Guntbert Warns, Martin Schneider ...

Guntbert Warns, Martin Schneider, Laura Tratnik (Bild: © Lucie Jansch)

Martin Seifert, Raphael Dwinger

© Lucie Jansch

 

Aus dem tapsigen Gott wird ein Ausbund an Kraft

Da es sich um den Gott des Donners handelt, lässt es Thalbach gleich zu Beginn ordentlich krachen. Auf einem herrschaftlichen Thron sitzend und flankiert von griechischen Säulen, kündigt der amtsmüde Vorgreis, kindlich verspielt und leicht zerstreut, seinen Verwandlungswunsch an. Im Hintergrund leuchtet eine Art Akropolis auf, ein Ort der Verteidigung und der Wahrung des Kultes. Der Götterkollege Merkur wird von Jupiters Vorhaben in Kenntnis gesetzt und schwingt sich erhaben durch die Lüfte. Raphael Dwinger spielt den Merkur als leichten Vogel, als eine dem Schrillen und Schillernden verhaftete Karikatur, die selbst bei ernsthaften Anlässen das Hallodritum nicht ganz ablegen kann. Nach Einnahme einiger magischer Pulver ist Jupiter Amphitryon und Merkur dessen Knecht Sosias. Kaum zu glauben, wie der von Schlaffheit angekränkelte, tapsende, schelmische Donnergott (Martin Seifert) in die Rolle der Herrschers von Theben hineinzuschlüpfen vermag, aber es gibt fast nichts, was den Göttern unmöglich ist. Und so wird der nunmehr göttliche Amphitryon zu einem Ausbund an Kraft, der sogleich, um mit Kant zu sprechen, den wechselseitigen Gebrauch der Geschlechtseigentümlichkeiten in Angriff nimmt.

 

Derb-komische Auftritte

Der Diener Sosias (Martin Schneider) ist eine volkstümliche Gestalt, etwas tumb, aber gutmütig, mit einem noch nicht weggesoffenen Rest von Bauernschläue. Lange dauert es, bis Sosias seine Verdopplung in ihrem vollen Umfang begreift und dafür muss er von Merkur-Sosias heftige Prügel einstecken. Anscheinend hat der Diener Probleme mit seiner körpereigenen Maschine, jedenfalls will sein rustikales Weib (Anke Engelsmann) das nicht so ohne weiteres hinnehmen. Engelsmann hat einige derb-komische Auftritte und erweist sich immer noch als veritable Könnerin eines Boulevards, das mit Anspielungen gesättigt ist, die zu Gewissheiten mutieren. Selbstverständlich sind die bäurischen Angestellten den Herrschenden in kognitiver Hinsicht weit unterlegen. Die Regisseurin mag es gerne überdeutlich: Jeder bewegte oder hingeworfene Gegenstand wird von einem akustischen Signal begleitet, als handele es sich um ein Ereignis von unabsehbarer Tragweite. Überzeichnungen, Dauerchargieren und willkürlich eingebaute humoristischen Einlagen gehören zu Thalbachs Geschäft.

 

Guntbert Warns, Laura Tratnik

© Lucie Jansch

 

Der Schwindel wird aufgeklärt

Der Boulevardabend ist fast zu einem Musical geraten. Häufig wird gesungen und mit Wortspielereien gearbeitet, Hauptsache, ein saftiger Reim kommt heraus. Immerhin, der zwischen Könnertum und Dilettantismus oszillierende Gesang ist hörbar. Während praktisch alle Figuren Komödie spielen, wird Laura Tratnik als Alkmene zur Tragödin. Wenn sie etwas übertreibt, ist es der Ausdruck von Hoffen, Sehnen und Bangen. Sie schreckt nicht davor zurück, einen sanften Schmelz in ihre Augen zu legen, der zuweilen von einem automatischen Blick-Schleier verdeckt wird. Traurigkeit und Desillusioniertheit und Seelendurst wechseln ab mit dem Gefühl, in himmlische Sphären eingetreten zu sein. Bei der Suche nach dem richtigen und einzigen Amphitryon ist sie im Grunde genauso gefoppt wie ihr irdischer Gatte (Guntbert Warns). Allerdings beleuchtet Thalbach nur die männliche Seite, die sich nicht nur ums Bett betrogen fühlt – alles zerrinnt zu Staub. Doch der allmächtige Gott ist gnädig: Der Schwindel wird aufgedeckt und Amphitryon erhält ein Kind, ein Götterkind selbstverständlich, nicht das Produkt eine misslungenen coitus interruptus oder ähnliches. Herkules soll es heißen, und als Guntbert Warns sein lakonisches ‚Danke' ausspricht, geht eine Lachsalve durchs Publikum. Wir sind saturiert, sagt sich Jupiter und kehrt zurück zum Olymp, zurück zum abgesessenen Thron, und Merkur ist in seiner Nähe, an einem Seil schwebend wie ein Glitzerengel.

Amphitryon
nach Heinrich von Kleist, Molière und Plautus

Fassung von Katharina Thalbach
Regie: Katharina Thalbach, Mitarbeit Regie: Wenka von Mikulicz, Bühne: Momme Röhrbein, Kostüme: Angelika Rieck, Musik: Christoph Israel, Dramaturgie: Dietmar Böck, Licht: Steffen Heinke.

Musik: Atanas Georgiev, Vladimir Kaparov, Marc Alexej Papanastasiou, Thanasis Petsas.
Mit: Laura Tratnik, Martin Seifert, Anke Engelsmann, Guntbert Warns, Raphael Dwinger, Martin Schneider, Felix Tittel.

Berliner Ensemble

Premiere: 22. November 2014

Dauer : 1 Stunde 45 Minuten, keine Pause

 

 

 

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