Constanze Becker mit Gewehr

Constanze Becker mit Gewehr (Bild: © Armin Smailovic)

Der Wald ist der Einlass zum Tod

Das Bühnenbild? Rechts von der Bühne steht ein magerer Holzbau, ein Gerippe ohne Wände. Daneben ein kleines Agrar-Bauwerk zur Lagerung von Heu, kurz ein Heuschober als Beschäftigungstherapie. Vor dem Gerüst steht eine große Sitzbank, wo man den bevorstehenden Tod gerne auf die lange Bank schiebt. Sie sitzen nebeneinander wie die Hühner auf der Stange und singen – wenn sie nicht gerade zittern oder brabbeln. Im Hintergrund zirpen die Vögel, als befinde man sich in Kalifornien auf Wanderarbeit. Klar, das bäurische Segment ist integriert, schließlich ist links ein üppiger Tannenwald installiert, der den Weg zur Natur öffnet. Bedauerlicherweise ist der Eintritt in den Wald die Tür zum Erlöschen. Früher ist man ins Wasser gegangen, heute geschieht das private Inferno im Wald. Die Bäume verschlingen die Moribunden und Hannah (Constanze Becker) fürchtet sich davor. Regisseur Mondtag entfaltet eine abenteuerliche Todesmystik, ausgerechnet bei Menschen, die um den letzten Atem ringen. Währenddessen vollzieht sich im Holzbau eine Art von weihnachtlichem Krippenspiel mit einem Plastik-Jesus im wohlbehüteten Baby-Kasten. Im Mittelpunkt agieren die bekannten Darstellerinnen Constanze Becker und Judith Engel, Letztere ist durch ihre lockige Grau-Perücke und die greisenhafte Schminke kaum wiederzuerkennen. Hinzu kommt Peter Luppa, von Peymanns Ensemble übernommen, der schon wegen seiner geringen Körpergröße auffällt, aber nicht nur deshalb. Und das Ensemble von "Dance On", eine Gruppe von Tänzer*innen ab 40, die mit ihrer mutigen Choreografie beweisen, dass man auch im vorgerückten Alter nicht ausrangiert werden muss.

(Bild: © Armin Smailovic)

Eine Show mit massiven Abgründen

Es ist paradox: Beckers Hannah beschwert sich über den schlechten Geruch ihrer damals in Agonie liegenden Mutter. Nun ist es sie selbst, die den Leichengeruch in sich trägt. Am Ende hält sie eine Wutrede, die gerade noch vor der Fäkalien-Sprache Halt macht. Nun, was bleibt den Alten sonst noch übrig, als ihr Schicksal auf sich zu nehmen und damit zu spielen. Ja, sie verharren und spielen gegen den Tod. Das Tanz-Ensemble liefert eine Show ab, die irgendwo zwischen heiligem Ernst, Schicksalsergebenheit, Parodie und Selbst-Persiflage angesiedelt ist. Mondtag kann sich nicht entscheiden, ob er nun einen Tatsachenbericht oder eine spaßig-ironisch gebrochene Hommage des Alters anstrebt. Eins ist sicher: Für fortgeschrittene Altersheimbewohner eignet sich die Aufführung nicht sonderlich. Die Betroffenen würden das Gefühl haben, auf den Arm genommen zu werden. Was in "Die Letzte Station" geredet wird, spielt kaum eine Rolle, die Inszenierung lebt von Stimmungsbildern. Selten wird mit Moribunden so lustig umgegangen. Das zerstört die nachträgliche Reflexion. Letztlich ist es nur eine visuelle, gebremste Spektakel-Unterhaltung ohne Biss und ohne Opa-Charme.

 

Die letzte Station
von Ersan Mondtag und Ensemble
Regie: Ersan Mondtag, Bühne: Stefan Britze, Kostüme: Raphael Rose, Musik: Diana Syrse, Licht: Ulrich Eh.
Mit: Constanze Becker, Judith Engel, Peter Luppa, Laurence Rupp, Aurelia Dias. Dance on Ensemble: Ty Boomershine, Brit Rodemund, Christopher Roman, Jone San Martin, Frérdéric Tavernini.

Berliner Ensemble, Kleines Haus, Kritik vom 19.12. 2017

Dauer: etwas 110 Minuten

© Armin Smailovic

 

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