Chancengleichheit für alle?
Möglichkeiten für Menschen mit Behinderungen auf dem ArbeitsmarktDabei zeichnen Vielfalt und Individualität eine Gesellschaft aus. Neben Religion, Kultur und Herkunft gehört auch Behinderung dazu. Deshalb sollte es behinderten Menschen ermöglicht werden, sich in den Alltag zu integrieren. Dazu gehört das aktive Lernen, das die Grundlage für selbstständiges Arbeiten bildet.
Arbeit bedeutet eine geplante und bewusste Tätigkeit, die als Fortsetzung eines lebenslangen Bildungsprozesses angesehen wird und von jedem erst erlernt werden muss. Menschen mit einer geistigen Behinderung benötigen mehr Zeit und Betreuung, um Arbeit zu erlernen. Das heißt aber nicht, dass sie nicht in der Lage sind, zu lernen.
Eine Möglichkeit für Menschen mit Behinderung Arbeit zu erlernen und auf den Arbeitsmarkt vorbereitet zu werden, ist die WfB (Werkstatt für behinderte Menschen). Sie ermöglicht ihnen eine sinnvolle Beschäftigung und sich durch eine eigene Arbeitsleistung in die Gesellschaft zu integrieren.
1. Werkstatt für behinderte Menschen – Hintergrundinformationen
Die WfB unterstützt behinderte Menschen, einen ersten Schritt in die Arbeitswelt zu machen. Ihre Aufgabe ist es, die Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu entwickeln oder zu erhöhen – je nach Grad der Behinderung. Dadurch soll gleichzeitig auch eine Persönlichkeitsentwicklung ermöglicht werden. Den Behinderten wird weiterhin ein Arbeitsentgelt gezahlt. Die Werkstatt soll den geeigneten Personen einen Übergang zum allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglichen.
In Deutschland gibt es mittlerweile gut 700 Werkstätten. Im Eingangsverfahren bekommt der Teilnehmer einen ersten Einblick in die Werkstatt. Dabei soll ermittelt werden, ob sich die Einrichtung für die Teilnahme eignet. Die Ergebnisse werden in einem Eingliederungsplan festgehalten, der die Kompetenzen und Ziele des behinderten Menschen enthält. Nach dem Eingangsverfahren, das drei Monate dauert, folgt der Berufsbildungsbereich, der maximal zwei Jahre lang geht. Nach dem ersten Jahr wird ein Bericht erstellt und zusammen mit einem Fachausschuss entschieden, ob die Leistungsfähigkeit des Behinderten weiter gefördert werden kann. Wenn das entschieden ist, wird das zweite Jahr bewilligt.
Der Berufsbildungsbereich besteht aus einem Grund- und einem Aufbaukurs. In dieser Zeit sollen verschiedene Fertigkeiten vermittelt, das Sozial- und Arbeitsverhalten gefördert und das Selbstwertgefühl gesteigert werden. Im Berufsbildungsbereich lernen die Behinderten, sich selbst realistisch einzuschätzen und sie sollen motiviert werden, individuelle Fähigkeiten anzustreben. Dazu gehören auch lebenspraktische Fähigkeiten, also das Erlernen von sozialen Normen, Körperpflege, Kleidung, Verkehrserziehung und der Umgang mit Geld.
Der Arbeitsbereich konzentriert sich auf die Abwicklung der Produktionsaufträge und das Erbringen der Dienstleistungen. Zusätzlich müssen die Werkstätten über begleitende Dienste verfügen, um die pädagogische, soziale, medizinische und psychologische Betreuung der Behinderten zu gewährleisten.
Auch wenn der Hauptauftrag der WfB im sozialen Bereich liegt, sind die einzelnen Produktionsbereiche nach betriebswirtschaftlichen Regeln aufgebaut und sollen wirtschaftliche Arbeitsergebnisse erzielen, damit den Beschäftigten im Arbeitsbereich ein Arbeitsentgelt gezahlt werden kann. Dadurch werden die Sozialleistungsträger entlastet. Ziel war es von Anfang an, ein möglichst breites Angebot an Arbeitsbereichen zu schaffen, wodurch die Werkstätten heute in vielen Industrie-, Handel- und Dienstleistungsbereichen integriert sind.
Die Aufgaben in den Werkstätten stützen sich auf drei Säulen: Auftragsarbeiten, Eigenproduktion und Dienstleistungen. Darunter fällt zum Beispiel Montagearbeiten für Betriebe aus Industrie, Handwerk und Handel. Einige Werkstätten haben eine beträchtliche Eigenproduktion aufgebaut. Sie stellen Holzspielzeug, kunstgewerbliche Gegenstände, Textilien oder Gartenmöbel her. Die Behinderten lernen den verantwortungsbewussten Umgang mit Werkzeug, wie zum Beispiel mit Bohrern oder Sägen und lernen die Arbeit mit verschiedenen Materialien kennen.
2. Arbeitsbereiche in der WfB
Der Arbeitsbereich ist eine Möglichkeit für Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelt werden können. Er hat die Aufgabe, berufsfördernde Maßnahmen des Arbeitstrainings weiter auszuführen, um Fähigkeiten zu erhalten und weiterzuentwickeln. Die Arbeitsplätze und Arbeitsabläufe sind auf die Bedürfnisse der Behinderten ausgerichtet. Der Arbeitsbereich dient zum einen der Produktion und Wirtschaftlichkeit, zum anderen der Weiterentwicklung der Persönlichkeit sowie der Förderung der Leistungsfähigkeit.
