Buchrezension: Günter Ewald: Auf den Spuren der Nahtoderfahrungen
Gibt es eine unsterbliche Seele? - Auf der Suche nach der Antwort nimmt der Autor seine Leser mit auf eine spannende GedankenreiseEine reine Glaubenssache?
Die Vorstellung von einer unsterblichen Seele ist nicht an eine bestimmte Religion gebunden. An das Weiterleben der Seele über den Tod hinaus kann jemand glauben oder auch nicht. Für ein verlässliches Wissen fehlen wissenschaftlich anerkannte Beweise. Seit ein paar Jahren erfährt diese existenzielle Frage außer in der Theologie, im Familien- und Freundeskreis oder in Literatur und Journalismus auch unter Naturwissenschaftlern erhöhte Aufmerksamkeit.
Ein Autor ...
Dr. rer. nat. Günter Ewald, Jahrgang 1929, studierte Mathematik, Physik, Chemie und Philosophie und ist emeritierter Professor für Mathematik der Ruhr-Universität Bochum. Außerdem lehrte und forschte er viele Jahre international. Als aktiver Christ befasste er sich mit Fragen zum Tod und nach einer unsterblichen Seele sowohl aus theologischer als auch aus naturwissenschaftlicher Sicht. Mit dieser Herangehensweise unter Berücksichtigung zweier sehr verschiedener Blickwinkel konnte er den Austausch beider Disziplinen erheblich fördern. In jüngster Zeit hat sich Günter Ewald hauptsächlich mit Nahtoderfahrungen sowie dem Auferstehungsglauben beschäftigt. Dabei gelang es ihm, alte Glaubensinhalte mit dem heutigen naturwissenschaftlichen Denken in eine stimmige Verbindung zu bringen.
... und sein Buch
"Auf den Spuren der Nahtoderfahrungen" mit dem Untertitel "Gibt es eine unsterbliche Seele?" erscheint im Butzon Bercker Verlag. In seiner Einleitung geht Günter Ewald kurz auf das 1975 erschienene Buch "Leben nach dem Tod" von Raimond Moody ein, welches damals zum Bestseller wurde. Gleichzeitig bewirkte es wie eine Initialzündung weitere entsprechende Studien mehrerer Forscher. Doch rein biologisch und medizinisch ausgerichtete Untersuchungen kamen über wenige nicht weiter fortgeführte Einzelergebnisse nicht hinaus. Es dauerte bis zum Jahr 2001, als in der Medizinzeitschrift "The Lancet" die veröffentlichten Forschungsergebnisse des niederländischen Kardiologen Pim van Lommel erhebliches Aufsehen erregten. Van Lommel eröffnet geradezu bahnbrechende neue Denkansätze, indem er als neue Disziplin die Physik mit einbringt. Die Quantenphysik zeigt Aspekte der sogenannten Wirklichkeit auf, die Antworten auf bisher offen gebliebene Fragen liefern können, denn mithilfe quantenphysikalischer Phänomene erschließen sich überraschende neue Facetten eines für hinlänglich bekannt gehaltenen Weltbildes. In 2009 erschien van Lommels Buch "Endloses Bewusstsein. Neue medizinische Fakten zur Nahtoderfahrung" auf Deutsch. Längst sind die darin enthaltenen Studien und Erkenntnisse als "Van-Lommel-Studie" zum gängigen Begriff in der Nahtodforschung geworden. Günter Ewald nimmt in seinem Buch "Leben nach dem Tod" häufig Bezug darauf. Auf 162 Seiten mit einem ergänzenden großzügigen Anhang aus Literaturverzeichnis, Anmerkungen, Danksagungen sowie Namen- und Sachregister führt der Autor seine Leser durch ein spannendes Wissenschaftsgebiet.
