Berliner Ensemble: Kritik von "Eine griechische Trilogie – Simon Stone
Uraufführung. Die antiken Dramen handeln von starken, selbstbewussten Frauen. Der Regisseur Stone reflektiert darüber, warum sich dieses Frauenbild bis heute so verändert hat.Kathrin Wehlisch, Caroline Peters, Stefanie Reinsperger, Constanze Becker, Judith Engel (Bild: © Thomas Aurin)
Männliche Rohklötze mit vielen Schwächen
Im Vorfeld kam es zu einer klotzigen Ankündigung von drei griechischen Dramen, auf denen das Stück basieren soll: "Lysistrata" von Aristophanes sowie "Die Troerinnen" und "Die Bakchen" von Euripides. Die Vorlagen sind für Kenner, wenn überhaupt, nur bruchstückhaft zu erkennen und die meisten Zuschauer*innen dürften von diesen vermeintlichen Mustern keine Ahnung haben. Diese voreilige Bekanntgabe hätte sich Simon Stone auch schenken können, vor allem ist es fragwürdig, wenn der Regisseur vorausschickt, wie denn die Inszenierung aufzufassen sei. 12 Schauspieler*innen stehen auf der Bühne, und so läuft man schnell Gefahr, wegen der mangelnden Überschaubarkeit den Überblick zu verlieren. Da ist zum Beispiel Thomas (Andreas Döhler), der seine Frau Inge (Constanze Becker) so lange verbal quält, bis sie ihn mit einer Brachialattacke in den Rollstuhl befördert. Doch der nunmehr behinderte Rohklotz, dem man wegen partiellen Ausfalls seines kognitiven Systems den Job als ehemaliger Investmentbanker nicht abnimmt, hört nicht auf, rabiat rumzumosern. Aljoscha Stadelmann als Erik spielt einen heruntergekommenen Ex-Betreiber eines Sex-Shops und der Polizist Michael (Thilo Nest), in einer hässlichen weißen Unterhose auftretend, vergewaltigt während des Hochzeitstags seine frisch gebackene Schwiegertochter. Martin Wuttke als Dr. Heinemann ist ein Spezialfall: Der Mediziner fungierte als Samenspender für nicht Zeugungsfähige und ist dadurch großen Druck ausgesetzt, bis seine Firma, die er mit Gattin Philippa betrieb, Pleite geht. Übrigens ist Dr. Heinemann drogensüchtig, nach Setzen eines Schusses gerät er ins Delirieren und benimmt sich wie ein Schwachsinniger. Wuttke dreht wieder einmal voll auf, zeigt viele Facetten seiner Versiertheit, die er in Spielfilmen oft unterdrücken muss, und agiert wie in den besten Volksbühnen-Zeiten.
Stefanie Reinsperger, Martin Wuttke
© Thomas Aurin
Pure Rache-Aktionen
Die Schauspieler*innen spielen hinter einer Glaswand und sind nur im Vordergrund in festen Konturen auszumachen, sobald sie nach hinten abtreten, verschwinden sie im Nebel. Die Männer sind sich einig: Ganz schön langweilig, so ohne Frauen. Sie sind sehr einseitig gezeichnet, abgesehen von Jakob (Peter Luppa) sind alle unverbesserliche Machos und Patriarchen, die mit Kraftausdrücken und einer Fäkalsprache um sich werfen, doch hinter der Fassade stecken Schwäche und Versagensängste. Das verheißungsvolle Zusammentreffen mit ihren Partnerinnen wird zu einem männliche Fiasko. Angestaut mit jahrelangem Zorn, werden die Männer einer nach dem anderen abgeschlachtet. Vorzüglich eignet sich dazu die Glaswand, gegen die die mit Kunstblut übergossenen Köpfe gepresst werden. Das sind im Grunde billige Revanchen und pure Rache-Aktionen wie in einem Krimi. Tit for Tat – mit einem Befreiungsschlag, mit einer subtilen weiblichen Emanzipation hat das rein gar nichts tun. Moderne Heldinnen handeln anders. Simon Stone tut damit dem aktuellen Feminismus keinen Gefallen – das war wohl auch nicht seine Absicht. Zieht man einmal die überflüssigen griechischen Anleihen ab, bleibt wenigsten eine passable Inszenierung übrig.
Eine griechische Trilogie
von Simon Stone
Übersetzung: Martin Thomas Pesl
Regie: Simon Stone, Bühne: Bob Cousins, Kostüme: Natasha Jenkins, Musik: Mark Bradshaw, Licht: Ulrich Eh, Dramaturgie: Sabrina Zwach.
Mit: Stefanie Reinsperger, Constanze Becker, Martin Wuttke, Caroline Peters, Carina Zichner, Andreas Döhler, Tilo Nest, Judith Engel, Aljoscha Stadelmann, Kathrin Wehlisch, Peter Luppa,.
Berliner Ensemble, Uraufführung vom 11. Oktober 2018.
Dauer: 3 Stunden, 30 Minuten, eine Pause.
Bildquelle:
Ruth Weitz
(Lilli Chapeau und ihr kleinstes Theater der Welt in Miltenberg)