Berliner Ensemble: Kritik von "Prinz Friedrich von Homburg" – Claus Peymann
Premiere des Kleist-Klassikers. Der verträumte Homburg ist ausgerechnet Reitgeneral und gewinnt sogar eine Schlacht – aus Ungehorsam. Das ist sein Ende.Matthias Mosbach, Roman Kaminski, Anatol Käbisch, Sabin Tambrea, Fabian Stromberger, Boris Jacoby, Carl Bruchhäuser, Luca Schaub, Veit Schubert, C.-M. Antoni (Bild: © Monika Rittershaus)
Ein halber Ofterdingen, beim hohen Militär gelandet
Das 1810 fertiggestellte Stück von Kleist behandelt einen Preußenkrieg. Wer einen Blick auf die Darsteller wirft, entdeckt einige "lange Kerls", als habe sich Peymann an die militärische Vorliebe des Soldatenkönigs (Friedrich Wilhelm I., preußischer König von 1713–1740) gehalten. Die drei Frauen (Antonia Bill, Carmen-Maja Antoni, Swetlana Schönfeld) sind mindestens eine Etage tiefer, es gibt sogar anderthalb-köpfige Unterschiede. Aber zum Glück wurde noch keine Quote für Körpergröße eingeführt. Sabin Tambrea als Homburg, ein Mann von impulsiven Entschlüssen, empfindsam und etwas weltfremd, ist eher ein Ofterdingen, den es aus abenteuerlichen Gründen zum hohen Militär verschlagen hat. Er ist aus traditionellen Motiven zum Militär berufen, aber nicht dafür geboren. Ein Schwärmer, der zum Kämpfer aufgerufen ist und dabei ungeschickt mit dem Holzhammer hantiert. Roman Kaminski als Kurfürst legt eine mürrische Freundlichkeit an den Tag, als würde er mit Gewalt sein noch schlagendes Herz in tiefere Kammern zurückbeordern, aber letzlich ist er der Boss, der keine Insubordination duldet, allein schon wegen des Forbestehens der alten, vom Soldatenkönig eingeführten Prinzipien. Und Carmen-Maja Antoni als Obrist Kottwitz? Sie bringt das Boulevard ins weitgehend werktreue Theater und man merkt ihr an, dass sie ein bisschen viel mit Horst Krause gedreht hat. In ihrer – durchaus erheiternden Rolle – ist sie leider nie ganz ernst zu nehmen.
Roman Kaminski, Antonia Bill
© Monika Rittershaus
Das innere Feuer fehlt
Egal wie man es dreht oder wendet: Dem Kurfürst geht es ums Gesetz, um die Einhaltung des Untertanengeistes und er treibt mit Homburg eine Art Spiel. Derjenige, der sich das Recht auf individuelle Freiheit herausnimmt und fehl am Platz in diesem Staat ist, wirft sich vor die Füße der Kurfürstin (Swetlana Schönfeld) und fleht um Gnade, da Homburg nur noch an das nackte Überleben denkt. Nun kommt es zu einem Wechselspiel von Hinrichtung und Erlösung. Als das Publikum mit der endgültigen Begnadigung rechnet, hängt Tambrea, der Equilibrist, leblos auf einem Drahtseil, das über einer unter Farbwechsel stehenden abschüssigen Bodenplatte schwebt (Bühne: Achim Freyer). Aus dem Mund der Prinzessin (Antonia Bill) quillt ein Lavastrom aus Blut. Der vorweg genommene Freitod von Kleist und Henriette Vogel? Insgesamt fehlt dieser Inszenierung das Feuer, und zwar nicht das vorgetäuschte, inszenierte, sondern das authentische, innere Feuer. Ein bisschen blutarm ist's trotz allen Getöses schon. Hervorzuheben im Ensemble ist Antonia Bill, die, ausgestattet mit Förmlichkeit und Geschmeidigkeit, den richtigen Ton trifft und sich so verhält, wie man sich die Prinzessin ungefähr vorstellt. Im Alterswerk von Peymann gehört diese letzte Inszenierung nicht zu den besten, aber sie ist wegen des Ensembles und des zweiten Teils annehmbar. Bei den lang anhaltenden Ovationen inszeniert Peymann eine Selbstfeier mit Kotau. Und so lässt sich auch für sehr kritische Peymann-Rezipienten sagen: Abschied nicht ohne Wehmut.
Prinz Friedrich von Homburg
von Heinrich von Kleist
Inszenierung: Claus Peymann, Bühne und Kostüme: Achim Freyer, Dramaturgie: Jutta Ferbers, Sarah Thielen.
Mit: Antonia Bill, Sabin Tambrea, Veit Schubert, Roman Kaminski, Swetlana Schönfeld, Anatol Käbisch, Boris Jacoby, Carmen-Maja Antoni, Luca Schaub, Fabian Stromberger, Carl Bruchhäuser, Matthias Mosbach.
Berliner Ensemble, Premiere vom 10. Februar 2017
Dauer: 150 Minuten, eine Pause.
Bildquelle:
Ruth Weitz
(Lilli Chapeau und ihr kleinstes Theater der Welt in Miltenberg)