon der furchteinflößendsten aller Bestien ausgeliefert: Einer hübschen, jungen Frau, die sich auf unverschämt laszive Weise über einen beugt. Und es gibt nichts, absolut nichts, das man dagegen machen könnte: Weder kann man ihr einen Zehner ins Dekolleté stecken, noch um eine Augenbinde bitten. Hilflos gelähmt vor Entsetzen muss der Sozialphobiker die Peinlichkeit über sich ergehen lassen, wie ein zugereister Neu-Kölner den Karneval. Sicher: Ein Nicht-Sozialphobiker erfreut sich des Anblicks und fühlt sich womöglich geehrt, von der attraktivsten Friseurin und nicht von der Dicken – in jedem Friseursalon gibt es mindestens eine dicke Kollegin, vielleicht für spezielle Kunden, die davon angetörnt werden – verwöhnt zu werden. Eben deshalb kann er die Qual des Sozialphobikers nicht nachvollziehen, wenn die Brüste der Friseurin in mundgerechten Häppchen vor der Kauleiste wippen.

Verschärft wird diese Tortur durch das Folterinstrument des modernen Friseurladens: Den Spiegel. Für den Sozialphobiker ist bereits die Vorstellung schlimm, wie die Anwesenden ihn möglicherweise wahrnehmen. Sich selbst im Spiegel betrachten zu müssen, ist die Krönung dieser grauenhaften Vorstellung. Sprich: Er kann sich entsetzten Auges selbst ein Bild davon machen, wie verschreckt er aussieht. Zwischen all seinen unaussprechlichen Qualen vernimmt er die Smalltalk-Versuche der Friseurin, die den Eindruck persönlichen Interesses vermitteln sollen, tatsächlich aber ähnlich empathisch wie der Anruf bei einer Verbraucher-Hotline abgewickelt wird.

"Bedenke, Mutter: Du reduzierst ...

"Bedenke, Mutter: Du reduzierst mich mit dieser bourgeoisen Anpassung an normative Schönheitsideale auf mein Äußeres" - "Fresse, Kevin!" (Bild: https://pixabay.com/)

Formvollendet präsentiert sich das Entsetzen mit dem Schlussakt: Ob man mit der Friseur zufrieden sei. Was soll man darauf antworten? "Ich glaube, die langen Haare stehen mir doch besser. Können Sie's rückgängig machen?". Die traurige Wahrheit ist: Selbst wenn eine Kopfseite kahlrasiert und auf der anderen Seite Rastazöpfchen gedreht wurden, die fröhlich pink leuchten und in deren Spitzen lustige Glöcklein eingewoben wurden, wird der Sozialphobiker: "Ja, danke, passt", murmeln und üppiges Trinkgeld geben. Dieses darf übrigens als Schweigegeld für die peinliche Erektion verstanden werden.

2. Ein pisschen Frieden, das wünsch ich mir!

Während beispielsweise in Berlin Unisex-Toiletten, die von sämtlichen ca. 60 Geschlechtern benutzt werden können, errichtet und offenbar auch benutzt werden, gibt es immer noch keine für Sozialphobiker geeigneten Sanitäranlagen. Welche das wären? Einzeltoiletten. Kaum etwas fürchtet der Sozialphobiker mehr, als den Gang auf die Toilette. Lassen Sie mich kurz das Szenario aus Sicht eines "normalen" Mannes schildern: Er verspürt Harndrang, geht auf die Toilette, erleichtert sich ins Urinal, plaudert, falls vorhanden, mit etwaigen Mitpissern übers letzte Fußballspiel oder ergeht sich in Lobhudeleien über die körperlichen Vorzüge der neuen Kollegin, schüttelt ab, zieht den Reißverschluss hoch und geht, ohne sich die Hände zu waschen. Warum sollte er auch? Urin hat reinigende Wirkung. Quacksalberfakt.

"He, Junge, komm mal her! Ich kann ...

