Berliner Kriminal Theater: Kritik von "Die Vögel" - Wolfgang Rumpf
Aggressive, scheinbar toxische Vögel verwüsten ganze Landstriche. Menschen, die sich nicht kennen, suchen Unterschlupf. Die Verfilmung von Alfred Hitchcock ist legendär.Susanne Meyer, Jean Maesér, Claudia Rippe (Bild: © Berliner Kriminal Theater)
Ohne rationalen Überlebensplan
Die Inszenierung von Wolfgang Rumpf orientiert sich nicht an Alfred Hitchcocks Verfilmung, sondern am Thriller von Conor McPherson, der ebenfalls ein Spezialist in Angelegenheiten von Paranoia ist. Die Vögel attackieren nur dann, wenn die Flut kommt, und das geschieht zweimal am Tag, ansonsten sitzen sie gemütlich auf ihren Sandbänken. Zeit für Erholungspausen also, aber das ungleiche, etwas bizarre Paar schafft es in der Aufregung nicht, einen rationalen Überlebensplan zu entwickeln. Der von Jean Maesér gespielte Nat trägt einen Kopfverband und hat eine blutige Gesichtswunde, was sein Denkvermögen vermutlich ein wenig eingeschränkt hat – zu groß ist der Schrecken. Und die von Susanne Meyer dargestellte Diane, mit einem langem Zopf auftretend, wird von ihren Emotionen überwältigt. Irgendwann betritt Julia (Claudia Rippe) die Szenerie, aber anstatt für Beruhigung zu sorgen, wird die Anspannung größer. Während Rippe ihre nackten Beine zeigt, trägt Susanne Meyer ein kurzes Röckchen mit schwarzen Strumpfhosen, die eher nach Party als nach Panik und Grauen aussehen. Der Strom fällt aus, das Radio funktioniert nicht mehr und die Lebensmittel werden knapp. Konservenbüchsen werden wie ein halbes Heiligtum betrachtet. Bedauerlicherweise hält der Inhalt nicht sein Versprechen, alles schmeckt nach Zwiebeln, und es sind nicht die besten: Ekelgesichter sind die Folge verwöhnter Zungen. Hier bleibt nichts anderes übrig als zu saufen, und zwar hemmungslos, doch die Gefühle lösen sich in imaginäre, von Düsternis angefüllte Sphären auf und erhitzen nur die Gemüter.
Mario Krüger, Susanne Meyer (Bild: © Berliner Kriminal Theater)
Die Ruhe vor dem Sturm ist genauso schlimm wie der Sturm
Die Bühne besteht aus einer Menge Holz, von der Wandverschalung bis zu den Möbeln – typisch für so manche Distrikte in den Staaten, möchte man meinen. Nach der Pause tritt Mario Krüger als Tierney auf – er trägt einen Soldatenhelm, mächtige Gummistiefel und einen langen verschlissenen Ledermantel. Endlich passiert etwas Neues, Elan kommt auf, die Spannung steigt. Tierney hat Lebensmittel zuhauf, er spielt sich mit massivem Tonschlag und künstlichem Einfühlungsvermögen als Retter auf – die einzige Gegenleistung, die er von Diane erwartet, ist, dass sie zu ihm zieht. Das ist eigentlich eine Leistung, aus Großzügigkeit, doch sie impliziert einiges mehr, freilich unausgesprochen. Seit dem Eintreffen von Julia tritt auch ein intimerer, zwischenmenschlicher Faktor hinzu, und das inmitten des Wütens der Vögel und ihrem nach getaner Arbeit gänzlichen Verstummen. Das Schweigen der Angreifer ist genauso gespenstisch, fast noch unheimlicher, wie die Ruhe vor dem Sturm. Der Regisseur Rumpf bemüht sich redlich, den Horror greifbar zu machen, bemüht aber kaum die Trickkiste. Ein paar Effekte – eingeblendete Vögel, kräftige akustische Untermalungen - hätten die Panikstimmung noch anschaulicher gemacht.
Die Vögel
Thriller von Conor McPherson
nach der gleichnamigen Kurzgeschichte von Daphne du Maurier
Deutsch von Peter Torberg
Regie: Wolfgang Rumpf, Ausstattung: Manfred Bitterlich
Es spielen: Susanne Meyer, Mario Krüger, Claudia Rippe, Jean Maesér
Berliner Kriminal Theater, Aufführung vom 30. März 2018
Dauer: 2 Stunden, eine Pause
Bildquelle:
Ruth Weitz
(Lilli Chapeau und ihr kleinstes Theater der Welt in Miltenberg)