(Bild: Benita Brunnert)

Augen, Nase, Mund

Noch heute werden die Augen, oftmals auch der Mund, des Verstorbenen verschlossen. Viele Menschen können sich noch daran erinnern, wie man dem Verblichenen früher zu diesem Zwecke ein Tuch ums Kinn wickelte oder eine Zitrone oder eine Bibel darunter legte. Bei den Juden oder Bukowinawiederum werden dem Toten sogar heute noch Scherben auf den Mund gelegt. Und in Tirol soll man ihm früher den Mund sogar verstopft oder gewaltsam zusammengepresst haben. Bei vielen Ungarn geschieht das Verstopfen mit Erde nur bei sehr plötzlich Verstorbenen. Auch sie glauben, dass wenn der Mund offen bleibt,  der Tote kurz darauf jemanden ruft und nacholt. Man war sich sicher, dass die Seele aus den Leibesöffnungen entweichen könnte.

Die magischen Kräfte der Leiche

Noch immer haben die Menschen das tiefe Gefühl, dass von einer Leiche etwas ganz Besonderes ausgeht. Eine ganz eigene Ausstrahlung, irgendeine Kraft.  Womöglich ein Zauber? So ganz einig war man sich allerdings noch nie darüber, ob nun von einer Leiche eine positive oder negative Magie ausgeht. Konzentrieren wir uns an dieser Stelle besser auf die vermeintlichen positiven Kräfte eines Verstorbenen. Insbesondere auf bestimmte Körperteile desselbigen. Hier glaubte man zum Beispiel, dass sich beim  Anfassen der Totenzehe die Kraft des Verstorbenen überträgt.

Damit einem der Verstorbene nicht plötzlich des Nachts erscheint, sollte man seine Leiche an Arm, Hand oder Zehe fassen oder ihr ganz einfach mit der flachen Hand über die Wange streichen.

Eine äußerst eigentümliche Methode, seine Angst zu verlieren ist folgende Methode: Man suche nach Eintritt der Dunkelheit eine Leiche auf, streiche derselbigen mit der flachen Hand über das Gesicht, lege schließlich seine Hand in die der Leiche und halte darauffolgend beide Totenfüße mit seinen beiden Händen eine Minute lang in der Hand. - Wer dieses Ritual einmal hinter sich gebracht hat, dürfte vermutlich wahrlich vor nichts mehr Angst haben.

Die heilende Leiche

Aber das Anfassen der Leiche soll einem nicht nur die Angst vor dem Verblichenen nehmen, nein, man war früher sogar der Überzeugung, dass die Leiche heilende Kräfte habe. Handschwitzen, zum Beispiel, glaubte man heilen zu können, indem man mit der Hand über das Gesicht einer Toten führe. Außerdem würden Warzen verschwinden, wenn man mit ihnen über eine Leiche, insbesondere deren Gesicht führe. Einer alten rheinländischen Vorschrift nach könne man sogar  Flechten, Ausschlag, Muttermäler und Leberflecken und sogar Kröpfe heilen. Dafür hatte man die Hände der Leiche mit einem Strick zusammengebunden, später musste der Kranke den Strick öffnen und sich unter der Anrufung des Totennamens die Hände der Leiche drei Minuten lang um den Hals legen. Desweiteren musste er den Strick, womit die Hände des Toten gebunden waren, drei Tage lang unter dem Hemd auf der nachkten Haut tragen.

Sie leiden an Zahnschmerzen? Wie wäre es mit diesem Mittel: Einfach mit dem Finger einer Leiche - im Idealfall dem Zeigefinger der rechten Hand - die schmerzende Stelle drücken oder darüber streichen.

 

Wir stellen fest: Manchmal schien es nicht das Schlechteste, eine Leiche im Keller zu haben.

 

Quelle: Carmen Thomas: "Berührungsängste? Vom Umgang mit der Leiche

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