Der große Aktienrausch

Eigentlich wurde der Neue Markt gegründet, um Unternehmen in der Wachstumsbranche, heute sagt man dazu Start Ups, mit Investoren zusammenbringen, die Lust auf Risiko haben. Die ersten zwei Unternehmen, die am neuen Markt gelistet wurden, waren das Mobilfunkunternehmen Mobilcom und der Autozulieferer Bertrand. Schon ein halbes Jahr war der NEMAX um rund 97 % gewachsen. Die Menschen rissen sich förmlich um Aktien. Selbst bei Friseur oder beim Einkauf wurden über Aktienkurse diskutiert. Ein Börsengang folgte dem Nächsten und jeder wollte ein Stück vom Kuchen haben.

Im Juli 1999 führt die Deutsche Börse für die 50 größten Unternehmen am Neuen Markt, den NEMAX 50 ein. Der Neue Markt Index wird in NEMAX All Share umbenannt.

Drei Jahre nachdem der neue Markt erfolgreich an der Börse gestartet war, erreichte der Wahnsinn seinen Höhepunkt. Der Aktienwert stieg auf mehr als 230 Milliarden Euro und der Nemax 50 stieg im Tagesverlauf auf fast 9.700 Punkte.

Doch es tauchten auch schon erste Schatten auf. Im Juli 2010 tauchten erste "Todeslisten" auf denen Unternehmen zu finden waren, die von Zahlungsunfähigkeit bedroht waren. Heute weiß man, dass diese Listen sogar noch sehr optimistisch waren. Im September 2000 tauchen dann erste Risse auf. Das Unternehmen Gigabell beantragt Insolvenz. 2001 wird das Unternehmen wegen Verstoß gegen das Regelwerk dann ausgeschlossen. Es folgten weitere Insolvenzen und Skandale.

Und der große Knall

Die Börsenlegende André Kostolany prophezeite im Jahr 1999, dass man nicht zum neuen Markt gehen sollte - und er behielt recht.

Schon im August 2001 fielen die Kurse am Neuen Markt erstmals unter 1.000 Punkte. Doch dann kam der 11. September 2001, der Tag, der die Welt veränderte. Nach den Terroranschlägen in den USA brechen die Kurse an den Aktienmärkten ein. Der NEMAX AllShare fällt auf 837 Punkte. Im Oktober 2001 erreichte der Neue Markt dann mit 306 Punkten seinen Tiefststand. 2002 geht mit Repower Systems das letzte Unternehmen an den Neuen Markt. Am 5. Juni 2003 wird der Neue Markt dann endgültig geschlossen. An diesem Tag wechselte mit dem Mainzer Unternehmen Primacom die letzte Firma die dort gelistet war, in den geregelten Markt.

Was wurde aus Mobilcom?

Der Mobilfunkanbieter Mobilcom war sozusagen eines der Gründungsmitglieder des Neuen Marktes. Doch vom einstigen Vorzeige-Mobilfunkanbieter ist nicht mehr allzu viel übrig. Im Jahr 2000 ersteigerte das Mobilcom noch mit viel TamTam eine der damals begehrten UMTS Lizenzen, damals mithilfe der Francé Telecom. Doch das Unternehmen hatte sich mit dem damit verbundenen Netzausbau verhoben und Mobilcom hatte mit immensen finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Zunächst erhielt das Unternehmen eine Finanzspritze von der damaligen Bundesregierung in Höhe von 50 Millionen Euro, die jedoch nicht ausreichten. Gründer Gerhard Schmid sollte, um eine Insolvenz zu vermeiden, seine Aktien auf einen Treuhänder übertragen. Das wollte Schmid aber nicht. Dem Streit vorausgegangen war ein höchst umstrittenes Aktiengeschäft zwischen der Millenium GmbH, deren Geschäftsführerin damals die Frau von Gerhard Schmid war und der Mobilcom AG.

Irgendwann einigte man sich dann allerdings doch, die Francé Telecom übernahm neben den Aktien von Schmid und seiner Frau auch die UMTS Schulden und gab die Lizenz an den damaligen Netzbetreiber E-Plus ab (den gibt es allerdings auch nicht mehr). Vorstandsvorsitzender wurde Thorsten Grenz, der den Posten bis August 2005 besetzte.

Rund 2000 Stellen wurden im Zuge der Aufgabe der UMTS Lizenz abgebaut. Mehrere Standorte wurden geschlossen. Gerhard Schmid meldete Privatinsolvenz an.

2022 verschwand der Name Mobilcom dann komplett vom Markt, da eine Umbenennung in Freenet erfolgte. Legendär waren damals übrigens die Werbespots von Mobilcom und der Telekom, in denen beide kräftig gegeneinander schossen.

Die gefallenen Sterne

Ein Unternehmen, das am Neuen Markt traurige Geschichte schrieb, ist das Unternehmen Comroad. Der Telematik Anbieter schrieb einen der größten Skandale am Neuen Markt. Umsätze des Unternehmens waren vor allem über Scheinrechnungen generiert worden. Der Firmengründer Bodo Schnabel wurde wegen gewerbsmäßigen Betrugs, Insiderhandel und Kursbetrug zu sieben Jahren Haft verurteilt. Spektakulär war auch der Prozess gegen die beiden EM.TV Gründer Thomas und Florian Haffa.

Im Jahr 2002 meldeten dann die SZ Testsysteme AG und Bintec Communications Insolvenz an und es folgten zahlreiche weitere Unternehmen, Skandale und Gerichtsprozesse, darunter Abacho, CPU, Informatec, Kabel New Media, Metabox, Teldafax usw.

 

Diese Unternehmen gibt es noch

Nicht alle Firmen, die am Neuen Markt gelistet waren, sind insolvent und verschwunden. Es gibt durchaus "Überlebende", von denen einige sehr erfolgreich geworden sind. Darunter befindet sich unter anderem der DSL-Anbieter 1 & 1 aus Montabaur. Ein weiteres extrem erfolgreiches Unternehmen ist CTS Eventim, die auch heute noch an der Börse notiert sind. Ebenfalls weiterhin an der Börse ist Bertrand, das Unternehmen war damals gemeinsam mit Mobilcom ja Gründungsmitglied.

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