Emilia Nietiedt, Esther Lee-Freyer ...

Emilia Nietiedt, Esther Lee-Freyer, Anke Engelsmann, Peter Luppa, Uli Pleßmann, Ursula Höpfner-Tabori, Boris Jacoby (Bild: © Hans Jörg Michel)

Judith, Medea und Penthesilea

Die nicht-narrative Inszenierung hat keinen Anfang und kein Ende. Sie wirkt wie ein Ausschnitt aus einer Aufführung, die auch fünf Stunden gehen könnte. Allerdings reichen anderthalb Stunden aus und man hat alles gesehen. Wir sehen ein absurdes Kostüm- und Puppentheater, ein Maskenspiel, das mythische und märchenhafte Figuren aufgreift und auch die militärische bis militaristische Welt einbezieht. Es wird getanzt, gesungen und skandiert. Während sich Ursula Höpfner-Tabori hauptsächlich aufs Wehklagen verlegt, hat der größenmäßig alle überragende Funkturm Anke Engelsmann die dankbarere, verspieltere Rolle. Komischerweise wird ausgerechnet Schiller nicht zitiert, aber man denkt automatisch an ihn: Der Mensch "ist nur da ganz Mensch, wo er spielt". Der Geheimrat und erotische Tabu-Brecher Goethe kommt ebenso ins Spiel wie die mythischen, dauervereinnahmten Medea und Penthesilea von Kleist, der als hochpoetischer Dichter leider ein überpatriotischer Reaktionär war. Wer kennt nicht Medeas Rachefeldzug und ihr ungestümes Klagen? Und lamentiert wird an diesem Abend, dass das Wehgeschrei schon innerlich nachhallt. Und wie in alten Zeiten wird auch in der Loge gespielt, ein clowneskes Männchen verrichtet sein Werk. Auf der Bühne bewegt sich Celina Rongen in einem überbordenden Reifrock, der im Zuge der anti-bourgeoisen französischen Revolution sein Ende fand.

Felix Strobel

Felix Strobel (Bild: © Hans Jörg Michel)

Positiv verrückte Traumwanderungen

In der letzten Peymann-Saison steht bei vielen Theatergängern und Kritikern natürlich die Personalie Peymann im Vordergrund. Gut, die Aufführung findet in seinem Haus statt, aber hat absolut gar nichts mit seiner von manchen als altmodisch bewerteten Ästhetik zu schaffen. Einige Kritiker können es wohl kaum abwarten, bis Peymann endlich ins Museale entlassen wird. Würde man Abschlussball in einem anderen Theater aufführen, so würde das Urteil bei nicht wenigen

Peter Luppa, Boris Jacoby, Norbert Stöß

© Hans Jörg Michel

 

Kunstrichtern vermutlich etwas besser ausfallen. Gut, es ist kein Meisterwerk herausgekommen, kein handlungskompaktes Theater: Das Ganze ist ein visuelles, optisches Unternehmen. Trotz einigem Zähfluss sind die Eindrücke dennoch zahlreich und vielfältig, sie sprechen kognitive und sinnliche Gehirnareale an und erzeugen bei den besten Stellen Assoziationsketten, wahre Synästhesien. Gewiss, viel ist derb und überzogen, obszön und absurd und durchgeknallt. Aber man fühlt sich in phantastische und surreale Landschaften versetzt, fühlt sich an positiv verrückte Traumwanderungen erinnert. Für sensible Dichter fast eine Inspirationsquelle.

Abschlussball. Ein Lamento in Bildern
von Achim Freyer
Regie, Bühne, Kostüme, Licht- und Videokonzept: Achim Freyer, Musikalische Komposition: Lucia Ronchetti, Licht: Ulrich Eh, Video: Jakob Klaffs, Hugo Reis, Mitarbeit Regie: Sebastian Sommer, Dramaturgie: Steffen Sünkel, Hermann Wündrich.
Mit: Celina Rongen, Jörg Thieme, Anke Engelsmann, Felix Strobel, Manuela Gutsmann, Ursula Höpfner-Tabori, Boris Jacoby, Claudia Lahmann, Esther Lee-Freyer, Peter Luppa, Uli Pleßmann, Hugo Reis, Norbert Stöß, Fabian Stromberger, Kinder: Emilia Nietiedt, Lotta Rosa Hegenscheidt.

Berliner Ensemble

Premiere war am 15. September 2016, Kritik vom 16. September 2016
Dauer: 90 Minuten, keine Pause


 

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