Carina Zichner, Laurence Rupp, Nico ...

Carina Zichner, Laurence Rupp, Nico Holonics, Bettina Hoppe (Bild: © Julian Roeder)

Enthüllungen und Bekenntnisse

Das Bühnenbild von Hansjörg Hartung ist recht simpel, schafft aber Atmosphäre. Ein langer, kräftig ornamentierter Teppich läuft über Treppen hinweg zur Bühnenwand, wo eine einladende Bar steht. Seitlich ein Chefsessel und eine Heimeligkeit suggerierende Stehlampe. Die vier Akteur*innen (Nico Holonics, Carina Zichner, Laurence Rupp, Bettina Hoppe), die Stuckrad-Barre in verschiedenen Lebensstufen darstellen, bleiben auf dem Teppich, heben aber gelegentlich ab, wenn es schrill und sperrig und konfus wird. Das Leben: Ein Seiltanz über einem Abrund. Ein Wunder, dass es diesen Mann, der von Entzug zu Entzug schlittert und sich im eigenen Schmerz windet, überhaupt noch gibt. Verwunderlich ist auch, das der Schriftsteller dies alles ausplaudert und inszenieren lässt. Unvermutete Enthüllungen, Bekenntnisse und vollkommene Ich-Preisgabe sind anscheinend wichtige Wesensbestandteile eines Menschen, der sich vor allem als selbstverliebter Selbstdarsteller outet und selbst seine Fehler und seinen Verfall einem nicht vorhandenen Öffentlichkeitsgericht offenbart. Er weiß auch: Erlösung wird es nicht geben, er ist ein Maßloser, ein Getriebener, den es immer wieder ins Kulturgeschäft, in die Welt der Kameras verschlägt, als sei das sein natürliches Biotop. Natürlich hat es auch etwas Exklusives, solch ein Leben am Rande – und er macht sich sogleich darüber lustig.

 

Laurence Rupp, Carina Zichner, Bettina Hoppe

© Julian Roeder

 

 

Es wird zu wenig dargestellt

Benjamin von Stuckrad-Barre hat viele Gesichter, also bot es sich Reese förmlich an, vier Schauspieler*innen auf die Bühne zu bemühen, um verschiedene Facetten des Gefühldepots herauszustreichen. Bettina Hoppe erweist sich als eine Frau, die souverän jeden Kaffee-Klatsch besteht und auch mal, wenn es sein muss, ihre Resolutheit als Trumpf hervorzieht. Auch bei Carina Zichner wird der Ton zuweilen scharf und spitz, gerät in eine Anklage gegen wen auch immer. Nico Holonics ist eher für die ekstatische Sektion zuständig - und für diverse Anfälle, die noch rauschender als bei den anderen daherkommen. Sie alle leiden, jammern und frohlocken (selten), und immer ist das zugleich magische und verhängnisvolle weiße Pulver, das aufbauen und zerstören kann, anwesend. Das große Manko: Es wird zu viel Text nachgesprochen, es wird uferlos referiert, aber viel zu wenig dargestellt. Nun, eine szenische Lesung ist das nicht – die Figuren regen und verrenken sich mitunter, sie flattern und gleiten -, aber das Dargebotene bewegt sich in diese Richtung. Es ist ist ein Berichtstheater mit musikalischer Begleitung. Oasis, Nirwana und natürlich Lindenberg, den der Popliterat natürlich persönlich kennt. "Andrea Doria" beispielsweise geht jederzeit durch, aber "Ein Herz kann man nicht reparieren" klingt schon schräg, verschlagert, grenzwertig. Die betulichen Schlager-Clubs lassen grüßen! Ganz am Ende gibt es wie zur Versöhnung noch ein schnelles Gitarrensolo, das den unermüdlichen Bericht, sich als Theater gebärdend oder es ersetzend, beschließt.

 

Panikherz
nach Benjamin von Stuckrad-Barre
Fassung von Oliver Reese
Regie: Oliver Reese, Bühne: Hansjörg Hartung, Kostüme: Elina Schnizler, Musik: Jörg Gollasch, Licht: Ulrich Eh, Dramaturgie: Valerie Göhring, Live-Musik: Lukas Fröhlich, Peer Neumann, Gerhard Schmitt, Tilo Weber, Manuel Zacek.
Mit: Laurence Rupp, Nico Holonics, Carina Zichner, Bettina Hoppe.

Berliner Ensemble, Premiere vom 17. Februar 2017.
Dauer: 2 Stunden 10 Minuten, keine Pause

 

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