2.1. Fachbereich Holz
In diesem Tätigkeitsbereich stellen die behinderten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen handwerkliche Gegenstände her. Auch Serienanfertigung für die Industrie und Einzelauftragsarbeiten gehören zum Arbeitsalltag. Es gibt eine hauseigene Tischlerei, die genügend Maschinen hat, um zum Beispiel Puppenwagen oder Nistkästen zu bauen. Die Behinderten erwerben Arbeitstechniken in verschiedenen Modulen. Im Modul "Prüfen, Messen, Lehren" lernen die Behinderten zum Beispiel Zahlen zu lesen, Maßstäbe zu erkennen, Skizzen anzufertigen und eine Zeichnung zu verstehen. Im zweiten Modul "Manuelle Bearbeitung" und "Maschinelle Bearbeitung" wird ihnen das Hobeln, Schleifen, Sägen und Feilen beigebracht. Drittens lernen sie, wie man Teile verbindet, durch Nageln, Schrauben, Leimen und Dübeln. Ein weiteres Modul enthält die Behandlung von Oberflächen mithilfe von Firnissen, Lackieren, Beizen und Lasieren.
Durch diese Angebote kann ein individuelles Ausbildungsprofil erstellt werden, das unterschiedliche Niveaustufen beinhaltet.
2.2. Fachbereich Montage und Verpackung
Zu diesem Fachbereich gehört Bestücken, Kabelarbeiten, Elektromontage, Papierbearbeitung, Presse, Nieten und Konfektionieren. Hinzu kommen Aufgaben wie Sortieren und Zählen. Die Hauptauftraggeber für die angefertigten Produkte sind meistens ortsansässige Industrieunternehmen. Des Weiteren gibt es eine Gruppe, die für einen kleinen Teil der eigenen Hausreinigung verantwortlich ist.
2.3. Fachbereich Metall
Im Fachbereich Metall werden in erster Linie industrielle Serienproduktionen angefertigt. In der Metallwerkstatt stehen Maschinen, die verschiedene Arten der Metallbearbeitung ermöglichen.
Das Angebot beinhaltet Dienstleistungen wie Bohren, Drehen, Fräsen, Gewindeschneiden, Senken und Sägen. Die Behinderten können die maschinelle Arbeit auch per Hand ausführen.
Ziel des Unterrichts ist das Erlernen eines möglichst selbstständigen Umgang mit dem notwendigen Material und den Werkzeugen. Auch das theoretische Wissen, wie zum Beispiel Ursprung und Entstehung von Metall wird vermittelt.
2.4. Fachbereich Garten und Landschaftsbau
Das Aufgabengebiet umfasst zum Beispiel die Gestaltung von Gärten und Grünanlagen, Pflanzenkläranlagen, Baumpflege, Dachbegrünung sowie die Pflege von Privat- und Gewerbeflächen.
Auf einer Fläche werden Zierpflanzen und Stauden für Großabnehmer und Einzelkunden unter Glas angebaut. Das Zierpflanzensortiment umfasst Beet-, Balkon- und Topfpflanzen. Auch Küchen- und Heilkräuter werden angepflanzt. Im Frühjahr und Herbst finden besondere Verkaufsaktionen statt.
2.5. Bereich Hauswirtschaft
In diesem Tätigkeitsbereich gibt es eine Großküche, in der das Essen zubereitet wird. Das Essen wird zum einen für die Eigenverpflichtung benötigt, kann aber auch an andere Einrichtungen ausgeliefert werden, wie zum Beispiel an Kindergärten.
3. Chancenerweiterung für Menschen mit Behinderung
Wenn bei einem jungen Menschen eine geistige Behinderung erkannt wird, besteht für ihn die Möglichkeit, verschiedene Bildungsmaßnahmen wahrzunehmen und auch eine Berufsausbildung abzuschließen. Leider sind die Angebote häufig nicht ausreichend und differenziert genug, um den individuellen Einschränkungen zu entsprechen. Deshalb haben junge Menschen mit Behinderung meistens nur die Möglichkeit, einen Arbeitsplatz in der WfB zu bekommen. Bis sie dort angekommen sind, haben viele Jugendliche schon eine Menge an Einrichtungen durchlaufen, mussten immer wieder ihr Umfeld wechseln und sich neue Bezugspersonen suchen.
Das führt bei vielen zu Frustration und Demotivation, wenn sie bei der WfB anfangen. Es dauert eine Weile, um Verhaltensstörungen bei den Schülern abzubauen und ihnen zu ermöglichen am Arbeitsleben in der Gruppe teilzunehmen. Oft müssen erst negative Erfahrungen ausgeglichen werden und das Selbstbewusstsein wieder gestärkt werden, um eine Motivation für die verschiedenen Arbeitsbereiche zu schaffen.
Unabhängig von der Herkunft, dem Vermögensverhältnis und den körperlichen Voraussetzungen sollte jeder junge Mensch so gefördert werden, wie er es sich wünscht. Dafür muss Chancengleichheit auf allen Ebenen des Bildungssystems verwirklicht werden, damit nicht nur eine glückliche Auswahl von ihr profitiert. Die WfB bietet eine Erweiterung der quantitativen Bildungsmöglichkeiten, eröffnet Wahlalternativen zwischen verschiedenen Berufsfeldern und Bildungsstufen. Es gibt Aufstiegsmöglichkeiten für die Schüler und generell besteht genügend Zeit für eine grundlegende Qualifizierung in einem ausgewählten Berufsfeld.
Bildquelle:
von Loeper Literaturverlag, Karlsruhe
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von Loeper Literaturverlag, Karlsruhe
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