"He, Junge, komm mal her! Ich kann nicht, wenn keiner guckt!" (Bild: https://pixabay.com)

Und hier dasselbe Szenario aus Sicht des Sozialphobikers: Niemand am Klo? Gut, dann kann ich ja mein Geschäft erledigen! So, alles okay, alles in bester Ordnung, es ist ruhig, meine Blase entspannt sich, gleich kann ich …

"Hey, Ralf! Na, alles klar bei dir?"

Ah! Argh! Ich … o Gott, der Urin läuft in den Körper zurück! Meine Blase wird platzen und wie das Monster aus "Alien" durch die Magenwand durchschießen und …

*Zipp* "Ah! Aaaaaah! Das tut guuuuut!"

Wie kann der einfach so neben mir pissen und so verdammt glücklich dabei wirken? Und wie lange kann ich diese Schockstarre aufrecht erhalten, ohne dass es auffällig wirkt? Soll ich so tun, als wäre ich schon längst fertig? Verdammt! Warum glotzt der zu mir rüber? Will der jetzt etwa reden? Ach du Scheiße!

"Was sagst du zu den Titten der neuen Kollegin?"

Nicht auch das noch! Ein Männergespräch, so mit ganz viel Augenzwinkern und höhöhö!

"Ich sage: ‚Hallo, wie geht's?‘"

Okay, er lacht, verdammt, der Schulterschlag musste jetzt nicht sein! Ich geb's auf. Muss ich jetzt zurücklachen? Hahaha, ja, lustig, Titten, und so. Schön. War noch was? Hatte ich nicht mal so ein Ding, wie heißt das, Penis? Ach, da ist er ja, verschrumpelt vor Angst, hat sich ganz klein gemacht wie ein verschrecktes Tier. So, dann wollen wir mal … he, der Typ wäscht sich nicht mal die Hände! Und der Drecksau muss ich jeden Tag die Hand schütteln! Igitt!

Hier kann endlich mal Darmstadt ...

Hier kann endlich mal Darmstadt Fußballmeister werden ... (Bild: https://pixabay.com/)

Soweit das nur scheinbar unkomplizierte Ausscheidungsspiel aus Sozialphobiker-Sicht. Und wollen Sie den ironischen Schlussgag wissen? Der Nicht-Sozialphobiker wird hernach seinen Kollegen gegenüber den Verdacht äußern, dass Ralf ein verkappter Schwuler ist, so gekünstelt wie der lacht, und wie er sein Ding gehalten hat, und die Hände hat er sich auch noch gewaschen. Igitt!

3. Kinder an die Macht? Meinetwegen, aber lasst mich in Ruhe!

Menschen lieben Kinder, insbesondere Babys." I believe the children are our future", sang Whitney Houston in einem ihrer berühmtesten Songs, und auch wenn ihr der Sozialphobiker im biologischen Sinne zustimmen würde, müsste er einwenden, dass dies nicht automatisch "ich liebe Kinder!" bedeutet. Gewiss: Polarbären sind faszinierende, anmutige Wesen. In den eigenen vier Wänden verzichtet der Sozialphobiker dennoch dankend auf sie. Was das mit Kindern und speziell Babys zu tun hat? Ganz einfach: Jungeltern sind restlos davon überzeugt, dass jeder Mensch Kinder lieben müsste. Oder zumindest ihre eigenen, weshalb sie Mitmenschen zum Knuddeln ihrer Babys nötigen. Das sieht meist ungefähr so aus:

"Ist unsere Sophia nicht zuckersüß? Da, halt‘ sie mal!"

"Nein, lieber nicht."

"Ach, jetzt komm schon!"

"Ich kann mit Babys nicht umgehen. Am Ende lass ich sie noch fallen und –"

"Quatsch! Keiner lässt ein Baby fallen!"

"Oder ich halte sie falsch und breche ihr versehentlich das Genick."

"Hör mit dem Unsinn auf! Schau, du musst sie nur so halten. Probier's mal!"

"Nein, echt nicht. Mir ekelt vor Babys. Die kotzen und kacken die ganze Zeit, wie eine Horde Mallorca-Urlauber aus Berlin."

