Berliner Ensemble: Kritik von "Hans im Glück" – Sebastian Sommer
Premiere des Dramenfragments vom jungen Bertolt Brecht. Hans jagt seinem Glück hinterher, er tauscht ständig seinen Besitz um in minderwertigen Ersatz.Anke Engelsmann, Peter Miklusz (Bild: © Lucie Jansch)
Ein schmieriger Casanova entführt die Gattin
Brecht hat das Märchen der Brüder Grimm aufgegriffen, aber nicht vollendet, beinahe angewidert vom eigenen Schaffen. Hans (Peter Miklusz) wird quasi überrollt von den Ereignissen, ihn verlangt es nach dem Duft der großen weiten Welt, spätestens, seit seine Frau Hanna (Antonia Bill) von einem Fremden (Matthias Mosbach) verführt wird. Während Hans die Pferdehufen des Womanizers beschlägt, knickt die Treue seiner leicht um den Finger gewickelten Gattin ein. Ein schmieriger Casanova ist das, klebrig, bedrohlich und massiv. Hans hat ein hübsches "Weib" verloren, besitzt aber nun als einsamer Verwalter einen Bauernhof, der übrigens rasch verfällt. Das merken auch drei nomadische Pseudo-Händler (Felix Tittel, Marko Schmidt, Peter Luppa), die seine mit diversen Viechern ausgestattete Großscheune gegen einen Wagen eintauschen. Der Regisseur Sebastian Sommer lässt die drei Männer als Klein-Mafia auftreten.
Und doch der Durst nach Leben
Wie im Berliner Ensemble üblich, wird viel karikiert und stark typisiert. Das Zirkushafte, die wild bemalten Gestalten will man einfach nicht aufgeben. Hurra, es ist Karneval, auch Schafsköpfe tauchen auf! Eine Infiltration des Animalischen, das Einsickern der vitalistischen Elemente. Es regnet keine Krokodile vom Himmel, sondern nur Konfetti. Zugegeben, diesmal ist das Aufgreifen des Faschings einigermaßen verständlich, schon allein wegen des Inhalts. Ein Karussell mit bemalten Tieren legt das nahe, eine nüchtern-tragische Komponente wäre hier fehl am Platz. Im Übrigen stellt sich Hans das Leben als unausgesetzten Konfettiregen vor, dabei landet er immer mehr in der Gosse. Sein Besitz schmilzt nach jedem Tauschhandel empfindlich dahin, bis er praktisch ohne Hemd dasteht. Und dennoch dürstet er nach dem, was er unter Leben versteht, und greift nach jedem Strohhalm.
Degradierung von Hans im Glück
Antonia Bill spielt ihre Rolle trotz anfänglicher leiser Nervosität unbelastet und frei herunter, teilweise hoch interessant, obgleich ohne Grazilität – was ihr Rolle auch nicht hergibt. Überhaupt hat das Personal seine Rollen im Griff, die Souffleuse ist nahezu beschäftigungslos. Irgendwann taucht Hanna wieder auf bei Hans, dem ewig Suchenden. Schwanger, aber nicht geläutert. Die Liebe ist nicht mehr zu kitten, das Zusammentreffen wird zum Krampf, führt zu unentwirrbaren Konvulsionen des Herzens.
Antonia Bill vor Peter Miklusz
© Lucie Jansch
Und sie geht resignativ in die schwarze Flut, ins Wasser. Hier gelingt Regisseur Sommer eine schöne Szene des Dahinschwindens, atmosphärisch dicht. Leider hat er den Hans im Glück arg degradiert: Er verspürt nur einen Hauch des Glücks. Peter Miklusz ist in dieser Inszenierung, die ein Negativ-Entwicklungsdrama ist, ein Sehnsuchtsdarsteller, der mehr will, als er haben kann. Keine Hochkultur, aber angenehme Unterhaltung.
Hans im Glück
von Bertolt Brecht
Regie: Sebastian Sommer, Dramaturgie: Steffen Sünkel, Bühne und Kostüm: Marie-Elena Amos, Musik: Martin Klingeberg, Matthias Trippner, Licht: Steffen Heinke.
Mit: Antonia Bill, Peter Miklusz, Felix Tittel, Marina Senckel, Matthias Mosbach, Anke Engelsmann, Marko Schmidt, Peter Luppa, Musiker: Martin Klingeberg, Matthias Trippner.
Berliner Ensemble, Pavillon
Premiere vom 1. März 2014
Dauer: 90 Minuten
Bildquelle:
Ruth Weitz
(Lilli Chapeau und ihr kleinstes Theater der Welt in Miltenberg)