Den schottischen Dudelsack spielen lernen
Einstiegsfragen für angehende "Piper" in einer kurzen ZusammenfassungBagpiper (Bild: simple / Pixabay)
Die Great Highland Bagpipe (GHB) - ein echter Hingucker
Sänger und Gitarristen gibt es fast wie Sand am Meer. Sie sind überall in Innenstädten, vor Pubs oder in der Nähe von Sehenswürdigkeiten zu finden und wetteifern verzweifelt um Aufmerksamkeit. Sehen wir hingegen einen Dudelsackspieler im Kilt, sind alle anderen Sorgen plötzlich vergangen und alle Augen richten sich auf den Mann mit dem Sack.
Woran mag es also liegen, dass jeder dritte Student in einem Wohnheim ein paar Lieder auf der Gitarre spielen kann, aber nur einer von zehntausend in der Lage ist, dem Dudelsack einen Ton zu entlocken?
Ganz einfach: es liegt an der deprimierenden Schwierigkeit, mit der dieses Instrument erlernt werden muss.
Dudelsack Übungsflöte spielen - Der erste Practice Chanter
Die Great Highland Bagpipe, auch schottischer Dudelsack genannt, wird auf einer Übungsflöte erlernt, dem sogenannten Practice Chanter. Diese Übungsflöte besitzt die gleiche Griffweise und eignet sich hervorragend, um erste Melodien einzustudieren. Auch Profis üben auf ihr, sofern sie das innerhalb einer Wohnung tun. Ihr Klang ist nicht schön, sondern nasal und quäkend, aber in erträglicher Lautstärke. Außerdem sorgt eine zylindrische Bohrung des Practice Chanters dafür, dass jeder Fehlgriff einen deutlich hörbaren Falschton zur Folge hat.
Der Dudelsack hingegen ist extrem laut. Er ist genau genommen so laut, dass ein Piper (so nennen sich die Spieler, die das Instrument beherrschen), der über viele Jahre hinweg täglich spielt, Gefahr läuft, an Schwerhörigkeit zu erkranken. In einem geschlossenen Raum würden vermutlich einige Monate ausreichen, um das Trommelfell zu schädigen. Ich habe meine eigene Spielpfeife mal innerhalb eines geschlossenen Raumes gemessen und kam bei einer Entfernung von einem Meter auf 86 db.
Beim Practice Chanter müsst ihr noch keine großen Summen investieren, auch wenn manche Anfänger mit zu viel ungenutztem Geld genau das behaupten würden. Teure Hölzer und verchromte Verzierungen sind mehr Luxusgut als Hilfestellung, denn der Klang ist zwar besser, aber längst nicht perfekt. Ein einfaches Modell aus Plastik oder Rosenholz (auch Rosewood oder Palisander genannt) reicht völlig aus, um die Grundgriffe zu üben und euch für oder gegen den weiteren Lernprozess zu entscheiden. Ein Practice Chanter ist kein vollwertiges Instrument und wird normalerweise nicht Solo vor einem Publikum gespielt, sondern zuhause.
Der schottische Hersteller Bagpipes Galore bietet eine für Anfänger völlig ausreichende Qualität zu günstigen Preisen an.
Es gibt nur einen entscheidenden Vorteil, den einige Practice Chanter haben: sie besitzen angesenkte Grifflöcher. Dadurch fühlt ihr die Löcher besser und könnt euch einfacher an den Abstand gewöhnen. Auf lange Sicht macht der teurere Chanter jedoch keinen Unterschied, wenn ihr euch erst einmal an die Abstände gewöhnt habt.
Es gibt zwei Ausführungen: die Standard-Variante und die lange Variante.
Es ist nicht allzu wichtig, für welche ihr euch entscheidet. Die Standardgröße hat etwas verkürzte Lochabstände, wogegen die lange Variante die gleichen Lochabstände hat wie der später bespielte Pipe-Chanter. Das Umgewöhnen des Lochabstands ist allerdings für die meisten Spieler nur eine Sache von Tagen, solange ihr euch die richtige Griffweise angewöhnt.
Spätestens in diesem Stadium solltet ihr euch, wenn ihr die Möglichkeit und das nötige Kleingeld habt, auf die Suche nach einem Lehrer machen.
Dudelsack Grundlagen - Wie anfangen, wenn kein Lehrer im Ort wohnt?
Es gibt verschiedene Youtube Videos, aus denen man die ersten Grundlagen erlernen kann. Ein gutes Youtube Dudelsack Tutorial, für absolute Anfänger geeignet, hat der Bagpiper Andreas Hambsch erstellt. Ihr findet es unter diesem Abschnitt. Weiterführende Informationen allerdings sind hier meist nicht verfügbar, weil auch Dudelsacklehrer ihre Brötchen verdienen müssen und somit nicht alle Informationen kostenfrei zur Verfügung stellen können.
