Ballhaus Naunynstraße Berlin: Kritik von "Tableau" – Reihaneh Youzbashi Dizaji
Premiere. Das persische Neujahrsfest Nouruz wird Anlass zu einem verbitterten Familienstreit. Keine Spur von Liebe oder Familiensinn.
Plakat: Thelma Buabeng, Vernesa Berbo, Nina Sarita Balthasar, Harriet Kracht
© Lena Obst
Es wird mit dem Hammer kommuniziert
Die Bühne ist durch eine Trennwand in zwei Räume geteilt, ein Wechsel ist allerdings möglich. Der Raumteiler markiert die mangelnde Kommunikation in der Kabinenabgeschlossenheit. Ein Stock über den Schauspielerinnen sitzen zwei Musiker, die eher schräge Klänge bevorzugen und das Harmonische außen vor lassen. Um das Gesicht von Vernesa Berbos Großmutter beschreiben zu können, muss man schon Ausflüge in die Ornithologie unternehmen. Berbo, den Kopf schräg nach oben gereckt, sieht zuweilen aus wie ein skeptischer, mürrischer Geier, dem das Futter vorenthalten wurde. Das Einsickern von Genugtuung und Gelassenheit ist selten, sie ist in einer Abwehrhaltung, die jederzeit in einen Sprung übergehen kann. So etwa bei einem Ohrfeigenwechsel zwischen ihr und ihrer Tochter Harriet Kracht, die übrigens ebenfalls verbissen dreinschaut, und wenn einmal ein Lächeln über ihre Mundwinkel huscht, ist es wie mit Gift vermischt. Sie beherrscht nicht die Kunst der graziösen Sticheleien – es wird viel lieber mit dem Hammer argumentiert, das gilt eigentlich für das gesamte Personal. Ein elender Haufen, der sich nicht einmal die Mühe macht, Einfühlungsvermögen und Verständnis zu zeigen. Die Lust am Wehtun überwiegt alles.
Notgemeinschaft auf Abruf
Da nun das Familienleben den Bach runtergeht, fragt man sich, warum die Regisseurin/Autorin Reihaneh Youzbashi Dizaji nicht voll hingelangt hat und es zu keinen rasenden Wutattacken und Brüllorgien kommt. Trotz der gegenseitigen Verletzungen bleibt der Ton immer noch in moderaten Bahnen, leider fehlen ein wenig der Wortwitz und die zündenden sprachlichen Ideen. Ja, unter die Gürtellinie geht es, aber mit griffbereiter Handbremse. Fast scheint es, als seien die vier Frauen an diesen Umgang und Tonfall gewöhnt, so dass sie nicht mehr darauf verzichten können. Etwas verspielter wird es bei den Töchtern Toch (Thelma Buabeng) und Ter (Nina Sarita Balthasar), wobei Letztere nicht nur wegen des Namens als Anhängsel wirkt. In ihrer kindlichen Verspieltheit sagt Ter: "Mein Freund hat sich von mir getrennt. Dann hab' ich mich von ihm getrennt. Jetzt sind wir getrennt." Warum einfach, wenn es auch umständlich geht? Balthasars Gesicht macht grobe, schroffe Sprünge, zuweilen ohne Übergänge, Schattierungen und Nuancen. Sekundenschnell setzt sie drei verschiedene Masken auf, die scharf voneinander kontrastieren, als sie ihr Innenleben durch abrupt entstehende Rücke geprägt. Thelma Buabeng hingegen wirkt wie die zukünftige Big Mama: resolut, markant und durchsetzungsfähig. Nach ausgeprägter Fertilität aussehend, schießen aus ihren groß aufgerissenen Augen tiefdunkle Blitze heraus, deren Quelle tief in den Augenhöhlen liegt. Ohne Zweifel, dieser zusammengeworfene ist eine Notgemeinschaft auf Abruf. Die Regisseurin hätte mehr herausholen kennen, aber sehbar ist die Inszenierung allemal.
Tableau
Von Reihaneh Youzbashi Dizaji
Text und Regie: Reihaneh Youzbashi Dizaji, Bühne und Kostüm: Markus Pötter, Musik: James Christopher Douglas, Thomas Gerber, Dramaturgie: Nora Haakh.
Es spielen: Nina Sarita Balthasar, Vernesa Berbo, Thelma Buabeng, Harriet Kracht.
Premiere vom 8. Januar 2015
Dauer: 80 Minuten
Bildquelle:
Ruth Weitz
(Lilli Chapeau und ihr kleinstes Theater der Welt in Miltenberg)