© Arno Declair

 

Die Wortbotschafter kommen

Vor zwei Jahren hat Stefan Bachmann die Schmalz-Premiere am Wiener Burgtheater (Premiere war am 22. Februar 2018) inszeniert. Die Version der Georgiers Data Tavadze ist kryptischer, weniger transparent. Die Figuren haben keine richtige Identität, sind eher Wortbotschafter. Die Bühne ist relativ karg ausgestattet, für die musikalische Begleitung sorgt eine drei-köpfige Band, der Boden ist mit einer Art Kies-Fläche ausgelegt, an deren Rand sich in gleichen Abständen Mikrofon-Ständer befinden, von denen auch reichlich Gebrauch gemacht wird. Im Vergleich zur Bachmann-Inszenierung wird Jedermanns Reichtum nicht so intensiv herausgeblasen, er kommt nicht mit Pomp und Blasmusik daher. Egal, wie Pose sich dreht und wendet, man nimmt ihm den wohlhabenden Kaufmann nicht so leicht ab, da er das unabdingbare strategische Denken und die Cleverness nicht rüberbringt. So bleibt alles nur Behauptung, was ohnehin in diesem Sprachakrobatik-Theater zu konstatieren ist. Lorena Handschin spielt gleichzeitig Jedermanns Gattin und Mutter, auch wenn sie einmal härtere Worte benutzt, bleibt ihre Herangehensweise eher zart, ohne massiven Nachdruck.

 

Tod der Gesellschaft

Irgendwann ufert das Gartenfest aus, Jedermann verliert die Orientierung, wähnt einen zweiten Garten im Garten und fühlt sich ummauert, eingegraben, ja eingesperrt, wie es ihm die "(teuflisch) gute Gesellschaft insinuiert. Die Buhlschaft Tod (Natali Seelig) bereitet die Todesluft vor – was wäre das Leben ohne den Tod? Ein falsch gelebtes Leben, ein sinnloses Leben. Was einst eine Festung war, ist längst ein zerfallenes Bauwerk und der Tod kommt mit großen Schwingen angeflogen. Samuel Dunscombe lässt auf seiner Klarinette Töne erklingen, die an einen gequälten Straßenköter erinnern. Seelig macht ihre Sache gut, sie sorgt dafür, dass das Leben nachträglich geschmeckt hat. Jedermann steht wirklich für alle und keinen, er ist die Gesellschaft, die im Niedergang begriffen ist, mitsamt ihrem Kapitalismus. Indem Jedermann leicht spektakulär dem Untergang geweiht ist, legt der Regisseur Tavadze das Gewicht auf die dystopische Variante, an einem Abend, wo mehr gesprochen als gespielt wird.

 

jedermann (stirbt)
von Ferdinand Schmalz
Regie: Data Tavadze, Bühne/Kostüme: Janja Valjarević, Musik: Nika Pasuri, Dramaturgie: Sima Djabar Zadegan, Juliane Koepp.
Mit: Natali Seelig, Jörg Pose, Paul Grill, Lorena Handschin, Niklas Wetzel & Musiker.
Deutsches Theater Berlin, Premiere war am 1. März 2020
Dauer: 1 Stunde 30 Minuten, keine Pause

 

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