Nun musste ich gestern zu unserem Bürgerbüro um einen neuen Personalausweis zu bestellen. Mein alter wäre eigentlich ja noch gültig gewesen, da ich aber in vier Wochen heirate und ich dann den Namen meines Mannes annehmen werde muss dank Ausweispflicht, pünktlich zur Hochzeit, ein neuer Ausweis her.

Mit vier Wochen Vorlaufzeit auf meiner Seite ging es direkt morgens los.

Zuerst braucht man neue biometrische Passbilder. Daran dachte ich leider erst, als ich bereits in der Innenstadt angekommen war. Zurechtgemacht wie ein gerade benutzter Besen, der nächste Friseurtermin für nächste Woche angesetzt, musste nun auch noch ein Foto her. Aber kein nettes, nein. Nachdem man als Kind und Erwachsener ständig auf "Bitte freundlich und lächeln" getrimmt wurde, ist jetzt >>Neutral-seien sie doch mal ganz Neutral, nein nicht lächeln, neutral eben<< dran. Wo früher an der Kamera bei meinem Lieblingsfotografen ein strahlender Smilie hing, hängt jetzt einer, dem ich am liebstem ein Taschentuch reichen möchte.

So sahen die Fotos später auch aus, sie waren für eine Verbrecherdatei nach der Verurteilung zu lebenslanger Haft würdig und anscheinend auch für meinen Personalausweis. Vielleicht führen Sie ja noch einen gestreiften Kragen ein, auf denen Identifikationsnummern zu lesen sind. Dann stimmt das Bild.

Und dieses Foto soll ich jetzt auf meinen Ausweis mit mir herum tragen? Und mit dem wollte ich meinen Freundinnen uns Arbeitskolleginnen freudestrahlend meinen neuen Namen präsentieren, aber mit dem Bild bleibt es lieber in meiner Tasche. Den Spitznamen mürrischer Mops möchte ich mir nicht zulegen.

Dann ging es weiter ins städtische Bürgerbüro. Und ab in den den Wartesaal. Überfüllt wie immer. Und ich hatte mir doch einen Tag mit schwülen unangenehmen Kreislaufwetter ausgesucht, in der stillen Hoffnung, dass alle beim Arzt sitzen und ich die Behörde für mich habe. Aber nichts da, auf die Idee sind alle gekommen und dazu waren alle mürrisch und schlechtgelaunt.

Im Wartesaal suchte ich erst einmal den Nummernautomaten, ohne vorher eine Nummer zu ziehen ist es unmöglich an die Reihe zu kommen. Aber wo steckt dieser, früher war er doch immer hier. Die anderen haben doch auch ein Zettelchen in der Hand. Einmal den Saal abgeschritten, zweimal den Saal abgeschritten. Peinlich, peinlich, irgendetwas muss ich übersehen haben. Also mal nachfragen: "Entschuldigung, wo haben sie das her?" Antwort einer älteren Dame: " Das geht sie ja nun gar nichts an." Irritiertes weitergehen, irgendetwas habe ich da wohl falsch gemacht. Weitersuchen.

Aha, ein halb abgerissener Zettel weißt darauf hin, dass man die Nummern im Eingangsbereich an der Information ziehen kann. Also ab nach vorne zur Information. Gut das ich mich da nicht anstellen muss, ist das voll an der Information. Aber wo ist nun dieser Automat? Suchen, schauen, suchen. Nichts!

Und schon wieder ein Zettelchen der zu berichten wusste, dass man die Nummern nun durch das Personal an der Information bekommt. Nein. Also doch anstellen. Was ist da wohl passiert? Ob die Leute ohne Hilfe der Beamten sich ständig am Zettelkasten geprügelt haben? Vielleicht sind wir unfähig ohne höhere Hilfe Zettel zu ziehen? Oder ob kinderreiche Familien diese vorsintflutlichen Automaten zur Familienbewältigung mit nach Hause genommen haben? Wer weiß, was da wieder hinter steckt. Ich wartete also auf mein Nümmerchen. Und warte und warte und warte. Die Information, besetzt mit zwei Kräften, war wie sich herausstellte auch für die Ausgabe der Pässe, der gelben Säcke und allerlei Beschwerden der Bürger zuständig. Der Herr vor mir, verlangte Tüten für das Scheißerl seines Wauwaus und die Dame erklärte lang und breit, dass die Stadt das Kontingent für dieses Jahr aufgebraucht habe und sie nicht wüsste, wann Sie neue bekämen. Der Herr ärgerte sich und fragte ob sein Wauwau an seinen Kackerl nun platzen solle oder ob es nun erlaubt sei die Hinterlassenschaften liegen zu lassen? Die Dame beschwichtigte und ich bekam nach zwanzig Minuten endlich meine Nummer, um nun hochoffiziell warten zu dürfen.

Die Nummer auf dem Zettelchen verriet, dass "nur" 24 Personen vor mir an der Reihe wären. Wie schön. Die 24 Personen mit den Nummern in Wartesaal hatten, wahrscheinlich um die Wartezeit klug zu überbrücken, ihre Großfamilien mitgebracht. Was das warten für mich als Einzelperson natürlich um so erträglicher machte. Der kleine Kevin malträtierte mich mit seinem unkontrollierbaren Ellbogen, die kleine Amira schrie und die alte Dame stierte mich böse an.

Das ist doch nicht zum aushalten und ein Buch, um mich dahinter zu verstecken hatte ich auch nicht. Also auf die Nummernanzeige starren und das Zettelchen fest in beide Hände genommen.

Die Zeit kroch, nach einer Stunde war ich dann auch endlich dran. Mit den Nerven am Ende, die rechte Seite durch Kevins Ellenbogen blau. Der Kommentar der Mutter: "Der kleine braucht eben Bewegung. Kevin willst du nicht mal etwas herumlaufen?". Wollte Kevin aber nicht und ein anderer Platz war nicht frei.

Schnell hinein und endlich den Ausweis beantragen. Ein freundlicher Herr begrüßte mich in einem halb besetzten Großraumbüro. Ich brachte das Wort Ausweis hervor und er leierte runter, was ich ihm zu geben hatte. Meinen Personalausweis, habe ich. Neue Fotos, biometrisch versteht sich, habe ich! Die Anmeldebestätigung zur standesamtlichen Trauung. Die was? Die hat doch mein zukünftiger vor Monaten drei Büros weiter beantragt, dass steht doch in ihren Computer. Steht es nicht? Und jetzt? Kein Ausweis, ohne die Anmeldebestätigung zur standesamtlichen Trauung!

Das Handy aus der Tasche gerissen, meinen zukünftigen auf der Arbeit angerufen. Er hätte da wohl was bekommen, läge auf dem Stapel. Welcher Stapel? Der Stapel! Warum er nichts gesagt hätte? Er dachte, dass hätten die doch im Computer, die Ämter müssten doch in diesen Angelegenheiten zusammenarbeiten. Nein, haben sie nicht! Wutentbranntes auflegen. Dem Herrn wieder zugewendet, ein panisches: "Was mache ich jetzt nur?" zu raunend. Die Antwort kam promt: "Gehen Sie nach Hause holen Sie die Anmeldebestätigung und kommen sie zurück – wussten sie schon, dass man die Nummern jetzt an der Information ziehen muss?". Daraufhin bin ich dann einfach wortlos gegangen. Ausweispflicht? Momentan muss ich aufpassen, dass ich niemanden eine Straftat antue. Obwohl die passenden Fotos hätte ich ja schon.





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