Der Autor Lewis Carroll

© Oscar Gustave Rejlander/Wikipedia

 

Ein ganz großes Spiel

Die jungen Akteure vollführen einen Tanz, junge Kobolde und große Narren hüpfen auf der Bühne herum. Die Lust am Spiel, am Ausprobieren und Fortspinnen von Einfällen ist überdeutlich. "Und er (der Mensch) ist nur da ganz Mensch, wo er spielt", hat Schiller in Über die ästhetische Erziehung des Menschen einmal gesagt. Und der junge Nietzsche verkündete, man solle das Leben als ganz großes Spiel betrachten. Hehre Worte, die leider nicht immer in die Tat umzusetzen sind. Zum Spiel gehört sicherlich auch das Aufbrechen der Grenzen zwischen Darsteller und Zuschauer. Das Ensemble versucht es zuweilen, doch das Publikum will nicht so recht mitspielen. Die junge rothaarige Emmi Büter, verbrämt mit einem aufgemalten Herz auf den Lippen, geht am Parkettrand ins Publikum hinein und richtet ihre Worte an eine Besucherin. Die aber schweigt, verweigert sogar die Anrede "Eure Majestät", zumal sie nicht weiß, ob sich ein Mitreden überhaupt schickt und nicht den "normalen" Ablauf stört. Das sympathisch freche Ensemblemitglied fordert die Zuschauer zum Aufstehen auch – was auch geschieht – und verteilt schließlich Taschentücher, da es bald viel zu weinen gäbe. Statt Tränen zu vergießen wedelt ein Teil des Publikums wenigstens mit den weißen Fetzen. Winken, ja das können sie.

 

Kleine Füße im dichten Haar

Üppig ausgestattet ist bereits Mascha Diaby, die ihren heftig blühenden Busen unter einem noch heftigeren BH mit großen schwarzen Brustwarzen versteckt. Ein Junge (Gynian Machacek) hangelt an ihr, wird nach Art eines zähen Spielzeugs von der prallen Dame fast erdrückt und verkrampft seine Füße in ihrem Haar, als handele es sich um Wolle. Identitäten werden gewechselt, wie man sich neue Kleider anzieht. Ein fulminantes Hundegebell ertönt an der Rampe und ein Kind verschwindet im Bauch eines kahlen fetten Mannes, in einer überdimensionalen, monumentalen Attrappe, die künstlich aufgebläht wurde. Zwei Clowns erobern die Bühne, ein kleines Zwischenspiel, bis das komplette Ensemble sich die Gesichter mit Eisbeuteln abreibt. Und zuletzt ein schönes Bild: Während die jungen Menschen die Bühnenwand bemalen, sieht man im Vordergrund Bühnenarbeiter bei den Aufräumarbeiten. So geht das im Paralleluniversum: Spielen, die Kreativität ausleben und von anderen den eigenen Dreck wegräumen lassen. Diese Phantasiewelt ist auf unterhaltsame Nonsense-Literatur gegründet. Es ist ein freies Spiel der Kräfte, und Nora Schlocker bestimmt die Spielregeln. Als Zuschauer kann man das Bühnentreiben durchaus goutieren, aber eine Identifikation mit den jungen Akteuren findet nicht statt. Eben weil alles nur Spiel ist.

Alice

nach Lewis Carroll

Regie: Nora Schlocker, Bühne: Jessica Rockstroh, Kostüme: Carolin Rössle Harper, Musik: Paul Lemp, Choreografie: Juli Reinartz, Dramaturgie: Birgit Lengers.

Mit: Mauri Bachnik, Felix Böttner, Elektra Breinl, Emmi Büter, Valentino Dalle Mura, Mascha Diaby, Luna Jakob, Tamino Köhne, Antonia Lind, Gynian Machacek, Laszlo Mattern, Bjarne Meisel, Konrad Muschick, Chenoa North-Harder, Emil von Schönfels, Sofia Theodorou.

Deutsches Theater Berlin

Premiere am 8. Februar 2015

Dauer: ca. 100 Minuten, keine Pause

 

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