"O mein Gott! Haltet es zurück! ...

"O mein Gott! Haltet es zurück! Nein, nicht, bitte nicht, nein, neeeeiiiiiin!!!!" (Bild: https://pixabay.com/)

"Was redest du da? Das stimmt doch gar nicht!"

"Natürlich stimmt es! Sophias Kotze läuft deine Bluse entlang!"

"Hm? Oha, das habe ich gar nicht bemerkt. Siehst du, das merkt man gar nicht! Jetzt halt sie mal und ich mache ein schönes Foto, damit jeder sieht, wie du ein Baby gehalten hast."

"Ich will aber kein Foto davon, wie ich ein Baby halte! Am Schluss denken die Leute noch, ich wäre ihr Vater. Ich hab‘ da mal einen Film gesehen, wo das –"

"Guck mal, wie sie dich anlächelt! Naaa, will die Sophia zum Diiieter, hm?"

"Keine Chance! Die Göre im "Exorzisten" hatte auch so einen Blick drauf, bevor sie gekotzt und den Kopf im Kreis gedreht hat."

Kurzum: Die Vorstellung, man könnte Kinder nicht mögen, erscheint völlig abstrus, und es gibt nichts, was der Sozialphobiker zum besseren Verständnis beitragen könnte. Eine unbefriedigende Situation, die ungemein einfach aufgelöst werden könnte. Der Grund, warum Sozialphobiker Kinder nicht mögen, ist meist schlichtweg jener, dass sie wiederum als Kind von anderen Kindern nicht gemocht wurden. Reden wir nicht um den heißen Brei herum: Das ist eine schockierende Feststellung, sind wir doch darauf konditioniert worden, in Kindern nur das Gute zu sehen, und selbst wenn Kinder sich wie Norman Bates in seinen Kinderjahren benehmen, Entschuldigungen finden, wie: "Der arme Kevin war völlig überfordert" oder "da sieht man, was zu strenge Erziehung anrichtet". Faktum ist: Kinder sind kleine Erwachsene mit all ihren Bösartigkeiten. Ein zurückhaltendes, vielleicht sogar schüchternes Kind in eine Kindergarten- oder Schulklasse mit herumtobenden, lebhaften Kindern zu stecken ist ungefähr so, als würde man eine Ziege fünf Tage die Woche ins Tigergehege einsperren und ihr jedesmal den guten Rat geben, offener und selbstbewusster auf die Raubtiere zuzugehen. Ach, und viel Spaß noch beim Spielen. Aber nicht übertreiben, gelle?

"So, den doofen Kevin und die blöde ...

"So, den doofen Kevin und die blöde Beate hätte ich verbuddelt ... und jetzt bau ich die Sandburg" (Bild: https://pixabay.com)

Der Sozialphobiker sieht in der kleinen Sophia nicht das zerbrechliche kleine Menschenbaby, das die nächsten Jahre damit zubringen wird, verdaute oder unverdautes Nahrung in einem Umkreis von zehn Metern zu verteilen, seinen Eltern längeren Schlafentzug zu bereiten, als er laut Genfer Konvention Kriegsgefangenen zugemutet werden darf, und mit Erreichen der Krabbelphase fröhlich lachend von einer potenziellen Selbsttötungssituation in die nächste zu tapsen. Nein, der Sozialphobiker sieht jene Kinder darin, die ihm vor zig Jahren die Kindheit und Jugend mit ihrer Bösartigkeit verdarben. Er sieht die harmlosen, wie die gemeinen Streiche, die man ihm gespielt hat. Er spürt die blauen Flecken am ganzen Leib, wo man ihn drangsaliert hat. Er erinnert sich daran, beim Fußball in der Schule stets als Letzter ausgewählt worden zu sein und den Ball höchstens mit dem Gesicht weiterpassen zu dürfen. Und was sich in all diesen Jahren eingebrannt hat ist die Erkenntnis, dass die Erwachsenen ihm nicht geholfen haben. Ganz im Gegenteil: Er müsse sich einfach mehr bemühen, dürfe sich nicht verstecken, müsse schon mal ein bisschen was aushalten, das gehöre ja zum Leben dazu, und später würde einem ja auch nichts geschenkt, und überhaupt sei das die beste Schule fürs Leben.

