Leichte Lektüre für Mußestunden

"Das Erbe von Tanston Hall" ist ein klassisch erzählter Krimi in der Form eines "Detektivromans": Am Anfang steht ein Rätsel, in diesem Fall das Verschwinden Phils, sodass zumindest ein Verbrechen vermutet werden kann. Dieses Verbrechen wird nach und nach aufgeklärt, in diesem Fall jedoch nicht von Detektiven, sondern von der Krankenschwester Kate und der Kellnerin und Künstlerin Luna. Bevor das gelingt, müssen die beiden jedoch einige Gefahren über- stehen.

So weit, so gut, es ist solide gearbeitetes Handwerk und wer diese Erwartung an einen Krimi stellt − es gibt ein Verbrechen, das nach einigen Verwicklungen aufgedeckt wird − wird weitgehend zufrieden sein. Ein wichtiges Qualitätskriterium für diese Art Krimi ist, dass das Rätsel auf keinen Fall vom Leser frühzeitig gelöst werden darf und diese Aufgabe erfüllt das Buch bestens. Ich hätte die Lösung nie erraten. Zu mäkeln gäbe es höchstens, dass der Krimi etwas langsam in Fahrt kommt. Im letzten Drittel bekommt er aber mehr Tempo und Handlung und dann wird dann auch richtig spannend.

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Ich selbst liebe diese kuriosen Krimis, die österreichische Autoren wie Wolf Haas, Heinrich Steinfest oder Thomas Raab schreiben: Sie leben von schrägen Figuren und Lokalkolorit, überschreiten auch einmal die Grenzen des Genres und finden einen höchst individuellen Ton und eine eigene Sprache. Insofern trifft das Erbe von Tanston Hall nicht ganz meinen Geschmack. Das kann man nun nicht dem Buch anlasten. Es ist anders gestrickt, hat einen anderen Anspruch als ein Haas oder Steinbeck oder Raab und es wäre nicht fair, es an diesen Büchern zu messen. Umgekehrt mag nicht jeder Sprachverliebtheit eines Thomas Raab, das ist eben Geschmacksache.

Als jemand, der das Spiel mit der Sprache liebt, möchte ich die Autorin dennoch nicht ganz aus der Verantwortung entlassen. Ich habe das Buch gekauft, weil ich demnächst nach Cornwall fahre und schon einmal in die Landschaft eintauchen wollte, doch es kommt erstaunlich wenig Atmosphäre auf. Auch die Figuren bleiben blass und bekommen wenig Tiefe. Wenn ich die Hauptfigur Kate charakterisieren müsste, hätte ich die größten Schwierigkeiten. Eine Ausnahme bildet vielleicht die Kellnerin Luna, die als facettenreiche Außenseiterin dargestellt wird. Ich denke, dass es sich hier um ein sprachliches Gestaltungsproblem handelt und auch einem klassisch erzählten Krimi würde eine variantenreichere und individuellere Sprache gut tun. Spannung entsteht auch aus Empathie und dazu muss ich die Figur kennen und verstehen.

Zusammenfassend halte ich "das Erbe von Tanston Hall" für einen schönen, leicht zu lesenden und streckenweise durchaus spannenden Krimi für alle, die Rätsel-Krimis mögen. Damit eignet er sich auch für Situationen, in denen einfach leichte Unterhaltung gefragt ist, weil die Konzentration nicht hoch ist, ich denke da an volle Zugabteile oder lebendige Urlaubs-Badestrände. Wer auch an einen Krimi literarische Ansprüche hat, wird allerdings nicht glücklich werden.

Anja Marschall: Das Erbe von Tanston Hall

280 Seiten
ISBN: 978-3-940258-21-2

Goldfinch Verlag, Frankfurt am Main, 2013

Das Buch wurde mir von bloggdeinbuch.de als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Es kann hier bestellt werden.

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