Das Auge hört mit
Das Musizieren auf historischen Instrumenten ist nichts ungewöhnliches mehr. Eigenartigerweise werden aber Opern auch dann in einer modernen Weise inszeniert und ausgestattet, wenn im Orchestergraben historische Instrumente spielen.Bild: Paul-Georg Meister, www.pixelio.de
Das Musizieren auf historischen Instrumenten - auf Instrumenten derjenigen Epoche, aus der die Musik stammt - ist nichts ungewöhnliches mehr. Der Zuspruch des Publikums hat diejenigen zum Verstummen gebracht, die früher behaupteten, wir könnten alte Musik nur verstehen, wenn sie auf Instrumenten unserer Zeit gespielt wird. Eigenartigerweise werden aber Opern auch dann in einer modernen Weise inszeniert und ausgestattet, wenn im Orchestergraben historische Instrumente spielen. Ein seltsamer Widerspruch, der von Kritikern seltsam widerspruchslos hingenommen wird. Gegner dieser Anachronismen werden - ganz so, wie es auf historischen Instrumenten spielenden Musikern noch vor drei oder vier Jahrzehnten erging - als Ewiggestrige, als Sittenwächter einer toten historischen Musealität diffamiert. Daß historische Instrumente an Opernhäusern seltener zu hören sind als im sonstigen Konzertleben, und daß die meisten Sänger, selbst wenn sie von historischen Instrumenten begleitet werden, in moderner Weise mit viel Vibrato singen, ist ein anderes Problem, auf das hier nicht weiter eingegangen werden kann.
Ich spreche bewußt von "historischen", nicht von "historisierenden" Operninszenierungen. Der Begriff der "historischen Aufführungspraxis" ist bekanntlich umstritten, da Menschen von heute nicht "historisch" spielen könnten. Spricht man jedoch von "historisierender" Aufführungspraxis, so hat das "-isieren" nicht nur einen süffisanten Beigeschmack, sondern es könnte allzuleicht bedeuten: wir tun nur ein bißchen so, als ob; wir informieren uns ("historisch informiert" ist auch so ein Begriff), aber was uns nicht gefällt, das übernehmen wir nicht. Eine "historisierende" Aufführungspraxis könnte denn auch das Spielen auf modernen Instrumenten sein, wenn man versucht, die Spielweise der alten zu imitieren. Aus diesen Gründen bleibe ich beim Begriff der "historischen" Aufführungspraxis, der uns stets daran erinnern soll, daß wir uns an einem historischen Ideal zu orientieren haben, wenn auch im Bewußtsein, daß die endgültige Wahrheit in vielen Punkten Spekulation bleiben muß.
Betrachten wir nun die Argumente derjenigen, die sich für moderne Inszenierungen älterer Opern aussprechen:
- "Theater muß für ein heutiges Publikum mit den Mitteln der heutigen Zeit gemacht werden."
Dieser Satz verwendet zwei höchst unscharfe Begriffe: das heutige Publikum und die Mittel der heutigen Zeit. Gibt es überhaupt repräsentative Befragungen, was "das" Publikum sehen will? Tatsache ist doch, daß moderne Inszenierungen zwar von Kritikern gelobt werden, zahlreichen Zuschauern jedoch mißfallen - Leserbriefe und Gespräche im Bekanntenkreis belegen es empirisch. "Ich gehe nicht mehr in die Oper, weil mich die modernen Inszenierungen stören" ist eine häufig gemachte Aussage, die all jenen zu denken geben sollte, die mit den Besucherzahlen nicht zufrieden sind. Bei einer Befragung von Musiktheaterpublikum (Behr 1983) gaben jedenfalls 76 % an, daß ihnen das Bühnenbild wichtig sei (vgl. Claudia Bullerjahn: Grundlagen der Wirkung von Filmmusik = Forum Musikpädagogik 43, Augsburg 2001, S. 33). Und die Mittel der heutigen Zeit? Unsere Informationsgesellschaft zeichnet ja gerade aus, daß sie auf eine längere Vergangenheit zurückblicken kann als jede Zeit vor ihr, und daß sie dank jahrzehntelanger Forschungen mehr über die Vergangenheit weiß als jede Zeit vor ihr. Wir haben die große Auswahl. Und was sollte jemanden daran hindern, die heutigen Kenntnisse einzusetzen, um Opern nach Art ihrer Entstehungszeit wiedererstehen zu lassen?