Günter Ewald stellt in seinem Buch fest, dass Nahtoderlebnisse kulturübergreifend praktisch gleich sind. Natürlich gibt es dabei im Erleben gelegentlich individuelle kulturelle Anpassungen. In ihrem Kern allerdings fallen stets typische Merkmale auf. Das sind zum Beispiel außerkörperliche Erfahrungen, Schwebeerlebnisse, Tunnel-Erfahrungen und eine Bewegung in Richtung eines als besonders empfundenen Lichtes, das Liebe und Geborgenheit vermittelt, Begegnungen mit Verstorbenen, ein Lebensrückblick im Zeitraffer, das Hören schöner Musik, Visionen wunderschöner Landschaften oder Farben. Nicht immer tritt alles hiervon auf. Irgendwann kommt es dabei stets zum Erreichen einer Grenze, bei der klar wird, dass das Überschreiten dieser einen endgültigen Schritt darstellt. Die wieder ins irdische Leben Zurückgekehrten blieben stets vor dieser Grenze, obwohl es sie meistens stark auf die andere Seite zog. Hier kam es dann in der Regel zu medizinisch erfolgreichen Wiederbelebungsmaßnahmen. Es kommt sogar vor, dass Wiederbelebte enttäuscht sind, vorerst ihr Leben auf der Erde fortsetzen zu müssen, hatten sie sich doch in dem lebensgefährlichen Moment so anders und wohlgefühlt wie noch nie zuvor. Fast immer gelingt ihnen aber ein problemloses anschließendes Weiterleben, wobei sich langfristig nicht selten ein tieferes Verständnis für andere Menschen einstellt und eine allgemein entspanntere Lebenseinstellung, wodurch das weitere Leben eine neue Ausrichtung erfährt. Normal ist nach einem Nahtoderlebnis das feste Vertrauen an ein Fortbestehen der eigenen Seele nach dem Tod, der kein Unbehagen mehr bereitet. Das Buch verschweigt nicht, dass es in wenigen Fällen zu unangenehmen Nahtoderlebnissen kommen kann, bei denen sich eine Person häufig in einer tiefen und unheimlichen Schwärze wiederfinden kann, die jedoch nur vorübergehend zu sein scheint.
Skeptiker halten Nahtoderlebnisse häufig für eine spezielle Art von Träumen oder Halluzinationen. Auffällig ist, dass im Gegensatz zu diesen die Nahtoderlebnisse stets sehr klar und eindeutig erlebt werden, viel intensiver als ein Traum. Die Ereignisse mögen ungewöhnliche Anteile haben, doch wirken Nahtoderlebnisse äußerst real und stets logisch nachvollziehbar beziehungsweise plausibel. Dazu bleiben sie lebenslang wie bedeutende übrige Erlebnisse eindrücklich im Bewusstsein. Träume hingegen geraten bis auf wenige Ausnahmen rascher wieder in Vergessenheit, höchstens dramatische Traumsequenzen erhalten sich. Oft erscheinen Träume bereits beim Aufwachen diffus. Manche Menschen sind sogar überzeugt, nie zu träumen. Halluzinationen sind für ihre irrealen Inhalte ebenfalls bekannt. Nahtoderlebnisse passen in diese Schubladen nicht hinein. Zu denken gibt ferner, dass Nahtoderlebnisse kleiner Kinder vorliegen, deren Inhalte sich mit jenen älterer Personen decken, obwohl diese Kinder mit Sicherheit bis zu ihrer kritischen Lebenssituation noch niemals mit diesem Thema konfrontiert waren.
