Die Anfänge in Stralsund

Schon lange war die Produktion von Spielkarten in Stralsund ein höchst rentables Geschäft. Viele Unternehmen schossen aus dem Boden, bis sich 1872 die drei Stralsunder Spielkartenproduzenten Ludwig v. d. Osten, Ludwig Heidborn und Theodor Wegener zu einer Aktiengesellschaft zusammenschlossen, die sie Vereinigte Stralsunder Spielkarten – Fabriken Aktien Gesellschaft Stralsund (VSS A.G.) nannten. Mit dem nun gebündelten Kapital vergrößerten sie die Produktion und kauften weitere Spielkartenfabriken nach deren Konkurs auf.

Ein boomender Betrieb mit Platznot

Ein bedeutender Erwerb für die Zukunft der VSS war die Übernahme der Spielkartenfabrik Lennhoff & Heuser aus Frankfurt am Main. Heuser wurde Direktor und brachte viele populäre und bekannte Kartenbilder mit nach Stralsund. Nun produzierte VSS auch in Halle und Altenburg. Der Stralsunder Ursprungsbetrieb wurde weiter modernisiert und wegen der geringeren Kosten auf Buchdruck umgestellt.

Inzwischen stellten die Stralsunder Fabriken den größten Teil der auf dem deutschen Markt benutzten Spielkarten her und produzierten auch für den Export. 1907 stellte die Stralsunder Fabrik 3,3 Millionen Spielkarten her. 1913 wurden 235 Arbeiter beschäftigt.

Es wurde weiter investiert. Aber schon 1931 mußte die Hauptversammlung beschließen, die beiden Betriebsstätten in Stralsund und Altenburg zusammenzulegen und als Sitz das zentral gelegene Altenburg in Thüringen zu bestimmen. Grund war die fehlende Expansionsmöglichkeit in der engen Festungsstadt Stralsund. Noch im September 1931 wurde die Produktion in Stralsund aufgegeben, zumal die Entscheidungsträger im Standort Altenburg geographisch-logistische Vorteile sahen.

Skatstadt Altenburg

Am Stichwort Altenburg kommt mann nicht vorbei, ohne das Skatspiel zu erwähnen.

Nach den Überlieferungen und Annalen der ostthüringischen Stadt Altenburg ist hier das Skatspiel entstanden. Ein weitgereister Kutscher soll "Schafkopf" aus dem sächsisch-böhmischen Erzgebirge nach Altenburg gebracht haben. Zwischen 1810 und 1817 soll daraus das Skatspiel weiter entwickelt worden sein. 1818 wurde Skat ( aus dem italienischen scartare = weglegen) bereits in dem Regionalblatt "Osterländischen Blätter" erwähnt. Dessen Verleger Hempel hat das Spiel mit Freunden wie dem Medizinalrat Dr. med. Schuderoff, dem Lexikonverleger Brockhaus und dem Ratskopisten Neefe zu Skat weiter entwickelt.

Skatspieler mögen sich über die damaligen ersten alten Regeln wundern: Immer der Kartengeber erhielt ohne Rücksicht auf sein Blatt die beiden übrigen Karten. Trumpf waren immer die Buben und Karo. Der Vorteil des Gebers war allein, dass er zwei ihm nicht passende Karten weglegen konnte. Erst viel später wurde gereizt und Trumpf angesagt.

Die Altenburger Spielkartenfabrik

In Altenburg erhielten die Brüder Bernhard und Otto Bechstein 1632 die Erlaubnis ihres Herzogs, deutsche und französische Spielkarten unter dem Namen Herzogliche Sächsische Altenburger Concessionierte Spielkartenfabrik herzustellen und zu verkaufen. Ihr unternehmerischer Eifer war riesig, das Geschäftsergebnis brachte jedoch wegen der durchfahrenden Spielkarten-Händler aus Weimar, Leipzig und Dresden keinen Gewinn. Nachdem den Händlern der Verkauf untersagt wurde, überschritten die Bechsteins 1840 die Gewinnschwelle und schufen sich mit guter und preiswerter Ware einen klingenden Namen. 1874 erfolgte der Verkauf der Firma an Theodor Gutmann und Artur Pleißner, die aus ihr 1886 eine Aktiengesellschaft machten. Diese wurde 1897 von der Vereinigten Stralsunder Spielkartenfabriken AG aufgekauft und firmierte bis 1931 als "Vereinigte Stralsunder Spielkartenfabrik AG Abteilung Altenburg. Mit der Zusammenlegung der Betriebsstätten Stralsund und Altenburg mit dem Firmensitz in Stralsund war die Firma mit späterem Weltruhm "Vereinigte Altenburger und Stralsunder Spielkarten-Fabriken, A.G., Altenburg" geschaffen.

