Boris von Brauchitsch: Gabriele Münter. Eine Biografie – Rezension
Leben und Werk der expressionistischen Malerin Münter, einer langjährigen Partnerin von Kandinsky. Im Laufe der zähen Jahre schwoll ihr Ruhm an.
Buchcover
Foto: Insel Verlag
Eine veralteter Kunstbegriff: Frauen können nur imitieren
Von Brauchitsch bevorzugt einen sachlichen, manchmal sogar trocken referierenden Schreibstil, aber gelegentlich tauchen wie aus dem Nichts Sprachwitz und spritzige espritreiche Formulierungen auf. Er legt vor allem dar, wie schwer es Künstlerinnen im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts hatten. Die männlichen Fachleute stellten fest, dass Frauen nicht produzierten, sondern nur reproduzierten, sie waren geborene Imitatorinnen, künstlerische Dilettanten, am besten war es, wenn sie ihre Arbeit der Kreativität ihrer Gatten unterstellten. In dieser Situation war es schwierig für Münter, sich durchzubeißen. Die Damenakademie des Münchener Künstlerinnenvereins war ihre erste größere Station, dann folgte die private Akademie der Künstlergruppe Phalanx. Sie zog aus, zog dahin, um Bildhauerin zu werden und fand dort – den Kunstdozenten Kandinsky. Der Autor betrachtet diese Begegnung als wichtigstes Ereignis dieser Künstlergruppe. Bei einem Ausflug der Malklasse nach Kochel wurde es brisant, den Münter und Kandinsky kamen sich immer näher und der emotional Überforderte bat um Abbruch der Beziehung, schließlich war er mit Anja Tschimiakin verheiratet. Nun, Gefühle sind zuweilen stärker – er, teilweise gefühlsmäßig zugeknöpft, beschließt die vorläufige Verlobung mit Münter. In Paris 1906 offenbarten sich Differenzen, die in diametrale Gegensätze ausuferten. Die Temperamente waren zu verschieden: Während sich Münter gern in die kulturell-ekstatischen Genüsse des Großstadtlebens hineinwarf, "kapselte" sich Kandinsky privat ab. Immerhin: In der Pariser Zeit kam es zu bedeutenden Salonbesuchen und Ausstellungen, die gut für die Reputation waren und eine halbe internationale Anerkennung bedeuteten.
Großartige Künstleraktionen und Intrigen
Das 170-Seiten starke Buch enthält eine Vielzahl von Münters Bildern. Einige davon werden ausführlich kommentiert, aber die Beschreibungen reichen kaum über das hinaus, was man ohnehin sieht. Das Schöne an den Abbildungen ist, dass man keine Worte braucht, da man die Entwicklung in verschiedenen Schaffensphasen optisch ausmachen kann. Das strikt chronologisch arrangierte Buch klappert selbstverständlich die bekannten Stationen Neue Künstlervereinigung München (NKVM) und den legendären Blauen Reiter ab, der ein kurzes, aber kurzweiliges und hauptsächliches erfolgreiches Leben hatte. Hier versammelten sich einige wichtige Künstler, die heute noch bekannt sind. Und für die Intrigen und Eifersüchteleien unter den Künstler*innen ist auch etwas Platz – Franc Marc und August Macke mochten anfangs die Murnau-Münter, dann wurde sie verteufelt -, aber vieles bleibt an der Oberfläche hängen, weil die speziellen Hintergründe wohl aus Platzgründen ausgelassen werden. Das Inwendige fehlt, es wird zu viel dokumentiert, was der Kenner ohnehin schon weiß. In der Weimarer Republik – während des 1. Weltkriegs flüchtete Münter nach Skandinavien – wuchs ihre Anerkennung, die zumindest national durch das 3. Reich abrupt abgebrochen wird. Nach dem Krieg dann die Wiederentdeckung und eine ungewöhnliche Renaissance, die sie endgültig etablierte. Dies ist ein Buch, das eher in die Suhrkamp-Reihe Basisbiografien gehört. Aber es ist durchaus lesbar.
Boris von Brauchitsch: Gabriele Münter. Eine Biografie. Berlin: Insel Verlag 2017. 173 Seiten. Buchcover: Insel Verlag
Bildquelle:
Ruth Weitz
(Lilli Chapeau und ihr kleinstes Theater der Welt in Miltenberg)