Im Buch finden sich zahlreiche, sehr verschiedenartige und individuelle Schilderungen von Menschen mit Nahtoderlebnissen. Trotz des typischen Grundmusters der NTE, wie Nahtoderlebnisse in Kurzform auch genannt werden, sind diese Berichte nie ermüdend. Vergleichbar mit Erlebnissen aus der Schulzeit bleibt auch bei Nahtoderlebnissen reichlich Spielraum für die einzelnen Szenarien. In den faszinierenden Berichten aus einer anderen Welt bleiben übrigens Begebenheiten mit gewissen komischen Elementen nicht aus, wie die, als eine Frau ziemlich barsch zurückgeschickt wird mit den an ihre jenseitige Begleitperson gerichteten Worten: "Die können wir noch nicht gebrauchen!" Hierzu ist zu bemerken, dass Gespräche im "Vorraum zum Jenseits" nicht über Sprache laufen, sondern über Intuition oder Gedankenübertragung. Außerdem scheint es so zu sein, dass Menschen ihr Leben auf der Erde mit einer bestimmten Aufgabe verbringen. Genaues hierüber ist nicht bekannt. Es ist vorstellbar, dass jemand etwas Bestimmtes nach außen Gerichtetes zu erledigen hat oder aber selbst eine Aufgabe für seine Umwelt darstellt, ebenso kann es sich bei diesen Aufgaben um persönliche zu machende Erfahrungen handeln, dazu können diese sehr individuell verteilt sein. Hierfür spricht, dass es bei Nahtoderlebnissen so oft zu einer Aussage kommt, es sei für jemanden noch nicht an der Zeit oder Ähnliches. Noch etwas ist den meisten Menschen mit Nahtoderlebniserfahrung gemeinsam: Sie distanzieren sich ausdrücklich von esoterischen Ansichten.
Nach diesem sich über fast 100 Seiten erstreckenden ersten Kapitel "Phänomene" geht es weiter mit 20 Seiten zu "Quantenphysik und Bewusstsein". Keine Bange: Von Werner Heisenberg, einem der Entwickler der Quantentheorie, stammt der Ausspruch: "Wer behauptet, die Quantenphysik verstanden zu haben, der hat sie nicht verstanden." Zum Verständnis dieses Buches genügt es vollauf, ein paar der quantenphysikalischen Besonderheiten zu erfahren. Genau genommen wäre selbst dies entbehrlich, doch würde sich der Leser beim Überspringen dieses Kapitels um wirklich spektakuläre Lesemomente bringen. Also: Es droht keine Abschlussprüfung, dafür winken kaum glaubliche, aber anscheinend wahre Einblicke in bisher ungeahnte Bereiche einer erweiterten Wirklichkeit, die den persönlichen Horizont ebenfalls erweitern. Der Autor erklärt unter anderem, dass die sogenannte Verschränkung in der Quantenphysik keineswegs ein physikalisches Randgebiet ohne nennenswerte Bedeutung darstellt. Die in diesem Kapitel vorgestellten anschaulichen Beispiele lassen den Leser nach der Lektüre verändert zurück. Es lohnt sich unbedingt, gedanklich an diesem garantiert ohne Formel-Ballast auskommenden Leseabenteuer, das dieses Kapitel bereithält, teilzunehmen.
Auf Seite 123 beginnt das letzte Kapitel "Seele und Nahtoderlebnisse". Auch hier greift Ewald Details aus der Quantenphysik auf und erläutert gut verständlich seine Schlussfolgerungen wie zum Beispiel die Vorstellung von einer gut möglichen Verschränkung von Diesseits und Jenseits, welche so nicht länger als bloße Wunschvorstellung oder Utopie erscheint. Der "Himmel" ist nicht einfach "irgendwo da oben", sondern gegenwärtig und doch für die hier Lebenden unerreichbar. Auch das Vorhandensein einer unsterblichen Seele begründet er hiermit ausführlich und gut nachvollziehbar. Das Unterkapitel "Bewusstsein und Seele" geht auf die jeweiligen Merkmale beider Begriffe ein. Welche Rolle Verschränkungen bei Psi-Vorgängen spielen, ist in diesem dritten und letzten Kapitel in Experimentbeschreibungen festgehalten. Kurz und kritisch geht Ewald auch auf die "Niemz'sche Seelenflugtheorie" des Heidelberger Professors für Medizintechnik, Markolf Niemz, ein. In drei Büchern, darunter "Lucy im Licht. Dem Jenseits auf der Spur" stellt Niemz auf unterhaltsame Weise mit physikalischen und philosophischen Argumenten eine interessante Theorie über das Weiterleben nach dem Tod in einem Jenseits vor, auch unter Einbeziehung von Nahtoderlebnissen. Hier weist Ewald auf Ungereimtheiten bestimmter Aussagen dieser Seelenflugtheorie hin.
