AE, ein fliegender Teppich

AE, ein fliegender Teppich (Bild: © Adrian Ganea)

Tintenfische und Kraken

Die Akteur*innen, in Deutsch und Englisch redend, legen beim Bedienen der PCs eine eminente Zackigkeit an den Tag. Schwänze haben es ihnen angetan, genauer: Tierschwänze, Kleinfische und Mikroorganismen. Und natürlich das 70 Prozent der Erde einnehmende Meer, "die Ur-Heimat allen Lebens" und größter Sauerstoffversorger der Erdatmosphäre. Auf einem Video sieht das ganz anders aus, ein Sog zieht das Wasser trichterförmig nach unten – ein Strudel in den Abgrund, der mit seinen Tentakeln alles Menschliche ins Totenreich schicken kann. Diese krabbelnden Tiere, Tintenfische und Kraken der Tiefsee! Kraken, so hören wir, sind intellektuelle Lebewesen, aber für Immanuel Kant dürfte es wohl nicht ganz reichen. Die Darstellung der Meeresfauna läuft ab wie ein Spaceprogramm mit verschiedenen Mosaiksteinchen, die beinahe zu einer Überflung des Wahrnehmungsapparats führen. Und dann gibt es noch die "Optoben" (?), entstanden aus Plastikmüll und Treibgut. Ihr Ziel ist es, "die aussterbende Menscheit zu retten". Offenbar stehen da Hobby-Biologen auf der Bühne, die lieber ihre apokalyptische Weltsicht vermitteln und dazu die Mittel einer Performane verwenden.

 

Optimistische Zukunftsorientierung

Nun, performt wird auch, man holt die Frage nach Pest oder Cholera aus der Schublade. Würdet ihr lieber ... eine Schnecke oder Qualle sein? Roboter nehmen oder sie abschaffen? Oder gute Roboter nehmen und sich pflegen lassen? Der Weltuntergang könnte die Folge sein, im Übrigen sitzen um die Bühne herum möglicherweise weiterdenkende Zuschauer*innen, die sich für Sibirien statt Wüste entschieden haben. Zu reflektieren gibt es eine ganze Menge, zumal AE, die nunmehr oberste intelligente Macht, die Menschen zum Nachdenken geradezu zwingt. Wir sehen Max Gatow, wie er Bewegungen ohne Sinn und Referenz vollführt, eine Mini-Performance, die wohl nur er selbst versteht, dahinter das Video mit dem AE-Hoheitszeichen auf einem fliegenden Teppich, eingebettet in ein strahlendes Himmelszelt. Ob man mit der künstlichen Intelligenz besser fliegen kann, entzieht sich der Kenntnis. Die Angelegenheit mit der neuen obersten Instanz, die alle Geschicke des Weltenlaufs kennt, aber, verharrend im All-Wissen, nicht aktiv eingreift und lediglich Kraft und eine optimistische Zukunftsorientierung verleiht,- die Angelegenheit wird nicht zu Ende erzählt. Man möge AE einen Tempel errichten, doch narrativ ist er mitnichten. Auffällig unter den Schauspieler*innen ist die starke Romina Küper, vor allem durch die Art des Herausprechens und ihre Gestik. Der Schluss ist wie der Anfang: Nebel steigt auf und Antje Prust steigt durch ihn hindurch. Anschließend gibt sie jedem Zuschauer die Hand.

 

The AE – Guidance For An Extreme Present

von Virtuellestheater Berlin

Regie / Text / Konzept JANNE NORA KUMMER, Dramaturgie / Text FEE RÖMER / SVEN BJÖRN POPP, Bühne ANGELA RIBERA, Bühnenbildassistenz CHIKA TAKABAYASHI, Kostüme JOSA MARX, Sound JOHANNES AUE, Video ADRIAN GANEA, Regieassistenz / Produktion FINJA SCHMIDT

Es spielen: ROMINA KÜPER/ ANTJE PRUST / MAX GADOW / LISA HEINRICI / ALINA WEBER, Stimme VIRGINIA HARTMANN

Ballhaust Ost Berlin, 3.Stock, Aufführung vom 27. Mai 2017

 

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