Das Ensemble, im Vordergrund ...

Das Ensemble, im Vordergrund Christopher Nell, Luca Schaub (Bild: © Lucie Jansch)

Drahtige Revolte

Die Drehbühne ist mit hohen Wänden ausgestattet, in die Öffnungen – Türen und Fenster – eingelassen sind. Im Hintergrund des Irrgartens wabern Nebelfelder, gelegentlich werden Lichteffekte eingesetzt. Christopher Nell spielt den Hamlet, präsentiert seine kräftige Magerkeit und trägt eine Art orthopädischer Unterhose, die den Brennpunkt seiner Existenz gehörig einzwängt. Er legt eine drahtige Revolte hin, denn der Geist seines ermordeten Vaters gemahnt ihn zur Pflicht, also zum Rachfeldzug gegen den Königsonkel. Für Hamlet ist das mehr eine Verpflichtung als eine Herzensangelegenheit. Joachim Nimtz spielt den Geist wie man sich einen Geist eben vorstellt: gespenstisch, schattenhaft, mit traumähnlich entfernter, sich verflüchtigender Stimme. Gerade als Hamlet und Ophelia nackt und in Kuschelstimmung auf ihrem Bett lagern, taucht der Geist mit seiner Forderung auf, später stört er eine Auseinandersetzung mit der Mutter, die statt Geist nur Geistlosigkeit sieht und Hamlet endgültig für ver-rückt hält.

 

König Claudius wie der Manager eines Konzerns

Gut, dass man im Ensemble auf die Kindfrau Anna Graenzer zurückgreifen kann. In Mona Kraushaars Inszenierung spielte sie die Julia, und die Rolle der Ophelia ist für sie wie geschaffen. Graziöse Leichtigkeit, Unschuld des Daseins, nervenschwach und am Abgrund stehend – so zeigt sich Ophelia. Der König Claudius (Roman Kaminski) hingegen verhält sich wie der Manager eines Konzerns, verkündet seine Weisheiten eher en passant, als seien sie eine Selbstverständlichkeit. Nur einmal verliert er die Fassung: Eine engagierte Theatertruppe (Theater im Theater!) spielt die Vergiftung von Hamlets Vater nach und Claudius lässt die gewagte Inszenierung wutentbrannt abbrechen. Und Hamlets Racheauftrag erscheint als göttliches Gesetz, dem alles andere hintangestellt wird. Er oszilliert zwischen hartnäckigem Aufbegehren, Planlosigkeit und Berechnung. Wie von einer unsichtbaren Schnur gezogen wird er von seinem Schicksal angetrieben.

Christopher Nell, Boris Jacoby ...

Christopher Nell, Boris Jacoby, Felix Tittel (Bild: © Lucie Jansch)

Spaß und Spannung triumphieren über die Melancholie

Für Erheiterung sorgen Güldenstern (Georgis Tsivanoglou) und Rosenkranz (Peter Miklusz), die sich um Hamlet kümmern sollen und den Eindruck erwecken, als könnten sie nicht bis zehn zählen. Auch eine Totengräberszene mit Martin Seifert – die Vorbereitung für Ophelias Grab – sorgt für etwas Entspannung und zieht kurzzeitig das Reißerische heraus. Haußmann lieferte ein kleines Volksbühnen-Intermezzo mit der gehaltlosen, leicht apathischen Inszenierung Rosmersholm, hat sich nun aber mächtig gesteigert, allerdings übertreibt er zuweilen das Spielerische. Nach etwas zähem Beginn findet der Hamlet bald seinen Lauf, seinen Spielfluss. Spaß und Spannung triumphieren letztlich über die Melancholie, dennoch bleibt die Inszenierung ein mit Klamauk aufgepäppeltes Spektakel des Grauens. Verwunderlich, dass der Regisseur die Fechtszene mit Laertes (Felix Tittel) nicht mit mehr Trubel und Getöse aufgeladen hat. Immerhin ist er in punkto Aufblähung ein Meister ungewöhnliches Ranges. Insgesamt ein unterhaltsamer, ein kurzweiliger Abend im Berliner Ensemble.

Hamlet
von William Shakespeare

Übersetzung von August Wilhelm Schlegel
Regie: Leander Haußmann, Dramaturgie: Steffen Sünckel, Bühne: Johannes Schütz, Kostüme: Andrea Schmidt-Futterer, Komposition: Apples In Space, Licht: Ulrich Eh, Kämpfe: Rainer Werner.


Mit: Christopher Nell, Anna Graenzer, Roman Kaminski, Norbert Stöß, Traute Hoess, Felix Tittel, Luca Schaub, Martin Seifert, Peter Miklusz, Georgios Tsivanoglou, Boris Jacoby, Joachim Nimtz, Peter Luppa, Ulrike Just, Carsten Kaltner, Marcus Hahn, Rayk Hampel, René Haßfurther, Franz Jarkowski, Haiko Neumann, Marc Lippert, Apples in Space (Julie Mehlum, Philipp Haußmann).

Berliner Ensemble

Premiere am 23. November 2013, Kritik vom 24. November 2013

Dauer: 3 Stunden 45 Minuten, keine Pause

Alle Bilder: © Lucie Jansch

 

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