Der Fall Edathy - Der Anfang vom Beginn einer deutschen Regierungskrise?
Warum die potentielle Affäe um den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten ein politisches Erdbeben verursachen könnte.Am Anfang stand ein Verdacht ...
Im Jahr 2010 begann die kanadische Polizei mit den Ermittlungen gegen einen internationalen Kinderporno-Ring. Mehr als drei Jahre dauerte es, bis die Behörden ihre Arbeit zum Abschluss brachten. Im Oktober 2013 wird schließlich das Bundeskriminalamt von den Kanadiern informiert, da sich unter den Verdächtigen auch mehrere Deutsche befinden. Der Name Edathy fällt in Bezug auf die "Kunden" des Kinderporno-Ringes.
Der bisherige Stand der Dinge: Wer wen im Fall Edathy informierte (Bild: FG92)
Einige Wochen später, zu Beginn des Monats November, wird der Chef der Hannoveraner Staatsanwaltschaft mit den Akten betraut. Nach eigenem Bekunden behandelt er die Sache äußerst vertraulich und weiht nur sehr wenige Personen in den Fall ein.
Nicht so der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Als er von den Ermittlungen gegen Edathy erfährt, gibt er diese Information im Zuge der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD an den Vorsitzenden der sozialdemokratischen Partei, Sigmar Gabriel, weiter, welcher im Folgenden Frank-Walter Steinmeier und Thomas Oppermann einweiht. Letzterer informiert zudem seine Stellvertreterin über den Verdacht gegen Edathy. (Übersicht auf der rechten Seite)
Dass dieses Vorgehen seltsam anmutet, meinten auch Staatsanwalt Fröhlich und dessen Ermittler, die sich erst kürzlich über die Offenheit der Beteiligten beschwerte.
Edathy hingegen schaltete ab Januar 2014 seinen Anwalt hinzu und beteuerte gegenüber der Öffentlichkeit seine Unschuld. Er habe zwar FKK-Aufnahmen von minderjährigen Jungen besessen, doch sei dieses Material in Deutschland nicht strafbar, so der Ex-Bundestagsabgeordnete.
Wodurch entstand die Brisanz des Falles?
Zusätzliche Brisanz erhielt die mysteriöse Affäre um Edathy, als Beamte zerstörte Datenträger in Form von Festplatten in dessen Wohnung fanden. Darüber hinaus machen Gerüchte die Runde, dass der unter Verdacht Stehende Deutschland verlassen und sich in Dänemark aufhalten soll. Des Weiteren wurde bekannt, dass der "Anbieter", bei dem Edathy das FKK- und Nacktmaterial bezog, hauptsächlich illegale Hardcore-Kinderpornographie vertrieb.
Allein diese Tatsachen sind bereits erschütternd, war Edathy immerhin in seiner Funktion als Abgeordneter der Vorsitzende des NSU-Ausschusses.
Doch weite Kreise dürfte das "Beiwerk" der Affäre ziehen, nämlich die Weitergabe von Informationen über den Stand der Ermittlungen gegen Edathy. Hans-Peter Friedrich musste als Konsequenz bereits seinen Hut nehmen. Mittlerweile wackelt auch der Stuhl von Thomas Oppermann, seines Zeichens SPD-Fraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag und damit hochrangiger Funktionär der zweitgrößten Regierungspartei.
Die wohl wichtigste Frage, die derzeit im Raum steht, lautet, ob die von dem damaligen Bundesinnenminister Friedrich informierten Personen Edathy über den Stand der Ermittlungen gegen ihn unterrichteten. Sollte dies der Fall gewesen sein, so wäre der Tatbestand der Strafvereitelung erfüllt, da der Verdächtige in den vergangenen Wochen und Monaten genügend Zeit gehabt hätte, um eventuell belastendes Material zu beseitigen.
Diese Frage wird die kommenden Tage bestimmen. Sollte sich dieser Verdacht bestätigen, werden neben Thomas Oppermann auch Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel ins Visier der erregten Öffentlichkeit geraten. Ein politisches Erdbeben würde folgen, an dessen Ende eine handfeste Regierungskrise entstünde.
Die öffentliche Debatte ist ohnehin von den Vorwürfen gegen Edathy selbst abgeschwenkt, hin zu den Vorgängen zwischen den Personen, die untereinander vertrauliche Informationen austauschten. Die Frage, woher Bundesinnenminister Friedrich von den Ermittlungen wusste, ist noch nicht abschließend geklärt, auch wenn Friedrich durch seinen Rücktritt vorerst aus dem Fokus verschwunden ist. Das BKA dementierte unterdessen die Aussage Oppermanns, diesem die Anschuldigungen gegenüber Edathy bestätigt zu haben.
Auch wenn gegenwärtig Vieles im Unklaren verbleibt, so ist gewiss, dass diese Affäre auch die Zeitungen der kommenden Woche füllen wird.