DT-Kammerspiele

© Steffen Kassel

 

Vor der Jalousie

Den Einstieg bewältigt die Regisseurin Heller mit einer eher läppischen Familienszene, die zunächst einmal ein Déjà-vu-Erlebnis herstellt. Die Familienmitglieder zwängen sich auf einer Billigcouch zusammen, die vor einer Jalousiewand aufgebaut ist. Die geht irgendwann nach oben und eröffnet eine neue Szenerie, die Freiraum bietet für den Kante-Musiker Peter Thiessen und einen Imbissstand. Im Hintergrund lauert ein weiterer Lamellen-Paravent, der nach einer Weile ebenfalls geöffnet wird. Mehr Platz bedeutet aber nicht unbedingt mehr Regie-Kreativität. Zum Glück ist den Müden und Beladenen auf der Bühne nichts anzumerken, sie bugsieren ihre Körper vom einen Fleck zum anderen, täuschen Tatendrang vor und wirken mitnichten erschöpft. Wahrscheinlich hielt es Heller nicht für geboten, 100 Minuten lang Langeweile, Erschöpfung und Defätismus auszustellen. Im Gespräch mit seiner Verlegerin (Almut Zilcher) zeigt Anders (Daniel Hoevels) das Ausmaß seiner Lethargie, aber auf eine für das Publikum erheiternde Art. Er weiß nicht, worüber er schreiben soll und macht nicht einmal den Versuch, über das Nichts zu schreiben. Almut Zilcher hat einen starken Auftritt, sie macht boulevardeske Anleihen, aber die besten, die man sich vorstellen kann. Das DT-Ensemble ist in gut aufgelegter Sommerfrische – das ist aber auch das Positivste, was man über diese Inszenierung sagen kann.

 

Resignative Ich-Krüppel

Sascha Hargesheimer liefert den x-ten Beitrag zu einer zersplitterten Gesellschaft, die das verbindende Gemeinschaftsgefühl komplett verloren hat. Resignative Ich-Krüppel treten an die Stelle von sozialen Interaktivisten. Alles, was Hargesheimer sich in seinen dunkelsten, bizarrsten Phantasmagorien ausgemalt hat, scheint er mit einer Art Wonne am Untergang festgehalten zu haben – und, in der Tat, er übertrumpft so manchen Kollegen. Damit es nicht so weh tut, hat Heller das Ganze mit einer zuckrigen Soße überzogen. So erscheint denn auch Anders' Bruder, der in ein Krankenhaus geprügelt wurde, wie eine Karikatur, die an einem überlangen Schlauch hängt. Felix Goeser als Rüsseltier, später dann als eine Diva im himmlischen Frauenkleid, eine Rolle, die man ihm nicht so richtig annimmt. Mit dem Schlagzeug scheint er etwas vertrauter zu sein, er übernimmt den Trommelpart, um Peter Thiessen den Rhythmus zu liefern. Lisa Hrdina spielt eine Verwaltungsangestellte, behaftet mit einer nicht uncharmanten Zickigkeit, die zuweilen ins ironisch Sarkastische abkippt. Insgesamt ist der Text viel zu erdacht und harmlos, als dass er die Zuschauer aufrütteln oder emotional bewegen könnte. Im Grunde ist Anders ein Alter-Ego von Hargesheimer. Beide wissen nicht, worüber sie schreiben sollen, aber Hargesheimer hat über eben diesen Zustand ein Drama geschrieben und es leider unterlassen, die politische Dimension heranzuziehen. Neues hat er nicht mitzuteilen – nur die Verpackung stimmt einigermaßen.

Archiv der Erschöpfung
von Sascha Hargesheimer
Regie: Friederike Heller, Bühne und Kostüme: Sabine Kohlstedt, Musik: Peter Thiessen (Kante), Dramaturgie: Claus Caesar.
Mit: Almut Zilcher, Lisa Hrdina, Daniel Hoevels, Felix Goeser, Markus Graf.

Deutsches Theater Berlin, Kammerspiele

Uraufführung vom 25. Juni 2015.
Dauer: 100 Minuten, keine Pause

 

 

 

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