Ein Lichtrad: Peter Kurth und ...

Ein Lichtrad: Peter Kurth und Katharina Knap (Bild: © Julian Roeder)

Gebremster Schaum und Schaumschläger

Peter Kurth ist kein Schauspieler, der eine schläfrige, meditative Rolle übernehmen kann, zu groß ist der innere Druck nach Kraftaufwallungen, auch wenn sie manchmal domestiziert wirken und als gebremster Schaum daherkommen. Sein Onkel Wanja kommt erst dann richtig in Fahrt, als der professorale Schwager Serebrjakow (Elmar Roloff) und seine hübsche zweite Frau Jelena (Sandra Gerling) im Gut auftauchen. Früh erkennt Onkel Wanja, dass der einst von ihm glorifizierte emeritierte Professor nur ein Schaumschläger ist, der einem leicht ausschweifenden Lebensstil gehuldigt hat. Alles dreht sich nur noch um die Gicht des Alten und die appetitliche Jelena, auf die Onkel Wanja längst ein übergroßes Auge geworfen hat. Wanjas Avancen sind nicht gerade von Zartgefühl und Charme geprägt, in ihm wogt ein heftiges Verlangen, das nach Erfüllung und Entladung drängt. Einmal entblößt Peter Kurth seinen gänzlich haarlosen Oberkörper: Es ist nicht gerade eine erotische Offenbarung.

 

Darstellung der Düsternis

Auf der karg eingerichteten Bühne dreht ein radloses Auto im Zeitlupentempo permanent seine Kurven. Ein Sinnbild für die Gleichförmigkeit des Lebens, das um sich selbst kreist. Kein Flickenteppich, kein Hineinschneiden anderer Texte diesmal: Der Regisseur Borgmann verzichtet auf eindringliche Bilder und eingeschobenen intellektuellen Sprachbombast. Er kapriziert sich vollständig auf die Düsternis, die durch das Eintreffen des Professors im Stadium des Vorgreisenalters ihren Gipfel erreicht. Thomas Lawinky als versoffener Bezirksarzt Astrow, der ein Fleischverächter und Naturfreund ist, powert, weil der Schauspieler aufgrund seiner Wesenstruktur nicht anders kann. Und Sandra Gerling, mitunter ihre Stimme sanft senkend, kippt zuweilen um ins Hysterische. Die Worte kommen hoch heraus, schrill, teilweise scharf, bis hin zur Unverständlichkeit. So wird die Zerdehnung der Zeit erfolgreich konterkariert.

 

Peter Kurth

Peter Kurth (Bild: © Julian Roeder)

Langeweile, die nicht langweilig ist

Sonja (Katharina Knap), die Tochter des Professors, hat ihre obsessiven Gefühle ausgerechnet an Astrow geheftet, der seine Gefühle für die Natur und die Flasche aufgespart hat und - der Stumpfsinn hat ihn längst verschlungen - mit der Liebe und dem nachfolgenden Sättigungsgrad nichts mehr anfangen kann. Katharina Knap bekommt die Gelegenheit, einen längeren Monolog zu halten, in dem wenig Hoffnung, aber viel süße Melancholie mitschwingt. Das ist es auch, was das Personal zusammenhält: Die verzuckerte Schwermut. Als Onkel Wanja erfährt, dass der entschleierte Professor das Landgut verkaufen möchte, rastet er aus und nimmt das Gewehr. Peter Kurth schießt daneben, richtet die Waffe auf alle Leidensinsassen, ja auf die Ungerechtigkeit der Welt. Man braucht nicht aufgeweckt zu werden, man ist hellwach. Am Ende taucht ein großes Lichtrad auf, die Sonne, Symbol des ewigen Lebens, des Lichts, das weiter erstrahlen wird im Glanz der schnöden Alltagsbewältigung. Alles bleibt beim Alten, die Gutbewohner werden sich weiterhin hineinsenken in die schlaffe Bequemlichkeit, durchtränkt von der zarten Labsal der Einförmigkeit. Die Inszenierung, die Langeweile feiert, aber nicht langweilig ist, hat einige Schwächen, aber ihre Einladung zum Theatertreffen ist berechtigt.

Onkel Wanja
von Anton Tschechow
Regie und Bühne: Robert Borgmann, Kostüme: Janina Brinkmann, Licht: Sebastian Isbert, Dramaturgie: Jan Hein.
Mit: Thomas Lawinky, Peter Kurth, Sandra Gerling, Katharina Knap, Elmar Roloff, Michael Stiller, Susanne Böwe, Gina Bartel/Nora Liebhäuser.

Haus der Berliner Festspiele

Kritik vom 5. Mai 2014
Dauer: 3 Stunden 30 Minuten, eine Pause

 

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