Constanze Becker, Tilo Nest, Sascha ...

Constanze Becker, Tilo Nest, Sascha Nathan (Bild: © Matthias Horn)

Oben angelangt, gibt es kein Zurück mehr

Es ist aber nur ein Dolch, mit dem Macbeth (Sascha Nathan) mordet. In seiner Zerstreutheit vergisst er ihn nach der Liquidierung und seine Lady (Constanze Becker) muss die Spuren verwischen. All das spielt sich auf einer kahlen Bühne ab (Olaf Altmann), die permanent in Nebel eingehüllt ist, aus dem sich die Figuren allmählich herausschälen. Phasenweise wummern tiefe Basstöne, die die Atmosphäre von Bedrohung und Düsternis noch verschärfen. In solch einer Umgebung, begleitet von apokalyptischer Musik, kann schwerlich etwas Gutes gedeihen, ist sie doch für einen chronischen Verbrecher wie geschaffen. Es ist interessant, die Entwicklung Macbeths zu verfolgen, zumal er zu Beginn Züge von Unentschlossenheit und Zögerlichkeit an den Tag gelegt hat. Aber einmal in der Gewaltsspirale angelangt, gibt es keine Rückkehr mehr, der Weg muss freigeschaufelt werden durch mehr Wegräumaktionen. Sascha Nathan gibt eine seltsame Figur ab: Er oszilliert zwischen weinerlicher Infantilität und Größenwahn, zwischen klaren Augenblicken und stark eingeschränkter, umwölkter Sichtweise. Schade, dass Thalheimer ihn zu einer Karikatur, ja zu einem blutrünstigen Kasper verzerrt hat. Zuweilen fühlt man sich sogar an Peter Ustinovs Nero in "Qua vadis?" erinnert, obwohl der anders spielte. Das sechsköpfige Ensemble ist praktisch den ganzen Abend über mit Kunstblut besudelt, (moralisch) reine Existenzen sind komplett ausgespart. Es ist die nackte Hölle, in der wir uns befinden, die Neuen sind nicht besser als die Alten.

 

Kathrin Wehlisch, Sascha Nathan

© Matthias Horn

 

Der Busen langweilt nur noch

Constanze Becker, mit hohen Party-Pumps ausgestattet und in schwarzer Kleidung steckend, liefert eine würdevolle Lady mit (auch optisch) dämonischen Elementen. Angesichts des kühlen Raisonnements und der Raffinesse kaum vorstellbar, dass sie einmal den Verstand verliert. In der Tat ist der Übergang von der "Normalität" zur Verrücktheit äußerst abrupt und inszenatorisch wenig überzeugend. Einmal entblößt sich die Lady und präsentiert ihrem Königsgemahl den nackten Busen. Der winkt nur gelangweilt ab: Seine Frau ist Schottland! So moralisch heruntergekommen ist bereits Macbeth, der das Morden und Mordenlassen allmählich zu einem professionellen Handwerk entwickelt hat. Viel seriöser geht die Sache Ingo Hülsmann an, der unter anderem Macduff verkörpert und mit ernster Miene aufs Schlachtfeld schreitet. Groteske Merkmale erlangt die Inszenierung, als nach der Szene mit dem Wald von Birnam der tödliche Zweikampf zwischen Macbeth und Macduff stattfindet. Gleich einem Kobold hüpft triumphierend und gleichzeitig tumb Sascha Nathan herum und verkündet mit juvenilem Hochmut, dass er nicht getötet werden kann – Hülsmann hätte vermutlich den geeigneteren Macbeth abgegeben. Hervorzuheben ist noch die großartige Kathrin Wehlisch, die gleich mehrere Rollen übernimmt und die volle Bandbreite ihres Könnens entfaltet. Die Hexen,schauerlich und entstellt, gemahnen mitunter an den letzten Horrorfilm oder Alptraum. Aber sie, die in das Land des Phantastischen hinüberführen, sind in ihrer Schaurigkeit auch ein wenig irisierend. Nun, eine Inszenierung, bei der selbst die Schergen der Macht blutverklebte Metzgerschürzen tragen und die sich aufs kompromisslose Auslöschen von vermeintlichen Widersachern kapriziert, ist schon ein bisschen fragwürdig. Immerhin, atmosphärisch ist der Abend gelungen.

 

Macbeth
von Heiner Müller

nach William Shakespeare
Regie: Michael Thalheimer, Bühne: Olaf Altmann, Kostüme: Nehle Balkhausen, Musik: Bert Wrede, Dramaturgie: Bernd Stegemann.
Mit: Kathrin Wehlisch, Ingo Hülsmann, Constanze Becker, Tilo Nest, Niklas Kohrt, Sascha Nathan.
Berliner Ensemble, Premiere vom 29.11.2018
Dauer: 110 Minuten, keine Pause

 

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