Eine Überdosis Amphetamine

Der Traum als Wirklichkeit

© ACUD Theater

 

Sigismund (Heiko Schendel) steht mit nacktem Oberkörper da wie ein männlicher Bulldozer, wild gestikulierend, als habe er eine Überdosis Amphetamine abbekommen und ringe um seine Fassung. Wie ein undomestiziertes Tier, das unter erotischen Defiziten und libidinöser Unterversorgung leidet, erblickt er Rosaura als Kammermädchen und ist in einem Maße hingerissen, dass er sich ihrer rabiat bemächtigt. Um seiner Kraftnatur gerecht zu werden, wirft er einen Hofdiener vom Balkon, schließlich wurde er vom Vater wie ein ungeschlachtes Tier behandelt. Ein plötzlicher Gefühlsausbruch wirkt unglaublich: "Ich bin ein Tyrann", schluchzt er und wird von Rosaura (Susanne Heubaum) in den Arm genommen. Innerlich zerstört und desillusioniert verfängt er sich in einem behelfsmäßigen Baldachin und wird darin gefangengehalten. Für den König, der gelegentlich mit einem gewaltigen Cowboyhut auftritt, waren alles nur leere Träume. Ansonsten wird viel auf dem Catwalk hin- und hergewandelt, ohne zu chargieren. Die poetische Sprache kontrastiert zuweilen zu den einfachen Handlungssträngen.

 

Das Volk befreit den Thronfolger

Heiko Schendel, Susanne Heubaum

© ACUD Theater

 

Clarin wird von einer Frau (Barbara Smilowska) gespielt, sie begleitet die in Astolf verliebte Rosaura an den polnischen Hof. Clarin wird ungewöhnlich viel Raum gegeben, den sie durch häufiges Grimassieren und pulsierende (Über-)Energie nutzt. Völlig unverständlich ist die Liebe von Rosaura zum klebrigen Astolf, der mit seiner Kraftfrisur, die wie nach einem Buschbrand entstanden ist, keinerlei Ausstrahlungskraft besitzt: Hier macht's wohl der Adelstitel. Längst sitzt Sigismund wieder im Verlies, doch das Volk rebelliert im Stil von Aufständischen und Guerilla-Kämpfern und setzt ihn in Freiheit, auf dass ein königlicher Erbe an die Macht komme und kein ausländischer Graf. Nun möchte Sigismund seine Waffen gegen den Vater erheben, und der kapituliert. Die unermüdlich liebende, doch unschwärmerische Rosaura möchte die Ehe zwischen Astolf und Estrella durch eine Intrige verhindern und Sigismund zum Thron verhelfen. Leider schafft es Susanne Heubaum nicht, die Kraft ihrer Liebe gestisch überzeugend rüberzubringen, immer mischen sich etwas emotionale Abgeklärtheit und Berechnung hinzu. Aber sie wird ihren Astolf bekommen, auf Weisung der neuen Herrschers, der ihr zur Ehrenrettung verhilft. Der Schluss ist etwas kitschig: Sigismund hat aus seinen alten Entgleisungen gelernt und erweist sich nun als gütiger Landesvater von Volkes Gnaden. Die Protagonisten stehen im Kreis und umarmen sich. Dies ist noch nicht die Zeit der Mesalliancen: Aus Standesgründen nimmt Sigismund Estrella zu seiner Frau.

Leben ist Traum

von Pedro Calderón de la Barca

Regie: Felix Goldmann, Bühne/Kostüme: Jens Uwe Behrend, Technik: Daniel Semke, Musik: Grit Lindau & Anders Kamp.

Mit: Sabine Roßberg, Susanne Heubaum, Heiko Schendel, Anders Kamp, Rike Eckermann, Barbara Smilowska, Samuel Zakarias.

ACUD Theater

Premiere vom 9.August 2014

Dauer: 90 Minuten, keine Pause

 

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