- "Eine historische Inszenierung würde vom heutigen Publikum nicht verstanden werden."
Dieses Vorurteil verkennt, daß alle Kunstwerke zeitlose Wahrheiten enthalten, und daß die in einer Oper dargestellten Gefühle und Affekte, sei es Liebe, Haß, Eifersucht, Furcht, Mut oder was auch immer, selbstverständlich dem heutigen Menschen ebenso zu eigen sind wie den Menschen damals. Im Gegenteil erzeugen moderne Inszenierungen Verständnisprobleme; etwa wenn das Bühnenbild nicht den vorgesehenen Ort zeigt, wenn Personen auf der Bühne sind, die in der entsprechenden Szene nichts zu suchen haben, wenn die Sänger durch stumme Darsteller "verdoppelt" werden, wenn der Chor oder ein Solist in ein und derselben Szene verschiedene Rollen übernimmt. Alle diese Inszenierungsfehler finden sich beispielsweise auf einer DVD mit Jean-Philippe Rameaus Oper "Zoroastre" (Les Talens Lyriques, Drottningholm Theatre Orchestra and Chorus, Drottningholm Theatre Dancers (OA 0973 D), 2007. Vgl. meine Rezension in Concerto 219 (2008), S. 51f.)
- "Historische Inszenierungen sind langweilig."
Hier müssen wir zunächst zweierlei unterscheiden: die Ausstattung (Bühnenbild und Kostüme) sowie die Personenregie. Bei der Ausstattung trifft das Gegenteil zu. Ist es nicht langweiliger, auf der Bühne die gleichen Kleider und Anzüge zu sehen wie im Alltag auf der Straße als die prächtigen Opernkostüme des 17., 18. oder 19. Jahrhunderts? Sind nicht die meisten modernen Bühnenbilder in ihrer Schlichtheit und Leere langweiliger als die illusionistischen Naturszenen oder Paläste barocker Bühnen? Über die Personenregie vergangener Zeiten wissen wir wenig. Gewiß gibt es Lehrbücher zur Gestik und Physiognomik. Daraus zu schließen, eine Sänger wäre eine ganze Arie lang in einer bestimmten Haltung dagestanden, ist jedoch falsch. Dazu eine Passage aus dem 1755 erschienenen Gesangslehrbuch "L'Art du Chant" von Jean-Antoine Bérard (S. 148f, Übers. K. M.): "Wenn Herkules, zum Opfer der eifersüchtigen Rache Dejanirens geworden, singend seinen Zorn und seine Schmerzen ausdrückt, wie hart und abgehackt muß der Klang seiner Stimme sein, wie drohend seine Augenbrauen, wie müssen seine Augen glitzern, damit man seine Wut gegen Dejaniren darin lese, seine Leidenschaft für Iole, und die entsetzlichen Schmerzen, welche die geheimen Flammen verursachen, die ihn verzehren; wie wild und schrecklich der Ausdruck seines Gesichtes, wie männlich und heftig die Bewegungen seiner Glieder; kurz, seine ganze Person stelle den erstaunten Augen den wütenden Alkides [= Herkules] vor." Langweilig?
Ein unpassender Aktionismus dagegen, oder Bewegungen, die der Musicalbühne oder der Taubstummensprache abgesehen sind (wie in der Basler Inszenierung von Rameaus "Les Paladins" oder der oben genannten DVD), lenken von der Musik ab. Man vergesse nicht, daß Oper auch Musik ist! Musik, die man im Konzert sogar ohne darstellerische Aktion genießen könnte. Gute Musik kommt letztlich auch mit sparsamer Gestik aus. Der gelungenste Moment jener Aufführung von "Les Paladins" war das letzte Duett der beiden Hauptfiguren, als sie einander nur gegenüberstanden, und als für ein einziges Mal kein bunter und anachronistischer Unsinn von der Musik ablenkte.
