Felix Rech, Ilse Ritter

Felix Rech, Ilse Ritter (Bild: © Matthias Horn)

Warmherzige Diva unter einer eiskalten Schutzhülle

Bar der geflügelten Worte stellt sich der Baptiste (Peter Moltzen) etwas umständlich an, trotz heiß-staubigem Werben schafft er es nicht zuzugreifen und sie festzuhalten – auf der Bühne versteht er sein Handwerk besser. Bei Garance (Kathrin Wehlisch) weiß man nie so genau, ob sie nun liebt oder nicht. Wehlisch spielt die Verführerin, die mit subtilen Mitteln lockt, aber als der Zeitpunkt der Entscheidung heranrückt, hält sie alles in der Schwebe. Das betörende und charmante Wesen, das Garance in sich trägt, ist von einem Schutzpanzer umhüllt, der sie davor bewahrt, aufs Ganze zu gehen und sich dabei womöglich selbst zu verlieren. Ihr eigentliches Lebenselixier ist das Begehrtwerden. Baptiste, mit melancholischem Spielzauber auf Eindruck bedacht, spannt sein buntes Gefieder weit auf, aber Garance sieht darunter auch das dürre Gerippe. Als weiterer Liebeskandidat entpuppt sich Frédérick Lemaitre (Felix Rech), der mit übertriebenem Selbstbewusstsein das Theater erstürmt, er fährt seine Ellenbogen aus, die aber im Fall Garance nichts nützen. Dennoch kommen sie zusammen, doch ein magisches Ineinanderklingen zweier Seelen sieht anders aus, als habe sich eine unsichtbare Wand zwischen sie geschoben. Hinzu kommt Graf de Montray (Martin Rentzsch), der hartnäckig die Diva umwirbt und sich als aufgedrehter Geldhahn erweist und ihr Protektion anbietet. Nach einer infamen Intrige flüchtet sie in seine physisch kraftlosen, aber starken Arme, um als Geliebte und Protegé weiterzumachen, bis sich ein neues Tor öffnet.

 

Peter Moltzen, Kathrin Wehlisch

© Matthias Horn

 

 

Sanfte Melancholie

All das ist ganz nett anzusehen, leider gehen einem die Figuren nicht nahe, sie berühren fast überhaupt nicht. Eine Inszenierung mit Verweigerung des Empathiezugangs. Keine Person hat eine innere Anteilnahme "verdient", schon gar nicht die zunächst warmherzige, dann eiskalte Garance, die von Wehlisch mit ködernder Divenstimme gespielt wird. Interessant ist da noch Arletty (Ilse Ritter), die während der Dreharbeiten 1943 – 45 Garance verkörpert hat. Ilse Ritter ist quasi ins Geschehen hineinmontiert und erzählt von den Problemen, die es mit den störwütigen NS-Behörden und der Vichy-Regierung gab. Echte Hitlerianer und Untergrundkämpfer agierten mit und selbstverständlich etliche schutzbedürftige Schauspieler*innen, die im Film in Scherheit waren vor der Deportation nach Deutschland, wo sie als Zwangsarbeiter eingesetzt worden wären. Arlettys Pech war es, dass sie sich auf eine glühende Affäre mit einem deutschen Wehrmachtsoffizier einließ – während der Premiere im März 1945, kurz nach der Befreiung, hockte sie im Knast. Ilse Ritter ist eine Art Zwischenspiel, Aufarbeitung im Spiel, und Antonia Bill als Nathalie erhält erstaunlich viel Freiraum, den sie mit ihrem Peymann-Flair, der ihr immer noch anhaftet, ausgiebig ausschöpft. Sanfte Melancholie umschwebt die Inszenierung. Ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit aller Anstrengungen und Begierden umfängt einen. Und so ist es doch ein sehr trauriges Stück geworden.

 

Kinder des Paradieses
nach dem Film von Jacques Prévert und Marcel Carné
Bühnenfassung: Ola Mafaalani und Alexandra Althoff

Deutsch: Manfred Schneider
Regie: Ola Mafaalani, Musik: Eef van Breen, Bühne: André Joosten, Kostüme: Johanna Trudzinski, Choreografie: Maria Marta Colusi, Dramaturgie / Bearbeitung: Alexandra Althoff.
Mit: Martin Rentzsch, Ilse Ritter, Kathrin Wehlisch, Peter Moltzen, Veit Schubert, Felix Rech, Tilo Nest, Sascha Nathan,Antonia Bill,Mitja Ley, Sam Hinzmann/ Liam Kinli.

Musik: Eef van Breen, Biliana Voutchkova, Antonis Anissegos,

Akrobatik: Noah Vernaldi, Kristina Francisco, Lukas Flint, Marvin Kuster, Marc Unruh, Mitja Ley, Karlo Janke, Marula Bröckerhoff.

Berliner Ensemble, Premiere vom 20.Januar 2018
Dauer: 3 Stunden, eine Pause

 

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