Bettina Hoppe, Corinna Kirchhoff ...

Bettina Hoppe, Corinna Kirchhoff, Wolfgang Michael, Inka Friedrich (Bild: © JR Berliner Ensemble)

Durcheinander und versuchter Sex

Auf der Drehühne (Márton Ágh) sehen wie zwei verschiedene Lebensweisen, zum einen ist da die feine Couch von Klara (Corinna Kirchhoff), wo sie nölend und theatralisch ihre Gäste zum Tee-Trinken empfängt, und zum anderen gibt es die Baustelle, wo ein Tohuwabohu herrscht mit verschlissenem Sofa, Kinderwagen, Pflanzen, Betonmischer, Schubkarren, Aldi-Tüten und verschiedenem mehr. Das ist der Gipfel der Desorganisation – was übrigens auch auf die gesamte Inszenierung zutrifft. Wie kann man einen Mann mit derart charismatischer Blässe (der Blaue: Nico Holonics), der den Eindruck erweckt, er könne nicht bis zehn zählen, mit solch einer "Mission" beauftragen? Der Regisseur und Autor Árpád Schilling hat im Vorfeld bekundet, dass es ihm um das Problem des Fremdseins gehe. Das ist bare Behauptung, von der im Stück nichts eingelöst wird, denn der Fremde im Taxi wird zumindest von Klara mit offenen Armen empfangen. Anders hingegen denkt die Tochter (Bettina Hoppe), die zwar sehr massiv auftritt, aber die einzige Person zu sein scheint, die mit nüchternem, kritischen Blick auf die Fehlentscheidung und das hereinbrechende Desaster hinweist. Klaras Gatte Helmut (Wolfgang Michael), einst ein geisteswissenschaftlicher Professor, kann das nicht mehr, er ist an den Rollstuhl gefesselt und leidet an Demenz, und nicht einmal Fetzen seiner damaligen Geisteskraft dringen hervor. Das hindert seine einstige Sekretärin, Hausfreundin und Sex-Partnerin (Judith Engel) nicht daran, es noch einmal zu versuchen, oral und besteigen, alles komplett. Auf derlei Geschmacklosigkeiten hätte der Regisseur gut verzichten können. Wie durch ein Wunder, als hätte ihn Gottes Hand berührt, steht dann Helmut auf und läuft herum.

 

Corinna Kirchhoff, Bettina Hoppe

© JR Berliner Ensemble

 

Am Finanzamt vorbei

Es ist nicht so, dass sich die vornehme Klara von den Werktätigen abkapselt und sie nur bei der Arbeit beobachtet oder verfolgt. Einmal sitzt sie mit einem Arbeiterpaar (Sascha Nathan und Gattin Inka Friedrich) auf der unbefleckten Couch zusammen, man trink Tee. Köstlich, wie würdevoll Kirchhoff und Engel ihren Tee genießen, während die beiden Gäste ihr Getränk eher hereinschlurfen. Das ist es, was die Aufführung überhaupt noch erträglich macht: Die Leistungen der Schauspieler*innen. Nun, Corinna Kirchhoff überdreht mal wieder ihre Stimme ins Sonore und erhaben Gekünstelte. Judith Engel, die ihre unauslöschliche Abhängigkeit von Helmut übertrieben darstellen muss, spielt ihre Rolle ohne Affektiertheiten. Seltsamerweise werden hohe Summen auf dem Bau in Bar bezahlt – normalerweise wird überwiesen, aber so bekommt das Finanzamt nichts mit. Um pragmatische, rationale Dinge kümmert sich Árpád Schilling ohnehin nicht. Letztlich geht es in der Inszenierung zu wie auf der Baustelle. Ohne Konzeption und klare Linie.

 

Der letzte Gast

von Árpád Schilling und Éva Zabezsinszkij

Regie: Árpád Schilling, Bühne und Kostüm: Márton Ágh, Musik: Jörg Gollasch, Künstlerische Beratung / Dramaturgie: Clara Topic-Matutin.
Mit: Sascha Nathan, Judith Engel, Inka Friedrich, Nico Holonics, Wolfgang Michael, Bettina Hoppe, Corinna Kirchhof,.
Berliner Ensemble, Uraufführung vom 15. März 2019
Dauer: 1 Stunde 40 Minuten

 

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