- "Der mit virtuellen Computerwelten vertraute und mit Historienfilmen verwöhnte Mensch ist nicht mehr so leicht mit den unvollkommenen Mitteln der Bühnentechnik in den Bann zu ziehen."
Die Konsequenz, die daraus gezogen wird, ist freilich absurd: Anstatt das Bühnengeschehen mit modernsten Mitteln möglichst naturgetreu darzustellen, weicht die abstrahierende Ästhetik der meisten modernen Inszenierungen noch mehr von einer realistischen Darstellung ab als die Bühnenbilder vergangener Zeit! Außerdem zeigt die Erfahrung, daß das "Live"-Erlebnis der hier und jetzt ablaufenden Handlung unvermeidliche Unvollkommenheiten der Kulissen und der Darstellung z.B. von Naturerscheinungen teilweise auszugleichen vermag.
- "Im 18. Jahrhundert spielte man auch mit den Kostümen der eigenen Zeit."
Das trifft nur teilweise zu. Tatsächlich bevorzugte man bis um die Mitte des 18. Jahrhunderts - die meisten Opern spielten in der Antike oder im Mittelalter - eine Mischung aus zeitgenössischen und historischen Elementen. Auf jeden Fall waren die Kostüme prächtiger als die zeitgenössischen Alltagskostüme. Niemals hätte man den Darsteller eines antiken Helden oder eines Königs so bekleidet, daß er sich kaum vom Publikum vor der Bühne unterschied, wie dies heute so oft der Fall ist. Ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bemühte man sich dann zunehmend um Kostüme und Bühnenbild, die den historischen Gegebenheiten der Handlung Rechnung tragen.
- "Historische Inszenierungen lassen sich nicht rekonstruieren."
Während uns zahlreiche Entwürfe und Darstellungen historischer Bühnenbilder und Kostüme überliefert sind, gibt es historische Inszenierungen als überlieferte "Werke" in der Tat nicht. Allerdings gibt es zeitgenössische Traktate für Schauspieler mit Anweisungen zur Mimik und Gestik sowie Bilder, auf denen Momente bestimmter Aufführungen festgehalten sind, so daß sich durchaus eine Inszenierung nach den ästhetischen Regeln der Zeit erstellen läßt.
Diesen kommentierten Argumenten des modernen Regietheaters möchte ich nun folgende Argumente für werkgerechte Inszenierungen gegenüberstellen:
1. Historische Wahrheit: Kunst ist nur im Kontext ihrer Zeit erklär- und verstehbar.
Jedes Kunstwerk ist ein Produkt seiner Zeit und muß als solches respektiert werden. Aus der Vergangenheit lernen - und "lernen" ist hier im umfassendsten Sinn zu verstehen - kann man nur, wenn man sie nicht verfälscht.
Das Interesse an der Vergangenheit scheint indes neu zu erwachen. Da ist zum einen die musikalische historische Aufführungspraxis, zum anderen hat das Fernsehen eine neue Sendeform entdeckt: Zuschauer können sich bewerben, eine Zeitlang wie in der Vergangenheit zu leben. Es begann mit "Leben im Schwarzwaldhaus um 1900", gefolgt von "Leben im Gutshaus um 1900", und als nächstes sollte ein Sprung weit zurück ins Mittelalter gemacht werden (es scheint aber beim Plan geblieben zu sein). Diese Sendungen können für Beteiligte wie für Zuschauer lehrreich sein, denn im Vergleich mit der Vergangenheit können wir die Gegenwart besser verstehen und beurteilen. Vielleicht wird diese neue Entwicklung auch dazu führen, daß man sich an den Opernhäusern wieder mehr der Vergangenheit öffnet, daß man nicht mehr glaubt, sich für die Aufführung alter Musik dadurch entschuldigen zu müssen, daß man sie in das optische Gewand unserer Zeit kleidet.
