Mario Krüger, Thomas Gumpert, Heide Domanski, Ulrich Voss

© Kriminal Theater Berlin

 

Aufklärung, Verdächtigung und Verleumdung

Brainwash wurde 1981 von Claude Miller verfilmt, besetzt mit Lino Ventura, Michel Serrault und Romy Schneider. Wolfgang Rumpf, Theaterboss und Regisseur in Personalunion, hat in seiner Version ein anderes Ende gewählt. Rumpfs Schluss ist abrupt und unabsehbar und demontiert die Erwartungen des Publikums. Was die Zuschauer erleben, ist Kammertheater reinsten Wassers, das allerdings das Trockene der überlangen Ermittlungsarbeiten nicht ganz abfedern kann. Von Boulevard keine Spur, zum Glück. Durch die Verengung auf eine Szene – das Verhör im Polizeirevier – gewinnt die Inszenierung an Intensität. Das gelingt aber nur, weil relativ gute Schauspieler*innen auf der Bühne stehen. Thomas Gumpert als Inspektor Parker spielt handwerklich solide, mit konzentrierter Gestik, ohne seine Zuflucht zu publikumsanbiedernden, überzogenen Gebärden zu nehmen. Ulrich Voss, mittlerweile im Theaterveteranenalter, bekannt durch seine Auftritte bei Marthaler und Castorf in der Berliner Volksbühne, entdeckt seine alte Professionalität neu und legt einen zunächst souveränen Anwalt hin, der, nachdem die Indizien eindeutig gegen ihn sprechen, innerlich zerbröselt, ins Weinerliche kippt und alles gesteht, auch wenn es nichts zu gestehen gibt. Aber den wahren Sachverhalt erfahren die Zuschauer erst am Ende. Schuld an Barklays Selbstaufgabe ist seine Gattin Lilian (Heide Domanski), die, kraftvoll busig und berechnend, ihn gnadenlos beschuldigt. Domanski legt einen halben Kotzbrocken hin, der zwischen würdevoller Erhabenheit und Giftspritze hin- und herschwankt. Eine diabolische Intrigantin, als seien unzählige Mächte der Finsternis in sie gefahren, die ihrem Mann, der so gar nicht nach Vergewaltigung aussieht, den Rest geben möchte.

 

Der Täter ist ein Verhörer

Der Vierte im Bunde ist Inspektorassistent Hastings (Mario Krüger). Der ist kühl kalkulierend, scheinbar hundertzwanzigprozentig dienstwillig und neigt zu Überreaktionen. Als er einmal mit Barklay allein im Verhandlungszimmer ist, wird er als Vertreter einer empathielosen, rabiaten Polizei-(Un-)Kultur handgreiflich. Krügers von gedanklicher Kargheit geprägtes, knallhartes, fast hölzernes Gesicht ist von einer steinernen Gesammeltheit, als habe ihn niemals eine Emotion angerührt, abgesehen vielleicht vom häuslichen Putzbetrieb der Gattin – eine beachtliche, gute schauspielerische Leistung, die man erst einmal vollbringen muss. Klar: Dieser übermotivierte Beamte, ohne einen Funken von Humor, ist einem nicht ganz geheuer. Trotzdem erwartet im Zuschauerraum niemand, dass Hastings der Täter ist. Regisseur Rumpf hat jedoch so entschieden und bereitet der ersehnten Aussicht auf Handlungsauflösung ein schnelles, verblüffendes Ende. Ein Anruf bei Inspektor Parker klärt den wahren Sachverhalt auf. Rechtsanwalt Barklay, der vor lauter unwiderleglichen "Beweisen" wimmernd in die Knie ging, ist unschuldig: Der wahre lüsterne Unhold – Hastings also. Gumperts Parker, ganz verlässlicher Obrigkeitsverwalter, hält die Pistole gegen Mario Krügers Schläfe. Damit hat Regisseur Rumpf im finalen Schnelldurchlauf die Erwartungen auch jener Zuschauer unterlaufen, die weder Roman noch Film kennen. Ein Überraschungseffekt kann ja auch ein von Einschläferung bedrohtes Gehirnareal zu neuem Leben erwecken. Insgesamt ist der zum Stück gemachte Roman zeitlos. Alte Probleme der Kriminalistik werden aufgeworfen: Justizirrtum, die Verdächtigung Unschuldiger, das versuchte Fertigmachen durch Intrige und Verleumdung. Menschen, die durch Falschaussagen und geistig reduzierte Kommissare fast gebrochen werden. Verschenkt ist der Abend keineswegs, ganz im Gegenteil – er bietet harten, glaubwürdigen, unspektakulären Realismus und einigen Denkstoff.

Das Verhör

Roman von John Wainwright

Regie: Wolfgang Rumpf, Bühnenbild: Manfred Bitterlich, Kostüme: Helene Hohensee.

Es spielen: Ulrich Voss, Mario Krüger, Thomas Gumpert, Heide Domanski.

Kriminal Theater Berlin

Aufführung vom 1. April 2016

Dauer: ca. 2 Stunden, eine Pause.

 

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