Ulrich Matthes

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Sparsamkeit in allen Belangen

Der zum Regisseur aufgestiegene Regieassistent präferiert einen ziemlich radikalen Minimalismus. Die Bühne (Mira König) ist sehr sparsam eingerichtet und lebt von der Veränderungslosigkeit, abgesehen von einigen kurzen Sitzbänken, die während leidenschaftlich geführter Standpunksdiskussionen hin- und hergeschoben werden. An der Wand quellen quadratförmige Lederattrappen hervor, zwischen denen auf Video sanfte, leicht sprudelnde Wellen zu sehen sind. Wir sind auf See! - das dokumentieren auch drei Apparate, die ein Zwischending aus Ventilator und Windmacher bilden. Auf dem fatalen Schiff wird auch gefesselt und ein bisschen Leben gelöscht, doch das interessiert den Regisseur, der die Kriminalgeschichte absichtlich als Marginalie behandelt, wenig. Wichtig ist allein das Hervorheben der unterschiedlichen (Lebens-)Anschauungen und geistigen Zustände. Ulrich Matthes und Hans Löw sollen es richten, zumal ihre reine Präsenz schon für Publikumsaufmerksamkeit sorgt. Matthes spielt den Kapitän relativ unaufgeregt und mit leiser Entrüstung, ohne sein gestisches Potenzial – daran ist die Rolle schuld – voll abrufen zu können. Selten rutschen die Augen aus den Höhlen und versenden einen aus scheinbar diabolischen Urgründen stammenden blitzscharfen Blick, der das Ziel hat zu vernichten. Matthes spielt eher einen moralisch rechtschaffenden, zahlenmäßig kalkulierenden Herbergsvater, der immer noch glaubt, gute, rational einleuchtende Argumente könnten die Gewalt abschaffen oder zumindest reduzieren.

 

Viel Worte, wenig Theater

Die Figur des Kapitäns mag ein Sympathieträger sein, wesentlich interessanter aber ist Dr. Caspary, dargestellt von Hans Löw. Der präsentiert einen intellektuell geschulten Kriminellen, der sich immer wieder wandelt und gewandt häutet und jederzeit ein anderes Leben anzunehmen bereit ist, nur um daraus Vorteile für seine gänzlich unverankerte Existenz zu ziehen. Geistiges Virtuosentum als Waffe im außerlegalen Fortkommen. So ist auch Hans Löw als ausgefuchster Verbrechensartist publikumswirksamer als ein Apologet der – in diesem Fall etwas spröde daherkommenden – Rechtschaffenheit, die nicht nur die Schifffahrtsgesetze verinnerlicht hat. Zuschauer, die vor allem auf das Gewicht des reinen Wortes setzen, auf Solidität der kontrollierten, dosierten gestischen Akrobatik vertrauen und sich mit einer überschaubaren Gepacktheit begnügen, können sich trotz des fortwährenden Moralisierens des Kapitäns mit zarter Befriedigung zurücklehnen. Doch inszenatorisch ist das recht dünn. Es wird mit facettenreich eingesetzter, verhaltener und direkt ausgetragener Gestik deklamiert, nur bleibt dabei das Theater auf der Strecke. Herausgesogen ist jegliche Lebendigkeit, das Unverhoffte und das Spiel. Es bleibt ein diskussionswürdiges Gedankenspiel, eine Steilvorlage für den Tabus kennenden Deutschunterricht, als wolle man mittlerweile die Schulklassen zum Besuch des Deutschen Theaters motivieren. Immerhin ist es eine En-Passant-Inszenierung mit längst bekannten Typen und Stereotypen, über die man sich beim besten Willen nicht ärgern kann.

Das Feuerschiff
nach der Erzählung von Siegfried Lenz
Regie: Josua Rösing, Bühne: Mira König, Kostüme: Katharina Bruderhofer, Musik: Thies Mynther, Video: Phillip Hohenwarter, Dramaturgie: John von Düffel.
Mit: Ulrich Matthes, Timo Weisschnur, Hans Löw, Owen Peter Read,.
Dauer: 75 Minuten.

Deutsches Theater Berlin

Premiere vom 5. März 2016


 

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