"Das dritte Buch des Blutes" - Clive Barkers Horror für die Ohren
Leidenschaftlicher Horror: Clive Barkers "Das dritte Buch des Blutes" sorgt für Gänsehaut pur! Sündenböcke, Pornographen und Leichentücher buhlen um die Aufmerksamkeit.Horror im Doppelpack
Blutig, durch und durch!
Wieder laden Clive Barkers Kurzgeschichten zum unsanften Gruseln ein. "Das dritte Buch des Blutes" versammelt zwei seiner kostbarsten Schäfchen aus dem inzwischen legendären Kurzgeschichtenband. Erneut trägt Matthias Koeberlin die Texte mit wonniglicher Lust am Makabren vor und erzielt die beabsichtigte Wirkung. Mit seiner durchaus wandlungsfähigen Stimme verleiht er den Figuren ihre ganz eigenen Charaktere. Eine ehrenvolle Aufgabe angesichts der hohen Qualität der Kurzgeschichten.
Allerdings sollte sich der Hörer über eines im Klaren sein: Mit harmlosen Gruselmärchen vergangener Jahrhunderte hat Clive Barker nichts am Hut. Seine Geschichten triefen vor Blut, Obszönitäten, makabren Plotelementen und dem ihnen eigenen, ganz speziellen Humor. Zwei Geschichten, zweimal Grauen, das so harmlos begann und schaurig endete.
Sündenböcke
Vier junge Menschen, Jonathan, Angela, Raymond und Frankie, begeben sich auf einen harmlosen Segeltörn. Alles hätte friedlich und entspannt verlaufen können, wäre das Boot nicht auf einer Insel aufgelaufen, von deren Existenz keine Karte kündete.
Die beiden Frauen und Männer versuchen auf ihre ganz eigene Weise, das Beste aus der Situation zu machen. Neugierig erkunden sie die menschenleere Insel, auf der so gut wie nichts wächst. Der Anblick mehrerer angebundener Schafe wirkt umso bizarrer: Wer hat die armen Tiere aus welchem Grund auf dieser Insel ausgesetzt?
Je länger die Gestrandeten über ihre Situation nachsinnen, desto aggressiver wird die Stimmung. Schließlich packt der heillos betrunken Jonathan einen Stein und tötet eines der Schafe – zum Entsetzen der drei Umstehenden, die das Geschehen nur mit weit aufgerissenen Augen verfolgen können. Die böse Tat wird freilich rasch gesühnt. Denn dem getöteten Schaf war ein ganz bestimmtes Schicksal zugedacht, das nunmehr anders erfüllt werden muss …
Fazit der Story "Sündenböcke": Bereits der Titel lässt ahnen, wohin die Reise geht. Trotzdem weiß die Geschichte vor allem dank der blutigen Details und des unbarmherzigen Schlusses zu überzeugen. Atmosphärisch unheimlich und mit vielen religiösen Anspielungen durchsetzt zählt dieser Text zu den düstersten, die Barker jemals verfasste.
Bekenntnisse eines (Pornografen-) Leichentuchs
Mutters kleiner Ronny, inzwischen längst erwachsen, verheiratet und mit zwei prächtigen Töchtern gesegnet, könnte ein glückliches Leben führen, wäre da nicht seine Habgier gewesen. Habgier, die ihn alles kosten sollte, sogar sein eigenes Leben. Ein zwielichtiger Unternehmer namens McGuire hatte ihn als Buchhalter angeworben, um seinen miesen Geschäften zumindest einen oberflächlichen Hauch von Seriosität zu geben. Eines Tages aber entdeckte Ronny das schmutzige Geheimnis hinter McGuires Fassade aus heuchlerischer Spießbürgerlichkeit. Die ganze Zeit lang hatte er für einen Händler verbotener, pornographischer Magazine gearbeitet!
Der entsetzte Ronny legt sich mit dem ausgefuchsten Gauner an und kassiert die Quittung hierfür nicht nur in Form von Fausthieben, sondern muss ohnmächtig mitansehen, wie sein tadellos sauberer Ruf und in weiterer Folge sein Leben zerstört wird. Denn irgendjemand hatte den Schmierblättern der Stadt gesteckt, dass Ronny in Wahrheit hinter all den schmutzigen, obszönen Geschäften stand! Seine Frau verlässt ihn daraufhin und in den Augen seiner Mitmenschen ist er fortan ein perverses Schwein.
Jetzt hat Ronny nichts mehr zu verlieren, weshalb er einen Rachefeldzug startet, dem zwei von McGuires Leuten zum Opfer fallen, schlussendlich aber auch Ronny das Leben kostet. Hier könnte die Geschichte zu Ende sein – aber an diesem Punkt beginnt sie erst richtig. Denn sein Geist ist immer noch besessen von Rache. Kurzerhand übernimmt er die Kontrolle über jenes Leichentuch, das seinen nutzlos gewordenen Körper bedeckt, und macht sich auf die Suche nach McGuire …
Fazit der Story Bekenntnisse eines (Pornografen-) Leichentuchs: Eine der stärksten Geschichten aus der Feder Clive Barkers! Im Wesentlichen beinhaltet sie alle Elemente einer klassischen Rachestory, nur mit dem Unterschied, dass der Rächer über keinen physischen Körper mehr verfügt und sich deshalb – gleich einem viktorianischen Schlossgespenst – eines Lakens bemächtigt und mit Hilfe dessen seine finale Blutrache plant.
Barkers Meisterschaft erweist sich neben dem vorzüglichen, ironischen Sprachstil vor allem in der Selbstverständlichkeit, mit der er ein absurdes Szenario schildert. Was zunächst bizarr klingt, avanciert im Laufe der Handlung zu einem schlüssigen Konzept und macht es dem Hörer (bzw. Leser) auf diese Weise leicht, wenigstens kurzzeitig allerlei übernatürliche Phänomene zu akzeptieren.
Unvollständige "Bücher des Blutes"
Auch wenn das "Erste Buch des Blutes" einen Tick abwechslungsreicher ist: "Das dritte Buch des Blutes" kann erneut vollends überzeugen, wofür Sprecher Matthias Koeberlin wie eingangs erwähnt großes Lob gebührt. Kritik muss leider dennoch angebracht werden. Von den fünf im dritten Band enthaltenen Geschichten wurden nur zwei als Hörbuch vertont. Gerade den enorm spannenden Text "Rohkopf Rex" vermisst man als Kenner der Vorlage schmerzlich. Schade, dass erneut verabsäumt wurde, die "Bücher des Blutes" vollständig als Hörbuch vorzulegen.
Fazit: Wer auf originellen, sprachlich hervorragenden Horror Wert legt, befindet sich mit diesen Geschichtensammlungen auf der richtigen Fährte. Die leider unvollständigen Hörbücher stellen aber ein echtes Ärgernis dar, weshalb sie sich als interessante Ergänzung eignen, jedoch nicht als Alternative zu den geschriebenen Büchern. Um Clive Barkers mitunter beängstigend grausige Phantasie zur Gänze genießen zu können, müssen Horrorfans auch weiterhin zu den Büchern greifen.
Das dritte Buch des Blutes | Das dritte Buch des Blutes |
Titel: Das dritte Buch des Blutes
Verlag: Lübbe Audio
Länge: 147 Minuten
Sprecher: Matthias Koeberlin
Bildquelle:
Karin Scherbart
(Asterix bei den Pikten – Rezension)