Merkmale von Angst

Angst läuft immer gleichzeitig körperlich und seelisch ab; sie läuft psychosomatisch ab. Auf der physischen Ebene tritt beispielsweise verstärktes Herzklopfen, Zittern, Mundtrockenheit, kalter Schweiß oder vermehrter Harndrang und Durchfall auf. Die psychische Ebene wird durch ein Gefühl der Einengung erlebt, in dem man sich handlungsunfähig etwas Unbekanntem, Unbestimmbaren ausgeliefert sieht. Da Angst immer auf diesen beiden Ebenen auftritt, kann sie als Notfallhilfe auch über die physische Ebene unterbrochen werden, indem man beispielsweise zehnmal tief ein- und ausatmet und dadurch eine körperliche Entspannung herbeiführt, die auch auf der psychischen Ebene zu etwas Entspannung führt. Auch Entspannungsverfahren, wie das Autogene Training, zielen auf den gleichen Effekt ab, die aufgetretene Angst zu vermindern mit Hilfe körperlicher Entspannung.

Unterteilung von Ängsten

Realangst tritt als Folge von realen äußeren Bedrohungen und Gefahrensituationen auf. In diese Kategorie fällt auch die Vitalangst, die sich bei lebensbedrohlichen Krankheiten ausbilden kann. Neurotische Ängste unterscheiden sich von realen Ängsten durch einen nicht bewussten Ursprung. Die Angst ist auf nichts Bestimmtes bezogen, aber präsent. Anders ist es bei Phobien. Diese sind auf bestimmte Objekte oder Situationen gerichtet und können vielfältig auftreten. Beispielsweise als Agoraphobie – die Angst über einen freien Platz zu gehen – oder Klaustrophobie – die Angst vor engen oder geschlossenen Räumen – um nur zwei zu nennen.

Entstehungsfaktoren für Angststörungen

Angststörungen und Phobien entstehen aufgrund ungelöster Konflikte. Der Persönlichkeit nach sind Menschen mit Angststörungen oft sensibel, übermäßig gewissenhaft und aggressionsgehemmt. Sind sie wütend und ärgerlich auf andere, zeigen sie dies nicht, sondern geben sich im Gegenteil freundlich, liebenswürdig und hilfsbereit aufgrund unbewusster Ängste davor, von den anderen ausgeschlossen und nicht mehr gemocht zu werden; ein solches Verhalten weist auf mangelhaft erworbenes Vertrauen in der Kindheit hin. Vertreter des Modell-Lernens gehen davon aus, dass Angst durch die Imitation von Verhaltensweisen anderer Menschen gelernt werden kann. Vertreter der kognitiven Psychologie sehen Angststörungen ausgelöst durch ein erlebtes Gefühl von mangelhaften Kontrollmöglichkeiten, die nötig wären, um Anforderungen zu bewältigen, aber in der Vergangenheit nicht gelernt wurden und deswegen nicht zur Verfügung stehen. Dadurch stellt sich ein Gefühl von Hilflosigkeit ein, das irreal und übertrieben auf die ganze Welt übertragen wird. Phobien werden im Rahmen der klassischen Konditionierung als gelernte Reaktionen verstanden. Eine an sich neutrale Situation wurde in der Vergangenheit mit einem angstbesetzten Erlebnis verknüpft und wirkt in dieser Kombination weiter. Phobien werden auch durch operantes Konditionieren erklärt. Wenn eine Situation, die angstbesetzt ist, vermieden wird und sich durch diese Vermeidung positive Folgen ergeben, wird die Vermeidung immer öfter stattfinden.

Kinder, Erziehung und Angst

Verschiedene Menschen werden als Folge der gleichen Gefahrensituation unterschiedlich große Ausprägungen von Realangst verspüren, abhängig von ihrer Persönlichkeit, von ihrem körperlichen Zustand und von bereits in ihrer Kindheit gemachten Angstsituationen und den damit verbundenen Bewältigungsstrategien. Besonders für Kinder ist Angst noch etwas Natürliches, weil sie die Welt weitaus unmittelbarer und unverfälschter erleben als Erwachsene. Vor allem eine liebevolle und unterstützende Erziehung des Kindes hat Einfluss darauf, ob es seine Ängste als etwas kennenlernt, das überwunden werden kann. Nehmen Eltern ihre Kinder ernst und gehen auf sie ein, können sie ihnen zeigen, dass viele ihre Ängste unbegründet sind und überwunden werden können. Hat ein Kind beispielsweise Angst allein im Dunkeln zu schlafen und die Eltern nehmen dies ernst und erlauben, dass nachts ein Licht im Kinderzimmer eingeschaltet bleiben darf, erlebt das Kind, dass einfache Hilfsmittel Ängste überwinden helfen. Es speichert diese Lernerfahrung ab und wird auch später im Erwachsenenleben konstruktiver mit seinen Ängsten umgehen können. Fehlt allerdings eine unterstützende Erziehung seitens der Eltern und das Kind wird mit seinem Ängsten und deren möglicher Bewältigung allein gelassen, kann es eine krankhafte Angststörung entwickeln, weil es einerseits möglicherweise erkennt, dass seine Angst unbegründet ist, aber andererseits keine Lösungsmöglichkeiten gezeigt bekommen hat, um die Angst abzuwehren. Das Kind bleibt quasi in dem emotionalen Dilemma stecken, einerseits um die Unsinnigkeit der Angst zu wissen, aber anderseits nichts dagegen tun zu können. Darüber hinaus wird Kindern auch heute noch oft Angst gemacht, um besser Einfluss auf sie ausüben zu können und sie vermeintlich besser zu erziehen, anstatt ihnen die Freiheit einzuräumen, selbst Entscheidungen treffen zu dürfen. Man erinnere sich nur an die Androhung des schwarzen Mannes oder der bösen Hexe als Erziehungshilfe.

Therapeutische Möglichkeiten bei Angststörungen

Angststörungen können "von außen" behandelt werden oder "von innen heraus". Im ersten Fall wird Angst als Symptom behandelt und durch körperliche Entspannungsverfahren oder beispielsweise Selbstsicherheitstraining und andere Methoden der Verhaltenstherapie therapiert. Im anderen Fall wird eine psychoanalytisch ausgerichtete Psychotherapie versuchen, die Ursprünge der Angststörung und deren Dynamiken zu erkunden. Sinnvoll ist auch eine Gruppentherapie, in der Menschen mit Angststörungen erkennen können, dass sie nicht die einzigen sind, die Ängste haben. Möglicherweise wird das Gefühl, seinen eigenen Ängsten machtlos ausgeliefert zu sein, dadurch relativiert.

Autor seit 12 Jahren
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