Kann man ihm verdenken, dass er deshalb beim Anblick des über seine eigenen Beine stolpernden und sein Eis am Boden verteilenden Kevin lacht, was ihm böse Blicke der Eltern und Umstehenden einbringt?

"Sehr geehrter Autor: Als Baby ...

"Sehr geehrter Autor: Als Baby fühle ich mich von Ihrem Artikel beleidigt. Irgendwann kreuzen sich unsere Wege, und dann reiße ich Ihre Eingeweide raus und ..." (Bild: https://pixabay.com/)

4. Betriebsfeiern, oder: Party on? Party off!

Es gibt gute Gründe dafür, wieso die meisten Menschen Berufs- und Privatleben penibel voneinander trennen. Seine Freizeit verbringt man nämlich mit Leuten, die man mag, während man sich im Berufsleben seine Kollegen für gewöhnlich nicht aussuchen kann. Was die Frage aufwirft: Wer ist auf die bescheuerte Idee gekommen, Betriebsfeiern zu veranstalten? Auf eine Feier lädt man im Regelfall Leute ein, die man dabeihaben und mit denen man sich tatsächlich unterhalten möchte, womit sie meist das exakte Gegenteil einer Betriebsfeier darstellen. Für den Sozialphobiker heißt das übersetzt: Mir fällt es schon schwer, mit mir sympathischen Leuten Zeit zu verbringen – was, zum Henker, habe ich in Gesellschaft von Leuten verloren, mit denen ich aus purem Zufall den Arbeitsplatz teile?

Hierzu müssen "normale" Menschen Folgendes wissen: Ein gewiefter Sozialphobiker ist keineswegs per se ein stummer Fisch, sondern hat sich für kurze Konversationen einen Katalog an Smalltalk-Häppchen bereitgelegt. Begegnet man ihm in der Teeküche oder beim Lift, weiß er durchaus eine harmlose kleine Bemerkung fallenzulassen. Betonung auf: Kurze Konversation. Jemand, der am Lagerfeuer so halbwegs "We Shall Overcome" auf der Gitarre zupfen kann, ist auf der Bühne vor 80.000 Leuten ja auch komplett überfordert. Nicht viel anders ergeht es dem Sozialphobiker: Nur weil er am Morgen dem Kollegen aus der anderen Abteilung bestätigen kann, dass er das gestrige Länderspiel gesehen und sich über den Sieg gefreut hat, muss er deshalb nicht in geselliger Runde einen ganzen Tisch mit Anekdoten oder seinen Reiseeindrücken von Indien unterhalten können.

"Schnell, kommt alle mal her! Der ...

"Schnell, kommt alle mal her! Der verklemmte Typ aus der Finanzabteilung erzählt einen Witz!" (Bild: https://pixabay.com)

Gewiss mag ein "Normalo" abwinken und dem Sozialphobiker den Ratschlag geben, sich doch einfach volllaufen zu lassen, wie die meisten anderen auch. Alkohol löst bekanntlich die Zunge und macht locker, nicht wahr? Nun, nicht zwangsläufig. Es mag verblüffend klingen, aber das Wesen eines Menschen ändert sich nicht auf Grund der Promilleanzahl im Blut, ganz so, als ergriffe von einer Sekunde auf die andere Pazuzu einen unschuldigen Körper. Auch der Alkohol kann nur das lösen, was sich fest verankert im Inneren befindet. Ein betrunkener Sozialphobiker verwandelt sich – entgegen Hollywood-Logik – überraschenderweise nicht in einen lockeren, geselligen Partylöwen, dem der Chef beeindruckt das Du-Wort und seine halb so alte Geliebte anbietet. Was Alkohol hingegen anrichten kann ist, dass sich der Sozialphobiker übergibt und fürderhin eine Bestätigung mehr für seine Ängste findet.

