Celina Rongen, Larissa Fuchs

Celina Rongen, Larissa Fuchs (Bild: © Monika Rittershaus)

Stürmische Leidenschaften versanden

Die von den Sinnen angestachelten Leidenschaften wechseln rasant, die Gefühle lösen sich vom Liebhaber ruckartig los und heften sich an einen anderen. Marie beispielsweise ist mit dem Greenhorn-Dichter Petrell (Felix Strobel) liiert und weist ihre zärtlichskeitsbedürftige Zimmernachbarin Desiree (Larissa Fuchs) zurück, wendet sich dieser aber heftig zu, als sie erfährt, dass ihr anhänglicher "Bubi" Petrell die Studentin Irene (Marina Senckel) wie eine Festung erobern will. Angesichts der geistigen Manifestationen des in praktischen Dingen unbeholfenen Schrifstellers ist nur mit einer lahmen, spröden Lektoren-Prosa zu rechnen. Zwischen all den Suchenden und Verzweifelten oszilliert der Studium-Abbrecher Freder, der, eigentlich ein relativ wilder, unberechenbarer Zeitgenosse mit Neigung zu gesetzenthobener Anarchie, von Sven Scheele noch relativ moderat dargestellt wird. Er verführt das recht einfältige Zimmermädchen Lucy (Karla Sengteller), verleitet sie zu illegalem Handeln und schickt sie auf den Straßenstrich. Einmal taucht Sengteller mit völlig überschminktem Gesicht auf, bereit, ihr nicht gerade saftiges Abendwerk zu verrichten. Zu all den Liebesversuchen gesellen sich noch zumeist stümperhaft ausgeführte Annäherungsversuche, das jeweilige Objekt scheint egal zu sein. Irgendwie muss man die hervorsprudelnden Leidenschaften ja kanalisieren.

Sven Scheele, Felix Tittel, Larissa ...

Sven Scheele, Felix Tittel, Larissa Fuchs, Celina Rongen (Bild: © Monika Rittershaus)

Von der Zerstörung zur Selbstzerstörung

Es wird selten sanft oder im Normaltonfall geredet, dagegen wird viel geschrieen, als könne man auf diesem Weg die andrängenden Wünsche plausibler und authetischer rüberbringen. Die einzige gemäßigte, "normale" Figur ist Felix Tittel als Alt – doch der wird nicht als Mentor akzeptiert. Die frei schwebenden Vögel ohne gesellschaftliche Verankerung haben ein gewisses Zerstörungspotential, zerstören aber nur sich selbst. Die Todessehnsucht liegt in der Luft, vor allem bei Marie, die letztlich eine von Freder beschaffte Überdosis Veronal nimmt, um sich für immer den letzten Atem auszuhauchen. Und das, obwohl ihr Liebesverhältnis mit "Desi" sich gut angehen lässt, abgesehen von einigen flüchtigen Krächen und halben Drohungen. Doch nichts verleiht Halt oder gar Sicherheit. Niemand kommt auf den Gedanken, den geistigen Orientierungspunkt tiefgreifend zu verlegen und sich im bürgerlichen Lager einzuquartieren. Der Studentenclub ist eine geschlossene Gesellschaft, die sich bewusst von der desillusionierenden Außenwelt abgekoppelt hat. Am besten gefallen noch Celina Rongen und Larissa Fuchs. Rongens Figur ist zerrissen und zeigt sadomasochistische Elemente: Einmal bettelt sie förmlich um Schläge, ein andermal erteilt sie eine feurige Ohrfeige. Rongen arbeitet mit rasanten Gefühlswechseln und verausgabt sich im wahrsten Sinne des Wortes. Fuchs' Figur, wohl die interessanteste, die, so wie sich sich gibt, fürs Bett wie geschaffen ist, ist fragil, zart, neigt aber auch zu massiven Ausbrüchen. Am Ende zergeht sie förmlich, sie zerfließt, hinein in den Untergang. Wahrlich kein großer Abend, aber akzeptabel.

Kranheit der Jugend

Schauspiel in drei Akten von Ferdinand Bruckner

Regie: Catharina May, Bühne und Kostüme: Maria-Elena Amos, Dramaturgie: Steffen Sünkel

Es spielen: Larissa Fuchs, Felix Tittel, Celina Rongen, Marina Senckel, Karla Sengteller, Felix Strobel, Sven Scheele.

http://www.berliner-ensemble.de/

Premiere vom 5. Januar 2017

Dauer: 100 Minuten, keine Pause.

 

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