Kurzum: Keine andere politische Figur wurde und wird intensiver vor den Karren gespannt als jener Österreicher, dessen Friseur sein größter Feind gewesen sein muss. Dem Medien-Phänomen Hitler kann man sich auf folgende Weisen bedienen:

1. Der Einstieg: Hitler als Zugpferd

Egal, wie mies ein Film auch sein mag: Mit Hitler als Protagonisten kann dieser unmöglich verrissen werden. Vor allem dann, wenn der Holocaust behandelt wird. Denn: Wer auch immer Kritik am Film üben möge, deklariert sich automatisch als der Sympathien für den Massenmord verdächtig. Als Hobbyautor kann ich jedem Kollegen, der über Nacht Aufsehen erregen möchte, nur den Rat geben, Hitler in eine Geschichte einzubauen oder eine Ode an den Führer zu verfassen. Jegliche Kritik daran kann man nonchalant mit folgender Phrase abschmettern: "Ich musste die Geschichte auf diese Weise schreiben, um meine Abscheu vor diesem Monster zu bekunden."

2. Als Provokation: Leichte Stufe

Man nehme an einer gut besuchten Party teil und merke laut und deutlich irgendwann an: "Tja, was würde wohl Hitler in dieser Situation machen?"

3. Als Provokation: Mittlere Stufe

Dies eignet sich besonders gut für noch unbekannte Aktionskünstler: Fertigen Sie eine Hitler-Maske an und tragen Sie diese im Zuge eines medial gut besuchten Ereignisses. Manch ein bis dato verkannter Künstler setzte sich auf diese Weise schon ins Rampenlicht. Die Gefahr, im Gefängnis oder im Beklopptenhotel zu landen ist verschwindend gering: Sie machen ja nur auf das Erstarken des Rechtsradikalismus im Gefolge ... (hier ein beliebiges Ereignis einsetzen) aufmerksam, und wer Sie daran hindern möchte ist Steigbügelhalter der Neo-Nazis.

4. Als Provokation: Höchste Stufe

Welcher Werbetreibende träumt nicht davon, über Nacht für weltweite Schlagzeilen zu sorgen?
Tatsächlich ist dies auf ungemein simple Weise möglich, wie etwa eine Hitler-Pizza-Werbung in Neuseeland vor zwei Jahren demonstrierte. Auf die unvermeidliche Empörung reagiere man mit unschuldiger Naivität: "Wenn ich gewusst hätte, dass Hitler so ein böser Mensch war, hätte ich für meine Kondomfabrik natürlich anders geworben, als ihn beim Gruppensex mit Mohammed, dem Papst und Maria Magdalena zu zeigen."

Her mit dem kleinen Führer!

Eine neue Aids-Kampagne bediente sich gerade besagten Punkt 4 und zeigt Hitler beim Sexfickfuckverkehr mit einem Model.
Alternativ zum Hitler-Sex gibt es auch "Saddam in Love" sowie "Drin wie Stalin". Aber seien wir ehrlich: Wirklich sexy ist einfach nur Hitler! Da mag Stalin noch so viele Menschen mehr auf dem Gewissen haben: Er wirkt im direkten Vergleich mit dem charismatischen Führer rührig harmlos.

Doch Vorsicht: Verkneifen Sie sich jegliche Kritik an diesen geschmackvollen Spots! Schließlich geht es um einen guten Zweck:

HIV bzw. Aids hat damit an Aufmerksamkeit, Bewusstsein und Ressourcen verloren, was präventives Verhalten schwächt und es besteht die Gefahr einer Entsolidarisierung mit Betroffenen und den ihnen Nahestehenden.

Geben wir Aids-losen es doch einfach unumwunden zu: Es gibt Momente im Leben, da denken wir an etwas anders als Aids. Ganz zu schweigen von der mangelnden Solidarisierung mit Betroffenen. Wahrscheinlich ist es eine schwache Entschuldigung, aber persönlich kenne ich einfach niemanden, der Aids hätte. Dies könnte daran liegen, dass sich in Österreich jährlich einige hundert Menschen mit Aids infizieren, was angesichts einer Bevölkerungsanzahl von 8 Millionen einen eher geringen Prozentsatz ausmacht.

Natürlich tut es mir für die Betroffenen leid, aber für mich persönlich stehen andere Probleme oder Risiken im Mittelpunkt meiner Überlegungen. Davon abgesehen empfinde ich die Kampagne als leicht problematisch. Die Übertragung von Aids kann verhindert werden, während Kondome vermutlich tendenziell wenig daran änderten, im KZ zu verhungern oder an die Wand gestellt und erschossen zu werden.

Huch! Jetzt bin ich doch glatt auf die Provokation reingefallen...

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