5. Frauen wissen, was sie wollen … jeden anderen Mann außer mir

"Lieber Artikelautor! Ich bin bloß irgendein Typ, den du dir gerade ausgedacht hast, aber ich hätte trotzdem eine Frage an dich: Wenn man Sozialphobiker ist, wie ich es bin, wie kann man trotzdem eine Partnerin finden?"

Liebe Stimme in meinem Kopf: Gar nicht. Gewöhne dich an den Gedanken, den Rest deines erbärmlichen Lebens alleine zu bleiben. Viel Spaß dabei und alles Gute!

THE END.

Nun gut, das klänge doch ein bisschen arg deprimierend, und ich möchte keinen meiner Artikel mit einem Downer beenden. Betrachten wir die Partnersuche doch einmal von der praktischen Seite: Lange vor Singlebörsen, Facebook, Speed Dating oder arroganten Zicken in TV-Shows, die arglose Kandidaten vorführen, haben sich Menschen gesucht und gefunden. Der Beweis: Acht Milliarden Menschen. Für den "Normalo" ist die Partnersuche das Normalste der Welt. Er sieht eine attraktive Frau am anderen Ende der Bar, geht zu ihr hin und lädt sie auf einen Cocktail ein. Vielleicht ist sie bereits verheiratet oder in einer Partnerschaft, dann sagt sie höflich ab, vielleicht hat ihr Verehrer aber auch Glück und es entwickelt sich eine Romanze daraus. Oder der "Normalo" spricht in der Buchhandlung eine Frau an, die ein Buch seines Lieblingsautors liest. Oder die neue Kollegin in der Abteilung eine Etage höher erweist sich als frisch geschieden und einem Flirt nicht abgeneigt. Oder er lernt beim Ausüben seines Lieblingssports eine ebenso sportbegeisterte Single-Dame kennen. Oder, oder, oder.

Was, bitteschön, soll daran kompliziert sein? Mann sieht Frau, Mann findet Frau attraktiv, Mann quatscht Frau an, Frau zeigt sich interessiert oder weist ihn ab, Punkt. So hat das nämlich die Natur vorgesehen. Das kann man in jeder Natur-Doku beobachten. Da balzen Vögel um die Weibchen oder fechten Männchen Revierkämpfe aus, um das begehrteste Weibchen für sich zu gewinnen. Noch nie, wirklich noch nie, wurde ein Schimpanse dabei beobachtet, wie er einem Weibchen seine Telefonnummer für den Fall gibt, dass sie rein zufällig mal Lust hätte, sich mit ihm zu treffen, aber wirklich nur, wenn sie nix Besseres zu tun hat, und keinesfalls möchte er aufdringlich bitten, um Himmels willen!

"Hilde?!? Es ... es ist nicht so ...

"Hilde?!? Es ... es ist nicht so, wie es aussieht! Jacqueline wollte mir nur helfen, das Heimlich-Manöver zu üben!" (Bild: https://pixabay.com/)

Nein – auch ein Tier hält sich an die Yoda-Weisheit: Tu es, oder tu es nicht. Das Dilemma für den Sozialphobiker liegt in der Unentschlossenheit: Noch während er hin- und her grübelt, ob und wie er die nette Frau am anderen Ende der Bar anquatschen soll, wurde diese vom "tu es"-Typ angebaggert, abgeschleppt und gleich am WC geschwängert. Bis sich unser Sozialphobiker zum mutigen Schritt des Ansprechens entschieden hat, ist das gegenständliche Objekt der Begierde im fünften Monat schwanger und verheiratet..

"Och, wie süß, Honigbärli: Der Typ ...

"Och, wie süß, Honigbärli: Der Typ überlegt immer noch, ob er mich anquatschen soll!" (Bild: https://pixabay.com)

Die gute Nachricht lautet: Heiratsinstitute und Zeitungsannoncen, später Singlebörsen oder Speed-Dating-Veranstaltungen helfen auch Sozialphobikern, Kontakte zu knüpfen.

