Ein gefürchteter Häuptling

Big Foot, den die Weißen früher Spotted Elk nannten, war zu diesem Zeitpunkt ungefähr 75 Jahre alt. Während der Indianerschlacht am Little Big Horn im Jahr 1876 gehörte der Häuptling mit dem indianischen Namen Si Tanka zu den führenden Persönlichkeiten der Dakota-Streitmacht.

Im Dezember 1890 flüchteten Big Foot und seine Stammesgruppe von der Cheyenne-River-Reservation. Grund dafür waren offenbar fortgesetzte Repressalien gegen den Häuptling. Dieser galt aufgrund seiner führenden Rolle in der Little-Big-Horn-Schlacht als Unruhestifter. Als Anhänger der wenige Monate zuvor aufgekommenen Geistertanz-Bewegung stand er zudem unter verschärfter Beobachtung.

Das Ende der Flucht

Als Big Foot durch die geflohenen Anhänger Sitting Bulls von der Ermordung des großen Häuptlings erfuhr, erkannte er die drohende Gefahr und änderte seine Pläne. Die aus etwa 120 Männern sowie rund 230 Frauen und Kindern bestehende Gruppe versuchte nun, die Reservation Pine Ridge zu erreichen. Man erhoffte sich dort den Schutz des Dakota-Häuptlings Red Cloud, welcher sich mit den Weißen arrangiert hatte. Unterwegs erkrankte Big Foot an einer Lungenentzündung und blutete immer wieder aus der Nase. Am 28. Dezember 1890 wurden die Indianer jedoch von mehreren Kavallerie-Einheiten gestellt. Big Foot ließ unverzüglich eine weiße Flagge aufrichten.

Rache für Little Big Horn

Die Soldaten brachten den gefangenen Indianertrupp zu einem Kavallerielager an der Flussbiegung Wounded Knee. Diese gehörte bereits zur Pine-Ridge-Reservation, also dem ursprünglichen Ziel der Flüchtlinge. Für die Indianer hatte Wounded Knee zudem einen hohen Symbolwert. Das Herz von Crazy Horse, einem der größten Dakota-Häuptlinge, lag hier nach dessen letztem Willen an geheimer Stelle vergraben....

Big Foot und seine Mitgefangenen kamen bei Einbruch der Dunkelheit am Wounded Knee an. Daher verfügte der verantwortliche Offizier, Major Whitside, den Indianern erst am nächsten Tag ihre Waffen abzunehmen.

Doch am späten Abend entwickelte sich eine verhängnisvolle Konstellation, als Teile des Siebenten Kavallerieregiments im Lager eintrafen. Diese Armee-Einheit hatte in der Schlacht am Little-Big-Horn einst eine verheerende Niederlage gegen die Indianer hinnehmen müssen. Es war jenes Gefecht, an welchem Big Foot maßgeblich beteiligt war...

Am nächsten Morgen begannen die Soldaten mit der Entwaffnung ihrer Gefangenen. Die Indianer gaben freiwillig ihre Gewehre ab, doch den Offizieren erschien die Ausbeute zu gering. Während der nun folgenden Durchsuchung der Indianer eskalierte die Situation. Ein Schuss fiel. Dann donnerten die rings um das Indianerlager aufgestellten Kanonen der Militärs los. 153 Indianer starben sofort, viele weitere erlagen später ihren Verletzungen.

Bilanz einer Vernichtungsaktion

Von den rund 350 Dakota überlebten schätzungsweise 300 das Massaker nicht. Auch unter den Weißen gab es Opfer. Die meisten der 25 gefallenen und 39 verwundeten Soldaten waren allerdings von ihren eigenen Kameraden getroffen worden, da sie die Indianer in kreisförmiger Aufstellung abgeschlachtet hatten.

Ein Schneesturm zog auf. Deshalb ließ man die toten Indianer, unter ihnen Big Foot, an Ort und Stelle liegen, wo sie zu schauerlichen Gestalten erstarrten. Die rund 50 überlebenden Dakota brachte man zur Agentur von Pine Ridge. Die Dunkelheit war bereits angebrochen. Aufgrund mangelnder Unterbringungsmöglichkeiten wurden die ausnahmslos verwundeten Indianer daher in einer eiligst ausgeräumten Kirche eingepfercht. Vom gerade erst vergangenen Weihnachtsfest hing noch ein Tuch über dem Altar mit der Aufschrift: "Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen."

Wounded Knee 1973: Gegen das Vergessen

Das Massaker am Wounded Knee markierte das Ende des offenen Freiheitskampfes der Indianer. Von nun an nahm die Unterdrückung subtilere Formen an, welche bis heute für Rechtlosigkeit und Armut unter den Ureinwohnern Amerikas sorgen. Die Arbeitslosenquote in der Pine-Ridge-Reservation liegt auch im 21. Jahrhundert noch bei mehr als 80 %. Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt (nicht nur wegen der hohen Selbstmordrate) weniger als 60 Jahre.

Am 27. Februar 1973 bäumten sich die entrechteten Dakota noch einmal auf und besetzten 71 Tage lang die symbolträchtige Ortschaft Wounded Knee. Die US-Regierung ließ den Ort unverzüglich mit Panzerfahrzeugen abriegeln. Dem medialen Interesse der Weltöffentlichkeit ist es vermutlich zu verdanken, dass der Konflikt dennoch nur wenige Todesopfer forderte. William Janklow hingegen, der damalige Gouverneur von South Dakota, schien offenbar eine Wiederholung des Massakers von 1890 anzustreben: Er erklärte sinngemäß, die einzige Lösung des Indianerproblems seien Schüsse durch die Köpfe der Indianerführer...

Donky, am 19.04.2017
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