Schuld und Verantwortung - Ein kleiner, aber feiner Unterschied

Leider laufen viele Diskussionen in den Medien über Burnout immer wieder auf Schuldzuweisungen hinaus. Für den Betroffenen ist es aber vielleicht gar nicht so wichtig, wer denn jetzt wirklich Schuld ist, er ist vielmehr an einer Lösung seiner Situation interessiert. Und Lösungen, die dem Einzelnen konkret und schnell helfen, werden aber nur selten diskutiert.

Für die Lösung eines Problemes muss jemand Verantwortung übernehmen. Auch wenn man Schuld und Verantwortung manchmal sogar als Synonym verwendet, gibt es doch einen sehr wichtigen Unterschied. Man kann auch Verantwortung für etwas übernehmen, an dem man keine Schuld hat. Umgekehrt kann man aber auch Schuld haben, und sich trotzdem der Verantwortung entziehen.

Was bedeutet das nun in Bezug auf Burnout? Erst einmal, dass jeder Betroffene selbst (im Rahmen seiner Möglichkeiten) Verantwortung übernehmen kann, unabhängig von der Schuldfrage.

Ursachen für Stress - Stress ist Ansichtssache

Viele kennen Aussagen wie: "Ich habe Stress" oder "dies und jenes stresst mich". Stress wird als natürliche Reaktion auf einen Reiz angesehen. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Stress entsteht dann, wenn eine Situation als gefährlich beurteilt wird. Nicht der Reiz an sich verursacht den Stress, sondern die Interpretation dieses Reizes. Und diese Interpretation kann jeder beeinflussen.

Man kann beispielsweise die Kritik seines Vorgesetzten als harmlose, sachliche Kritik hinnehmen, man kann es aber auch als Anzeichen verstehen, dass man auf der Abschussliste steht und sich tagelang Gedanken machen, ob man nun gefeuert wird oder nicht. Die selbe Situation kann also je nach Interpretation mehr oder weniger Stress verursachen. Das hängt natürlich ein wenig an den Randbedingungen. Wenn die Firma kurz vor der Insolvenz steht, wird man wohl mehr Angst um seinen Arbeitsplatz haben und auf eine Kritik tendenziell eher mit mehr Stress reagieren. Trotzdem kann man sich klar sein, dass eine Stressreaktion meistens weder angebracht noch zielführend ist.

Umgang mit Fehlern am Arbeitsplatz - Jeder Mensch macht Fehler!

Ein typischer Stressfaktor ist die Angst vor Fehlern am Arbeitsplatz. Man möchte doch alles perfekt machen und sich blos keine Fehler erlauben, schließlich könnte man schlecht da stehen oder könnte sogar seinen Arbeitsplatz gefährden. Dabei kann man aber folgende einfache Weisheiten im Kopf behalten:

  1. Jeder Mensch macht Fehler.
  2. Wer viel arbeitet, macht auch mehr Fehler.
  3. Wer übertriebene Angst vor Fehlern hat, macht eher noch mehr Fehler.

Punkt eins ist sehr einleuchtend. Kein Mensch ist perfekt und macht überhaupt keine Fehler. Es gibt natürlich Tätigkeiten, in dem ein Fehler fatale Folgen hat und mit allen Mitteln vermieden werden soll. Doch die gute Nachricht ist, dass solche Tätigkeiten doch eher selten sind.

So machen auch die besten Programmierer sehr viele Fehler. Jeder, der schon einmal eine Computersoftware bedient hat, hat das schon am eigenen Leib gespürt, und dabei werden die meisten Fehler noch vor Auslieferung der Software gefunden. Die Kassierer im Supermarkt werden auch nicht sofort gefeuert, wenn die Kasse nicht stimmt. Und ein falsch ausgefülltes Formular kann meistens auch noch korrigiert werden. Selbst in gedruckten Büchern, die mehrfach Korrektur gelesen werden, findet man Fehler. Und auch jeder Arzt wird hin und wieder eine falsche Diagnose stellen, ein falsches Medikament verschreiben oder einen Eingriff fehlerhaft ausführen (glücklicherweise kommt es dabei nur recht selten zu einer ernsthaften Gefährdung des Patienten).

Der zweite Punkt zeigt zwei Seiten einer Medaille. Die Arbeitsqualität kann sehr leiden, wenn man zu schnell arbeitet. Andererseits kann übertriebene Angst vor Fehlern zu einem Perfektionismus führen, unter dem die Arbeitsquantität sehr leidet, weil man beispielsweise seine Arbeitsergebnisse übertrieben oft kontrolliert oder bestimmte Arbeitsschritte extrem langsam ausführt. Es ist also wichtig, dass man einen Mittelweg zwischen Qualität und Quantität findet.

Punkt drei kann man auch unter dem Begriff "selbsterfüllende Prophezeihung" zusammenfassen. Wenn man sich aufgrund der Angst vor Fehlern unsicher fühlt, kann das unter Umständen dazu führen, dass man erst Recht Fehler macht.

