Ingo Hülsmann, Stefanie Reinsperger ...

Ingo Hülsmann, Stefanie Reinsperger, Constanze Becker, Veit Schubert, Aljoscha Stadelmann, Gerrit Jansen (Bild: © Julian Röder)

Es kann nur Verlierer geben

Rainald Goetz hat die Trilogie 1986 veröfffentlicht. Es besteht aus den Teilen "Heiliger Krieg", "Schlachten" und "Kolik". Im Laufe der Zeit wird's ruhiger, mit jedem Teil scheint die Energie zu verpuffen. Ein Riss geht durch die Gesellschaft. Alle gegen alle – das ist ein Song des Poppunk-Duos Deutsch Amerikanische Freundschaft. Und hier sieht auch eine Menge nach Punk aus, die Darstellung erinnert zunächst ein wenig an ein Konzert der Einstürzenden Neubauten in den Anfangsjahren, 1983 in London beispielsweise. Die Risse sind auch in den Köpfen der Menschen zu finden, weit bevor es eine Mauer in den Köpfen gab. Heiliger Krieg ist im Grunde ein Unsinnswort: Den Menschen ist gar nichts mehr heilig, bestenfalls noch ihr Bier. Die Individuen bekämpfen einander und es kann nur Verlierer selbst unter Pyrrhus-Siegern geben. Da wird viel mit Farbe gearbeitet, die Bühne wird verwüstet, ein Soldatenhelm liegt friedlich neben zwei Paar Pumps, Überbleibsel verlorener Existenzen. Völlig in Extase geraten, entkleidet sich Stefanie Reinsperger und entblößt ihre Brüste wie in einem Mänadentanz. Constanze Becker steckt in einem weißen Reifrock mit roten Blüten, darüber ein Fantasie-Dominakostüm mit schwarzen Lederhandschuhen. Mit herrschaftlicher Geste, im Stile eines Poseurs, steht sie unter einer Uhr mit gigantischem Zeiger, als habe ein Wettlauf mit der Zeit begonnen. Nett anzusehen, Becker mit einer topfschnittartigen Pony-Frisur.

 

Constanze Becker, Aljoscha Stadelmann, Ingo Hülsmann, Veit Schubert, Stefanie Reinsperger

© Julian Röder

 

 

Eine Familie zum Schikanieren

In "Schlachten", nach der Pause beginnend, weicht der Bürgerkrieg einer Familienhölle. Gerrit Jansen spielt einen nicht malenden Maler, der seinen Zorn über seine Kunstblockade an seiner Familie auslässt. Die besteht aus seiner Frau und drei Töchtern. Nicht die Weite der Welt, sondern die Enge des Wohnzimmers ist das Thema, das an Thomas Bernhard erinnern mag, etwa an "Das Kalkwerk", wo der fragwürdige Held fast zwei Jahrzehnte darüber spricht, eine Studie über das Gehör zu schreiben, aber wegen geistiger und künstlerischer Impotenz scheitert. Und jede nach innen gerichtete Wut kehrt sich irgendwann nach außen. Glücklich derjenige, der eine Handvoll Frauen zum Drangsalieren parat stehen hat. Im dritten Teil "Kolik" sind Langeweile, Dämmerzustand und alkoholbedingtes Dahinsiechen Zentralpunkte des Nicht-Geschehens. Denn Aljoscha Stadelmann sitzt tatenlos eingepfercht in einem schmalen Kasten, der besser für einen Hund geeignet wäre. Es ist ein reiner Monolog, der das eigenen Erlöschen vorwegnimmt. Der Regisseur Borgmann hat nach der Pause dermaßen viel Luft rausgelassen und für Ent-Spannung gesorgt, dass die Köpfe der Zuschauer*innen quasi entleert werden. Nach dem Sturzbach der Gefühle erfolgt der individuelle Tod. Stellvertretend für viele geht Stadelmann wahrlich die Luft aus. Nach dem Anfangsfuror, dem Sturzbach der Gefühle, den künstlerischen Maschinengewehr-Salven bis hin zur Grenze der Belastbarkeit ist das ein kümmerlicher Schluss. Und diese ungezügelte Regellosigkeit kann man der Inszenierung schon vorwerfen. An diesem Abend stimmt einiges nicht so ganz.

 

Krieg
von Rainald Goetz
Regie und Bühne: Robert Borgmann, Kostüme: Bettina Werner, Licht und Video: Carsten Rüger, Musik: Rashad Becker, Dramaturgie: Sabrina Zwach
Mit: Stefanie Reinsperger, Constanze Becker, Annika Meier, Gerrit Jansen, Veit Schubert, Aljoscha Stadelmann, Ingo Hülsmann, Yaron Alija / Liam Kinli.

Berliner Ensemble, Premiere vom 17. März 2018.
Dauer: 270 Minuten, eine Pause

 

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