Bulgarien: Die Ghettos von Plovdiv

Stoliponovo ist mit seinen 50-Tausend Einwohnern eine tickende Zeitbombe in Südosteuropa.

Nadja trinkt einen Kaffee in der Wiener Innenstadt. Nadja kommt als Plovdiv, der zweit größten Stadt Bulgariens. In Plovdiv hat sie noch nie in der Innenstadt Kaffee getrunken. Nadja ist Romni und ist somit Vertreterin, der zweit größten Minderheit Bulgariens, die geschätzte sieben Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht.. Roma in Bulgarien bleiben unter sich, in den Zentren der Städte sind sie nicht gern gesehen und man sieht sie auch kaum.Die Stadt Plovdiv, die gerne mit ihrer ethnischen Vielfalt der Einwohner um Touristen wirbt, gibt sich gerne von ihrer europäischen Seite. Im Zentrum reihen sich Cafés mit eleganten Bastsesseln aneinander, untertags trinkt man Cafe Latte, abends Cocktails. Touristen genießen das mediterrane Flair, flanieren in den malerischen Gassen der Altstadt oder genießen die Aussicht vom römischen Amphitheater. Von dem anderen Plovdiv, das sich ein paar Kilometer stadtauswärts befindet, bekommen sie wenig bis gar nichts mit. Es ist das Plovdiv der Roma-Ghettos, der Blockbauten, der fehlenden Kanalisation und einer Arbeitslosenrate zwischen 80 und 90 Prozent.StolipinovoMan tut sich schwer, besonders als Ausländer, einen Taxilenker zu finden, der einwilligt, die Fahrt nach Stolipinovo auf sich zunehmen. Stolipinovo, mit seinen rund 50.000 Einwohnern das größte Roma-Ghetto Bulgariens, gilt bedingt durch die mit der hohen Arbeitslosenrate einhergehende Kriminalität als tickende Zeitbombe. Das nur eine 20-minütige Autofahrt entfernte Zentrum Plovdivs scheint, befindet man sich erst mitten in Stolipinovo, auf einem anderen Kontinenten zu liegen. Fremden begegnet man hier mit Misstrauen. Desolate Wohnblocks, auf den Straßen verrottender Abfall und verwahrloste im Schmutz spielende Kinder als Ausdruck einer erfolglosen Sozial- und Integrationspolitik. Die NGOs und die Roma-Organisation klagen über unzureichende Unterstützung von staatlicher Seite und mangelnder Kooperationsbereitschaft.

Haci Hassan Mahalle @Heimo.Eberhard

Nadja wurde in Stoliponovo geboren und ihre 5-köpfige Familie lebt noch immer in der Zwei-Zimmerwohnung. Einen Job in Plovdiv oder generell in Bulgarien hatte Nadja nie gefunden. Mit einer Wohnadresse in Stoliponovo kombiniert mit einem dunklen Teint, ist man am bulgarischen Job- Markt chancenlos. Viele Roma spenden daher regelmäßig Blut für einen Geldbetrag. Andere schlittern in die Kriminalität oder in die Prostitution. Einige wenige Roma-Frauen reinigen im Auftrag der Stadtverwaltung die Straßen der Innenstadt.In Seker Mahalle, dem zweiten Ghetto der Stadt, sind die Situation und das Bild. das sich einem bietet, ähnlich. Lediglich in dem - aus wenigen Gassen bestehenden - Viertel namens Haci Hassan Mahalle ist die Situation etwas besser. Die dort ansässigen Roma-Familien gelten als einigermaßen
Lediglich in dem - aus wenigen Gassen bestehenden - Viertel namens Haci Hassan Mahalle ist die Situation etwas besser. Die dort ansässigen Roma-Familien gelten als einigermaßen integriert, dennoch meiden Bulgaren auch dieses Viertel. Fremde ernten auch in den Gassen dieses Viertels misstrauische Blicke.

Roma Brass-Band @Heimo.Eberhard

Goran Bregovic: Champagne for Gypsies

Champagne for Gypsies

Balkan Brass Battle

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Go West - Von Stoliponovo nach Wien

Vor eingen Monaten hatte sich Nadja entschlossen, Plovdiv zu verlassen, gemeinsam mit einer Freundin hat sie den Bus nach Wien genommen. In Wien stellt sich Nadja als türkische Bulgarin vor, Nadjas Muttersprache ist, wie die der meisten bulgarischen Roma, Türkisch.Das Stigma eine Romni zu sein, ist in Wien von ihr abgefallen. Zwei Wochen nach ihrer Ankunft hat sie einen Job als Küchenkraft in einem türkischen Restaurant gefunden. Ohne Anstellung und zehn Stunden jeden Tag für 35 Euro. In der Plovdiver Innenstadt erzählt ein Reisführer Touristen über die wechselvolle Geschichte der Stadt und über das friedvolle Zusammenleben von Bulgaren, Griechen, Juden und Türken in Plovdiv. Roma erwähnt er in diesem Zusammenhang nicht. Ein Eisverkäufer verscheucht ein bettelndes Roma-Kind mit einem Fußtritt. Und Nadja schneidet Zwiebeln in Wien und ist beinahe glücklich.