Selbsterfüllende Prophezeihungen kann man aber auch unter einem anderen Aspekt betrachten: Nehmen wir an, jemand hat wahnsinnige Angst, seinen Job aufgrund von Fehlern zu verlieren. Er wird also übertriebenen Perfektionismus an den Tag legen. Dadurch wird er extrem langsam und schafft es nicht mehr, seine Aufgaben rechtzeitig abzuarbeiten. Letztendlich führt das dazu, dass er gekündigt wird. In einem solchen Fall ist die Angst vor Fehlern der Grund für die Kündigung gewesen, während gelegentliche Fehler seinen Arbeitsplatz nicht gefährdet hätten, wenn er sein Arbeitspensum termingerecht erfüllt hätte.

Der "Worst-Case" und der Plan B - Worst Case - Der schlimmste Fall

Wenn man sich gerne unter Stress setzt, kann man sich Gedanken über den persönlichen schlimmsten Fall machen. Was kann passieren, wenn ich Fehler mache, nicht genug Leistung im Beruf leiste, wenn ich ständig Kritik ertragen muss? Bei manchen mag der Jobverlust an erster Stelle stehen, andere sehen eine verfehlte Beförderung oder Gehaltserhöhung als ihren "Worst Case" an. Auch wenn der schlimmste Fall oft schon ein ernsthaftes Szenario ist - in den wenigsten Fällen ist dieser Fall weder lebensgefährlich noch existenzgefährdend. Arbeitslosigkeit und Hartz IV sind wirklich persönliche Härtefälle, aber es wird in Deutschland immer noch in aller Regel ein Existenzminimum gewährleistet. Es ist ein großer Unterschied, ob man den schlimmsten Fall als ernst und schlimm oder ob man ihn als nicht erträglich betrachtet. Letzeres kann zu einer sehr großen Angst vor Jobverlust und damit zu Burnout führen. Und es kann letztlich wieder zu einer selbsterfüllenden Prophezeihung führen.

Umgekehrt kann man sich aber immer einen "Plan B" bereitlegen. Was passiert, wenn ich heute meinen Job verlieren würde? Was würde ich als erstes tun? Wo könnte ich mich bewerben? Könnte ich mich vielleicht weiterbilden, eine neue Ausbildung oder eine Umschulung beginnen, um einen neuen Job zu beginnen? Welche Ausgaben müsste ich einschränken, um mit Arbeitslosengeld noch bequem überleben zu können?

Oder in einem anderen Worst-Case-Szenario kann man sich fragen: Was passiert, wenn ich nicht befördert werde? Was kann ich tun, um vielleicht wo anders Karriere zu machen? Fehlt mir eine wichtige Weiterbildung oder bestimmte Fertigkeiten, um die nächst höhere Position zu erreichen? Kann ich vielleicht durch einen Firmenwechsel meine angestrebte Position erreichen? Wenn ja, in welchen Firmen könnte ich meine Ziele besser erreichen?

All das sind Fragen, die man sich in einer ruhigen Minute stellen kann. Die Antworten kann man sich ruhig auch schriftlich festhalten. So hat man den "Plan B" schwarz auf weiß und weiß genau, was man im schlimmsten Fall tun kann. Allein dadurch kann der "Worst Case" seinen Schrecken verlieren.

Zusammenfassung

Jeder Betroffene kann Stressfaktoren, die zu Burnout führen können, durchaus selbst beeinflussen. Häufig setzt man sich selbst ohne Not unter Stress, indem man übertriebene Angst vor Fehlern an den Tag legt. Durch das Bewusstsein, dass man sich selbst unter Stress setzt, kann man aktiv etwas dagegen unternehmen. Wichtig ist, dass man seine eigenen Stressfaktoren erkennt und sich klar macht, dass sie meistens durch die Interpretation der Situation entstehen.

Es gibt sehr viele Methoden, um Stress zu reduzieren. So existieren spezielle Entspannungstechniken wie das autogene Training oder progressive Muskelentspannung, die dabei unterstützen können. Daneben gibt es tiefergehende Techniken wie die Achtsamkeitsmeditation, die häufig zur Stressreduktion eingesetzt werden. Für einen burnoutgefährdeten Menschen ist es durchaus lohnenswert, einige dieser Techniken auszuprobieren und vielleicht eine passende Methode zu finden, um das Arbeitsleben entspannter anzugehen.

Wenn das alles nicht hilft und man akut unter dem Burnout-Syndrom leidet, ist es keine Schande, wenn man den Weg zu einem Therapeuten auf sich nimmt. Dieser kann mit seinem Fachwissen noch einmal sehr viele persönlich zugeschnittene Methoden anwenden, um das Problem anzugehen. Auch wenn man manchmal den Eindruck gewinnt, dass die öffentliche Meinung genau dies denkt, ist es nicht so, dass man als Mensch weniger wert ist, wenn man sich in psychologischer Behandlung befindet.

Autor seit 11 Jahren
10 Seiten
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