Als Option gibt es natürlich das Nachspielen gehörter Melodien, wobei das den meisten Menschen sehr schwer fällt, beziehungsweise unmöglich erscheint. Die Lehrbücher von Andreas Hambsch oder Reinhold Ege dagegen helfen dabei, die ersten Melodien zu erlernen.
Eine gute Anschaffung bietet Reinhold Eges Handbuch für den schottischen Dudelsack, welches allerhand nützlicher Tipps für die tägliche Pflege und Möglichkeiten zur Behebung der gängigsten Probleme bietet. Außerdem erklärt er anhand von Bildern die grundlegenden Schritte zum Zusammenbau und Stimmen eures Instruments. Lieder lernt ihr hieraus allerdings nicht.
Achtung: Beim Selbststudium ist es nahezu sicher, dass ihr euch Fehler antrainiert. Diese werdet ihr im späteren Verlauf auf euren Videos und Tonaufnahmen hören und müsst dann Wochen daran arbeiten, diese wieder auszubügeln!
MacEges Handbuch für den schottischen Dudelsack... | MacEges Lehrbuch für den schottischen Dudelsack... | Das Dudelsack-Lehrbuch: Über die Kombi-Methode ... |
Die Anschaffung der ersten "Pipe"
Unser Anfänger (also in diesem Fall ich, stellvertretend für alle Anfänger, welche die gleichen Fehler machen) übt fleißig weiter und kann es aber nicht abwarten, das erste Mal auf der Pipe zu spielen. Bald kann der angehende Piper Amazing Grace fehlerfrei auf seinem Practice Chanter spielen und geht los, um sich eine Pipe anzuschaffen. Schließlich will er ja den durchdringenden Sound der Great Highland Bagpipe (kurz GHB) hören und nicht das nasale Quaken des Practice Chanters.
An dieser Stelle lauert die Falle, in welche viele angehende Piper tappen: die Anschaffung eines billigen pakistanischen Instruments anstelle einer Qualitätspipe aus Schottland.
Dabei ist der Unterschied meist schon an der Farbe zu erkennen. Handelt es sich um ein hellbraunes oder beigefarbenes Holz, habt ihr es meist mit einem pakistanischen Nachbau (kurz "Pakistani") zu tun. Angesehene schottische Pipemaker verwenden derartige Materialien in der Regel nicht. Lasst euch dringend von einem erfahrenen Piper oder Pipelehrer beraten, wenn ihr unschlüssig seid und seht dringend von spontanen Käufen ab!
Ist das Material anthrazit bis schwarz, haltet ihr entweder Grenadill, auch African Blackwood genannt, in der Hand oder es handelt sich um eine Pipe aus Plastik. Grenadill ist das wohl beste Instrumentenholz der Welt und wird dementsprechend kosten, wogegen das Plastik deutlich günstiger aus der Sache herausgeht. Grenadill ist zwar ungeschlagen, was den Klang angeht, aber eine vernünftig verarbeitete Pipe aus Plastik braucht den Vergleich nicht komplett zu scheuen.
Der Unterschied zwischen Grenadill und Kunststoff ist hörbar, aber selbst Kunststoff besiegt die billigen Pakistanis in jedem Punkt. Zudem ist es deutlich wartungsarmer. Besonders, wenn wir den Preisunterschied mit in Betracht ziehen, handelt es sich bei einer Plastikpipe um ein gut geeignetes Anfängerinstrument für jeden, der eben keine 1500€ übrig hat.
Vorsicht beim Kauf über Online-Händler: Auch die Pakistaner lernen dazu und verkaufen dunkelbraune bis schwarze Pipes, die allerdings in der Qualität keinesfalls mit den Schotten mithalten können. Diese kosten in der Regel zwischen 80 und 120 € und werden behandelt, um den Käufer mit der Farbe zu täsuschen. Bestellt ausschließlich über Shops, die euch erfahrene Piper nennen oder über Amazon bei Bagpipes Galore!
Wenn die Nachbarn intolerant sind
Ist der Punkt erreicht, an dem neben dem Practice Chanter auch die eigentliche Pipe erlernt werden soll, bietet es sich an, diese regelmäßig zu bespielen. Wenn das Üben in der freien Natur aufgrund großer Entfernungen zu umständlich ist und die Nachbarn die Indoor-Übungseinheiten nicht akzeptieren, gibt es verschiedene Möglichkeiten, das Spielen auf der Pipe dennoch in gewissem Umfang zu lernen.
Ein sogenannter Goose-Adapter erlaubt das Anschließen eines Practice Chanters an die Pipe. Wenn die Drones mit Gummistopfen verschlossen werden, könnt ihr so in angenehmer Zimmerlautstärke üben, den Armdruck konstant zu halten. Der benötigte Druck des Practice Chanters ist allerdings deutlich geringer als beim Pipe Chanter, wodurch sich diese Methode nur bedingt zum langfristigen Üben eignet.