Es geht wohlgemerkt nicht darum, die Gegenwart aus den Opernhäusern zu verdammen. Die Oper hat eine über 400jährige Geschichte; ein reicher Vorrat, aus dem wir schöpfen können. Auch die zeitgenössische Oper hat dabei ihren Platz und kann - soweit das im Sinne der jeweiligen Komponisten und Librettisten ist - zum Experimentierfeld für Regisseure, Bühnen- und Kostümbildner werden. Bei der Inszenierung älterer Opern hingegen hat deren Ego gegenüber dem Dienst am Werk und an einer vergangenen - aber deshalb noch lange nicht überholten - Kunstästhetik zurückzutreten. Der Verdacht drängt sich auf, die Regisseure und Kostümbildner mißbrauchten ältere Werke deshalb, weil sie mit zeitgenössischen kein großes Publikum erreichen können (zugleich ein Armutszeugnis für heutige Dichter und Komponisten).
2. Oper als Gesamtkunstwerk:
Mögen auch verschiedene Personen für Musik, Text, Ausstattung und Regie verantwortlich zeichnen - eine Oper soll als stimmiges Gesamtkunstwerk erlebt werden, das eine soll das andere ergänzen und in seiner Wirkung verstärken. Wenn man beispielsweise die Opernkritiken im "Mercure de France" des vorrevolutionären Frankreich liest, wird man feststellen, daß der Ausstattung einer Oper große Bedeutung beigemessen wird. Ein vor allem in französischen Opern wichtiges Element ist der Tanz. Er steht in besonderer Wechselwirkung mit der Musik, und daher ist es absurd, ältere Musik mit einer Tanzästhetik des 21. Jahrhunderts zu verbinden, wie es so oft geschieht.
3. Oper soll die Zuschauer rühren:
Vor dem 20. Jahrhundert war es Ziel der Künstler, insbesondere der Komponisten, Menschen zu rühren und dadurch zu bessern. Oper kann aber nur dann wirklich rühren, wenn alles an ihr zusammenarbeitet, wenn der Zuschauer in eine andere Welt versetzt wird und sich mit dem Geschehen auf der Bühne identifizieren kann. Wohlgemerkt: nicht als Mensch des 21. Jahrhunderts, sondern als Mensch an sich. Moderne Kostüme und Bühnenbilder zu einer alten Musik schaffen einen Anachronismus, der das Bühnengeschehen verfremdet; diese Verfremdung wird als falsch erkannt und erschwert oder verhindert die Rührung. Verfremdung ist freilich seit Brecht Ziel jedes "modern" denkenden Regisseurs. Das Ziel älterer Werke war aber die Illusion, nicht die Verfremdung, die deshalb modernen Bühnenwerken vorbehalten bleiben sollte. Es wäre im übrigen ein Irrtum, wenn ein Regisseur glaubte, daß etwa Händels "Julius Caesar" als Adolf Hitler oder George Bush verkleidet das Publikum dazu bringe, seine, des Regisseurs, Weltsicht anzunehmen.
4. Recht und Moral:
§ 14 des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland lautet:
"Der Urheber hat das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden."
Dieses Recht kann, wie alle Urheberrechte, noch bis zu 70 Jahre nach dem Tode des Urhebers auch von dessen Erben wahrgenommen werden. Urheber, die vor mehr als 70 Jahren verstorben sind, sind juristisch rechtlos - aber auch moralisch? Das Gesetz macht diese Einschränkung deshalb, weil man davon ausgeht, daß nach 70 Jahren niemand mehr am Leben ist, der aus eigener Erinnerung und Bekanntschaft mit dem Komponisten dessen Interessen glaubwürdig vertreten kann. Vor allem aber erspart sich die Rechtsprechung damit eine Menge Arbeit. Man stelle sich vor, jede Aufführung oder Einspielung in anachronistischer Aufführungspraxis würde eine Klage nach sich ziehen! Daß aber solch ein Gesetz überhaupt existiert, zeigt, daß nach allgemeiner Auffassung das Recht des Urhebers auf adäquate Wiedergabe seiner Werke im Prinzip besteht. Wo aber das Gesetz aus reinen Praktikabilitätsgründen nicht mehr greift - sollte da nicht zumindest der moralische Anspruch weiterbestehen? Wer von geistigen Schöpfungen profitiert, der sollte ihre Urheber auch mit Respekt und Fairneß behandeln.