Die höchst wechselvolle jüngere Geschichte mit Jahren der Trennung

Nach dem zweiten Weltkrieg verschlug es die "Vereinigte Altenburger und Stralsunder Spielkartenfabriken" nach Mannheim und 1956 nach Leinfelden bei Stuttgart.

Nach der Demontage wurde der Betrieb in Altenburg als landeseigener Betrieb des Landes Thüringen fortgeführt, bis daraus daraus der Volkseigene Betrieb VEB Altenburger Spielkartenfabrik, Altenburg Thüringen, wurde. Nach der Wende wurde die Altenburger Firma unter dem Namen "Altenburger Spielkartenfabrik" 1991 reprivatisiert und durch die Treuhand an die Vereinigte Münchener Spielkartenfabriken, F.X. Schmid verkauft.

Härtester Wettbewerb auf dem Spielemarkt

Die Spielkartenproduktion, auch von F.X. Schmid, wird nach Altenburg verlegt. Schmid wiederum wurde 1996 von "Ravensburger" übernommen. Ein Rechtsstreit mit ASS in Leinfelden ging verloren; die Umfirmierung in "Spielkartenfabrik Altenburg GmbH" war geboten. Dann ging ASS in Leinfelden in Konkurs und gelangte als ASS Spielkarten Verlag GmbH mit Sitz in Steinenbronn an die Blatz-Gruppe in Berlin mit ihren Schmidt Spielen (Mensch ärgere dich nicht, Bibi Blocksberg, Benjamin Blümchen).

1999 übernahm Ravensburger die Firma "Berliner Spielkarten" und integrierte sie 2000 in die Spielkartenfabrik Altenburg. So war Altenburg wieder zur größten Produktionsstätte für Spielkarten in Europa geworden.

ASS Altenburger Spielkarten

2001 hatte der internationale Spielkartenhersteller Cartamundi mit Sitz in Belgien den ASS Spielkartenverlag in Steinenbronn und 2002 die Spielkartenfabrik Altenburg von der Ravensburger Gruppe übernommen. Somit hatte Cartamundi beide getrennten Firmen wieder in einem Unternehmensverbund zusammengefügt. Gleiches geschah 2003 für "ASS" und "Altenburger". Seitdem erfolgt die Produktion von Spielkarten unter der Marke "ASS Altenburger" allein in der Betriebsstätte Altenburg.

Jährlich gibt Cartamundi 40 Millionen Spiele auf den Markt und erzielt mit 160 Mitarbeitern in Marketing, Vertrieb und Produktion einen Umsatz von über 20 Millionen Euro.

Stralsunder Spielkarten im Stralsunder Museum

Die Stadt Stralsund ist stolz auf ihre Spielkartentradition und bewahrt einige sehr alte Spielkarten, zum Beispiel von Merten Hockendorf aus dem Jahr 1509, in ihrem Kulturhistorischen Museum Stralsund auf. Dort sind sehr seltene Exemplare der in Stralsund hergestellten Spielkarten in einer Dauerausstellung zu sehen. 2009 feierte Stralsund das seltene Jubiläum "500 Jahre Spielkarten aus Stralsund.

Spielkarten Fabrik Stralsund - ein lebendiges Museum

Die alte Spielkartenfabrik wird heute als museale Werkstatt betrieben. An den historischen Maschinen wird gearbeitet. Die Besucher erhalten einen lebendigen Eindruck von den Arbeits­bedingungen in einer alten Druckerei. Den meist ehrenamtlichen Mitarbeitern wird bei der Arbeit mit alten Techniken über die Schulter geschaut. Eine benachbarte Ausstellung zeigt Arbeitsergebnisse und historische Kartenblätter. Neben der Spielkartenherstellung werden an Wochenenden Intensiv­kurse für Typografie und Buchdruck, Druckgrafik, Papierschöpfen und Buchbinden mit Mitarbeitern des Hauses und Künstlern aus der Region angeboten.

Die Spielkartenfabrik Stralsund, Katharinenberg 35, 18435 Stralsund, steht allen interessierten Besuchern Montag bis freitags von 11 bis 13 Uhr und 15 bis 19 Uhr offen. Führungen werden nach Absprache angeboten.

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