Die schlechte Nachricht lautet: Den Schritt des Kennen- und Liebenlernens können sie nicht übernehmen. Sehr zum Leidwesen so manchen Sozialphobikers, der sich wünschte, jemand anders würde beim ersten Date für ihn einspringen. Bestimmt kennt die eine oder andere Frau diese Situation: Da hat sie jemanden über eine Singlebörse oder Facebook kennengelernt, der einen netten, witzigen Eindruck macht, aber beim Treffen erkennt sie diesen Mann nicht wieder. Klar, er sieht wie auf den Fotos aus, hat auch mit dem Alter und der Größe nicht gelogen. Doch wieso kriegt er plötzlich keinen graden Satz auf die Reihe, schaut ihr nicht in die Augen, sondern auf den Boden, das Weinglas oder zum Pärchen nebenan, und wieso wirkt er ähnlich locker wie ein Teenager beim Kauf eines Pornomagazins?

Auflösung des Rätsels: Es muss sich nicht um böswillige Täuschung handeln. Das männliche Gegenüber mag witzige Mails verfassen können. Im persönlichen Kontakt hingegen mag er extrem unsicher sein. Und mit jedem fragenden Blick der Dame seines Herzens, mit jeder bohrenden Frage ihrerseits steigt die Verunsicherung. Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum Urinale auf öffentlichen WCs nicht tiefer sind? Das ist eine Sicherheitsmaßnahme, um Männer davon abzuhalten, sich aus Verzweiflung ob eines peinlich verlaufenden Dates im Urinal zu ertränken

"Hi! Ich hoffe, dich stört meine ...

"Hi! Ich hoffe, dich stört meine Mum nicht ... also, um mit deiner letzten Mail zu beginnen: Was den Analverkehr anbelangt, so ..." (Bild: https://pixabay.com)

Gerade für männliche Sozialphobiker ist die Partnersuche um Etliches schwieriger. Nicht nur wird erwartet, dass sie den ersten Schritt machen, wird ihre zurückhaltende, scheue Art als Makel aufgefasst. Eine als schüchtern oder etwas verklemmt geltende Frau hingegen gilt oft als süß. Aber gibt es einen Ausweg aus diesem Dilemma? Vielleicht, wenn auch mit erheblichen Problemen behaftet, denn nach wie vor obliegt dem Mann das Werben. So sehr auch Gleichberechtigung in allen Belangen propagiert wird: Der Mann muss die dominierende Rolle einnehmen. Schafft er dies nicht, gilt er als uninteressant ("was für eine Lusche!") oder gar als uninteressiert ("wieso sagt und tut er nix? Bin ich ihm nicht gut genug?").

Sprich: Ein Sozialphobiker muss nicht nur eine Frau finden, die ihm buchstäblich entgegenkommt, sie muss auch ungemein tolerant sein und über seine sozialen Makel hinwegsehen. Ein schwieriges Unterfangen, so man kein russischer Ölmilliardär oder dessen Sohn ist. Denn auch hier tun sich die Parallelen zur Tierwelt auf: Das Eichhörnchen mit den meisten Nüsslein beeindruckt die entzückendsten Eichhörnchen. Nicht wahr, Kollege Scratch aus "Ice Age"?

Gibt es also keine Hoffnung für Sozialphobiker, Sätze aus weiblichen Mündern zu vernehmen, die nicht mit "Äh, nein" oder "Lass uns Freunde bleiben" beginnen? Doch, natürlich! Für verschrobene Sozialphobiker hat sich Mutter Natur etwas ganz Raffiniertes im weiblichen Körper einfallen lassen: Es nennt sich "Mitleid".

Nachwort

Mit diesem Artikel möchte ich mich weder über Sozialphobiker lustig machen, noch irgendwelche Ratschläge erteilen. Es handelt sich bei diesem Artikel, wie bei allen anderen aus meiner elektronischen Feder, um pure Unterhaltung. Sollte Ihnen meine Art des Schreibens gefallen, darf ich Ihnen meine Satire-Bücher ans Herz legen. Sie müssen Sie nicht lesen – kaufen genügt mir.

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