Peter René Lüdicke

© Arno Declair

 

Es soll auch gelacht werden

Peter Handke arbeitete sich ein wenig an der Zeit ab, so auch Laberenz. Das wandern von Jetztpunkt zu Jetztpunkt, der Augenblick zwischen Noch-Nicht und Nicht-Mehr, das erinnert an den Zeitbegriff von Aristoteles. Auch die Einheit von Zeit, Raum und Handlung kommt vom griechischen Philosophen. Aber es geht auch wesentlich lustiger: Peter René Lüdicke, mit einem goldfarbenen Diadem geschmückt, das von der Stirn aus wie lange Haare über die Ohren fließt, spielt solo einen Müsli-Man, der gefühlte zwanzig Minuten in seinem Becher herumlöffelt und Spaßkommentare von sich gibt, die das Publikum zu wiederholtem Lachen anregen. Eine gänzlich überflüssige Szene, die den Abend dehnt und nur die Absicht verfolgt, für Erheiterung zu sorgen. Doch Humor ist hier fehl am Platz. Gelegentlich wird musiziert, wie eine improvisierende Rockband musiziert, und das klingt recht frisch und ist ein gelungener Background für Monologe, die ins Publikum gesprochen werden, etwa von Jeremy Mockridge. Der betont unter anderem mit erhöhter Phonstärke, dass die Zuschauer*innen im Mittelpunkt stehen. Doch die bilden keine herbeigerufene Einheit, die Leute rücken nicht näher zusammen und bleiben isoliert, abgesehen von jenen, die zu zweit oder in einer Gruppe gekommen sind. Warum versuchen, mit Tabus zu brechen, wo doch eh schon mit allen gebrochen wurde, mag sich der Regisseur gedacht haben. Also entschärft er das Original nach Kräften und führt eine kleine Demontage durch, wahrscheinlich, um zeitgemäß zu sein.

 

Keine Provokationen

Im Publikum sitzen Claus Peymann und Partnerin Jutta Ferbers, beide scheinen recht zufrieden zu sein. Kein Wunder, werden doch per Video Ausschnitte der Frankfurter Premiere gezeigt. Und die eigentliche Publikumsbeschimpfung, die letzten Seiten des Sprechstücks, wird ebenfalls von Peymanns damaligem Ensemble auf der Leinwand bestritten, und das hervorragend. Eine eigene Beschimpfung hat sich Laberenz nicht zugetraut, dafür reichten die Kräfte nicht aus. Und warum tragen die Akteur*innen ausgefallene Kostüme, wo doch die Verkleidung nichts zu bedeuten hat? Natali Seelig, wie gewohnt mit sonorer Stimme, aber sich weitgehend zurückhaltend, trägt eine abenteuerliche Frisur, zwei arrangierte Haarhügel, die durch einen scharfen Mittelscheitel getrennt sind. Von Provokation ist während der ganzen Aufführung nichts zu spüren, der unterhaltende Charakter dominiert – so harmlos kann man die Vorlage denn doch nicht "bewältigen". Die Inszenierung ist zwar recht reizlos, aber dennoch gefällig, auch wenn Handkes und Peymanns Absichten absichtlich oder aufgrund von Unvermögen konterkariert werden. Der Abend macht Lust auf mehr: Auf die komplette Fassung der Uraufführung von 1966.

 

Publikumsbeschimpfung
von Peter Handke
Regie: Martin Laberenz, Bühne: Volker Hintermeier, Kostüme: Aino Laberenz, Musik: Leo Schmidthals, Licht: Gregor Roth, Volker Hintermeier, Dramaturgie: Jan Hein, Katrin Spira, Bernd Isele (Berlin).
Mit: Manolo Bertling, Peter René Lüdicke, Jeremy Mockridge, Natali Seelig, Birgit Unterweger, Leo Schmidthals/ Johann Jürgens.
Koproduktion des Schauspiel Stuttgart mit dem Deutschen Theater Berlin

Deutsches Theater Berlin, Berlin-Premiere vom 6.Oktober 2018

Dauer:1 Stunde, 45 Minuten, keine Pause

 

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