Erst in diesem dritten Buchabschnitt kommt Günter Ewald auf die unsterbliche Seele aus theologischer Sicht sowie den christlichen Auferstehungsglauben ausführlicher zu sprechen. Zuvor holt er noch weiter aus in länger zurückliegende Zeitalter, indem er von steinzeitlichen Höhlenmalereien über religiöse Vorstellungen der alten Ägypter zu christlichen Gedanken von einer unsterblichen Seele gelangt. Außerdem stellt der Autor Überlegungen an, wie das tatsächliche Jenseits aussehen könnte. Für ihn stellen Nahtoderlebnisse sozusagen einen "Blick durch das Schlüsselloch" ins Jenseits dar. Wie aber gestaltet sich der "Alltag" im Jenseits? An "Engelchen auf Wölkchen" mag Ewald nicht so recht glauben. Dieses letzte Geheimnis wird zu Lebzeiten niemand lüften können. Er spekuliert ein wenig darüber, ob das, was auf Erden oft so ungerecht oder brutal erscheint, dort drüben nicht doch seine Erfüllung oder positive Vollendung erfährt. Was geschieht mit Kindern, die bereits während ihrer Geburt starben oder in jungen Jahren tödlich verunglückten, was mit einst Ermordeten oder Verhungerten? Hatte ihr Schicksal vielleicht doch eine Bedeutung für hier Weiterlebende? Erhält ihr auf Erden ungelebtes Leben auf der anderen Seite so etwas wie Heilung? Oder setzen sie es auf andere Art fort? Muss wirklich jeder Verstorbene über sein Leben Rechenschaft ablegen, sich gar einem Strafgericht stellen? Diese Fragen kann dieses Buch nicht beantworten, genauso wenig, wie es spätere Bücher zu diesem Themengebiet können werden. Trotz seines christlichen Glaubens lässt Ewald diese Glaubensvorstellungen als solche stehen und als unbeweisbar offen. In seinem Schlusssatz verweist er dagegen auf die im Christentum wesentliche unbeschreibbare Liebe als essenziellen Bestandteil der christlichen Auferstehungshoffnung. Diese regelmäßig aus Nahtoderlebnissen zitierte in menschlichen Worten nur unzureichend beschreibbare Liebe findet sich letztendlich in allen dieser Berichte, egal welcher Religion beziehungsweise Glaubensrichtung die Menschen angehörten.
Beurteilung
In seinem Buch behandelt der Autor die Frage nach dem Vorhandensein einer unsterblichen Seele anhand von Nahtoderlebnissen sowie aus überwiegend naturwissenschaftlicher und philosophischer Sicht. Erst im letzten Kapitel nimmt er ausführlicher religiöse Positionen ein. Dabei konzentriert er sich fast ausschließlich auf das Christentum. Esoterische Theorien bleiben außen vor.
Insgesamt vergebe ich an dieses Buch 4 Sterne (von 5 möglichen) und empfehle es ausdrücklich allen Interessenten, die sich über ernst zu nehmende Forschungen und Erkenntnisse zur möglichen Existenz einer Seele, die unsterblich ist, informieren möchten. Das Buch "Auf den Spuren der Nahtoderfahrungen" ist auch für Laien gut verständlich und unterhaltsam geschrieben. Dabei hält sich das Buch an wissenschaftliche Fakten und bedient eindeutig nicht den esoterischen Sektor. Gern hätte ich mir mehr als lediglich 162 Seiten zu diesem Thema gewünscht. Wer wiederum eher dicke Wälzer scheut, erhält bereits aus diesem Buch eine Fülle von packenden Informationen. Außerdem hätte ich es begrüßt, wenn neben der christlichen Religion weitere Inhalte aus anderen Religionen Berücksichtigung gefunden hätten.
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Das Buch "Auf den Spuren der Nahtoderfahrungen" von Dr. Günter Ewald ist im Butzon Becker Verlag erschienen, der mir freundlicherweise ein kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat. Die Vermittlung lief über das Portal BloggdeinBuch.de, wo ich mich um das Buch beworben hatte.