Nun ließe sich einwenden, daß sich dies nur auf Musik und Libretto einer Oper beziehen könne, da ja die anderen Elemente nicht im eigentlichen Sinne entstellt, sondern einfach durch moderne Entsprechungen ersetzt werden. Jedoch bezieht die Oper ihr Wesen ja aus dem Zusammenwirken der verschiedenen Künste - wäre dies nicht von Bedeutung, dann könnte man auf die Oper vollständig verzichten und sich auf Musik ohne Theater und auf Theater ohne Musik beschränken. Der Komponist hat seine Musik im Bewußtsein jener Wechselwirkung geschaffen. Häufig hat sogar der Komponist selbst die Rolle des Regisseurs übernommen. So berichtet Jean Laurent Lecerf de La Viéville über Jean-Baptiste Lully:
"Lully verstand es ebenso perfekt, eine Oper aufführen zu lassen und ihre Darsteller zu lenken wie eine Oper zu komponieren. Sobald ihm ein Sänger oder eine Sängerin, mit deren Stimme er zufrieden war, in die Hände fiel, bemühte er sich mit erstaunlicher Leidenschaft, sie anzuleiten. Er höchstpersönlich lehrte sie aufzutreten, auf der Bühne zu gehen, die Anmut der Gestik und der Darstellung zu erwerben." (Comparaison de la musique italienne et de la musique française, 3 Bde., Bruxelles 1704-06, Ndr. Gnève 1972, II, S. 225. Übers. K.M.)
Noch im 19. Jahrhundert galt: "Das Geschäft der Mise en scène [...] bedingt [...] nicht nur die vor allem erforderliche Einsicht in das Wesen des dichterischen Werkes und die vollkommenste Kenntnis der Kunst des Schauspielers, sondern auch die Kunst des Maschinisten muß begriffen sein [...], ferner soll man dabei für das Malerische ein fein gebildetes Auge voraussetzen können, um in der Zusammenstellung der Dekorationen nicht [...] die Linien sich durchkreuzen und brechen zu lassen, Schatten und Licht so zu verwischen, daß jede Täuschung aufgehoben wird, [...] eben dieses ausgebildete Gefühl für das Malerische darf auch bei der Anordnung der Kostüme nicht fehlen. Die Wissenschaft von den Kostümen überhaupt sowie der verschiedenen Baustile muß ebenfalls vorhanden sein, um Anachronismen zu vermeiden." (K. Herloßohn et al. (Hg.): Allgemeines Theaterlexikon oder Encyclopädie alles Wissenswerten für Bühnenkünstler, Dilettanten und Theaterfreunde, Neue Ausg., Altenburg u. Leipzig 1846, Bd. 3, S 308. Zit. n. Erika Fischer-Lichte: Inszenierung und Theatralität; in: Herbert Willems u. Martin Jurga (Hg.): Inszenierungsgesellschaft. Ein einführendes Handbuch, Opladen u. Wiesbaden 1998, S. 81-90, dort S. 83.)
Es gibt also keinen vernünftigen Grund, warum ältere Bühnenwerke weiterhin mit den Mitteln des modernen Regietheaters inszeniert werden sollten. Diese Praxis geht gegen die Interessen und moralischen Rechte der Urheber, gegen die Interessen der Mehrheit des Publikums, gegen die Interessen der Theater, denen die Regisseure einen Teil der potentiellen Zuschauer vergraulen, gegen die Interessen aller Steuerzahler, weil die geringeren Einnahmen höhere Subventionen notwendig machen. Warum also dürfen sich profilierungssüchtige Regisseure auf unsere Kosten an älteren Bühnenwerken vergehen? Vielleicht ist das Problem mit demjenigen der Förderung avantgardistischer Musik vergleichbar, die fast keiner hören will: Seilschaften, politisch-gesellschaftliche Ideologien, Dummheit, fehlender Mut zum eigenen Urteil. Der Werteverfall der letzten Jahrzehnte, der Verantwortung und Pflichtbewußtsein diffamierte, tat das seine.
Frechheit siegt, auch in der Kultur.
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Karl-Heinz Reuband: Erwartungen an den Opernbesuch und bevorzugte Inszenierungsstile
Eine empirische Analyse der ästhetischen Präferenzen von Opernbesuchern
Bildquelle:
Donnaya
(Gothic, Mittelalter, Dark Metal - Musik außerhalb des Mainstreams)