Eine Practice Pipe stellt ebenfalls eine günstige Lösung dar, um mit einem vollwertigen Instrument üben zu können. Aufgrund ihres recht schwachen Klangs eignet sie sich allerdings nicht für öffentliche Auftritte, sondern wirklich nur für das Üben zuhause.
Wenn ihr mehr Geld ausgeben könnt, bringt eine Smallpipe oder Border Pipe die nahezu perfekte Lösung. Hierbei handelt es sich um eine kleinere Pipe mit gleicher Griffweise, welche deutlich leider ist. Die Border Pipe ist dabei noch etwas lauter als die Smallpipe, dafür aber kräftiger im Klang. Beide sind mit einer oder mehreren Drones erhältlich und bieten ein ähnliches Spielgefühl, wobei der benötigte Druck geringer ist. Dafür können beide Instrumente als eigenständiges Instrument für kleinere Runden eingesetzt werden.
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Das Starten lernen
Warum ist das Spielen immer noch schwierig, wo unser Anfänger doch die Melodie schon spielen kann?
Er muss nun ein weiteres Instrument lernen und das ist der Sack, welcher als Luftspeicher dient. Schließlich wird bei Sackpfeifen die Luft stoßartig in den Sack gepustet, um sie mit dem Arm gleichmäßig herauszudrücken. Unser Schüler ist hartnäckig und übt erst einige Wochen, die Drones (das sind die Bordunpfeifen auf der Schulter, die den gleichmäßigen Unterton erzeugen) sauber zu starten und ihren Ton während und zwischen den Atemzügen konstant zu halten.
Die Atemtechnik spielt hier eine entscheidende Rolle, denn der Schüler muss lernen, den Gegendruck von seinem Arm zu überwinden, ohne dabei die Armkraft zu reduzieren. Außerdem muss er seine Mundmuskulatur an die neue Belastung gewöhnen.
Entgegen der geläufigen Meinung, man müsse Zirkulationsatmung beherrschen, um Dudelsack zu spielen, reicht normales Atmen aus. Es werden lediglich die Abstände zwischen den Atemzügen verkürzt, um die große Luftmenge aufzubringen.
Das erste Lied
Als nächstes besorgt sich unser Anfänger eine Anleitung zum Stimmen des Instruments und stößt wieder an die Grenzen seiner Kräfte. Da wir allerdings wissen wollen, wie die Geschichte ausgeht, lassen wir ihn weiterkämpfen. In wochenlanger Kleinstarbeit tastet er sich an die perfekte Stimmung heran.
Dies geschieht, indem die Bordunpfeifen verlängert oder verkürzt werden, was dank sogenannten "Slides" (im Bild oben an der unterschiedlichen Länge gut erkennbar) möglich ist. Diese befinden sich etwa auf Mitte der Tenor Drones, bei der längeren Bass Drone gibt es sogar zwei davon. Die Tonhöhe verändert sich nach oben, wenn die Drone verkürzt wird und nach unten, wenn ihr sie auseinanderzieht.
Unser Anfänger muss nun lernen, die drei Drones mit dem Pipe Chanter (das ist die eigentliche Spielpfeife) in Einklang zu bringen. Dieser Vorgang ist sehr komplex und besonders nervenaufreibend für Anfänger, da er während der Übungsstunde mehrfach wiederholt werden muss. Das liegt daran, dass die gesamte Pipe während des Übens ihre Temperatur ändert und Feuchtigkeit aufnimmt, was den Ton geringfügig verändert.
Endlich: die Melodie als Belohnung
Wenn unser Anfänger das alles auf sich genommen hat, was selbst bei täglichem Training gut und gerne ein Jahr dauern kann, dann erst ist er in der Lage, ein Lied auf der Great Highland Bagpipe zu spielen.
Alle Wege führen nach Rom, aber offensichtlich führt nur einer in die schottischen Highlands und der ist lang und steinig.
Wenn unser junger Piper nun noch ein oder zwei Jahre fleißig weiterübt, dann könnte er es bald sein, der auf einer Wiese steht und uns mit Songs wie Amazing Grace oder Highland Cathedral in einen tiefen Bann zieht.
Wir werden ihm vielleicht die Anstrengung, die er auf sich genommen hat, um dort zu stehen und so spielen zu können, nicht mehr ansehen, aber wir werden mit ihm gemeinsam den Klang der Great Highland Bagpipe genießen.
Und ist es nicht die Musik, auf die es letztlich bei all der Mühe ankommt?
Bildquelle:
Krd
(Musik auf der Great Highland Bagpipe, dem schottischen Dudelsack)