Verdichtung der Atmosphäre

Ein seltener Anblick: Die Zuschauer blicken von der Bühne aufs Parkett, das, nur von ein paar einsamen Seelen bevölkert, wie ausgestorben wirkt, als sei der Ort über Nacht geschrumpft. Ein kurzes Verweilen auf der anderen Seite, auch den Drehbühneneffekt können die Zuschauer goutieren. Sartres Drama ist eigentlich ein Drehbuch, 1947 von Jean Delannoy verfilmt. Dementsprechend sind viele Filmsequenzen eingestreut, als Stimmungserzeuger, zur Verdichtung der Atmosphäre. Die Band The Notwist steuert die Musik bei, und das in einer Disco-Lautstärke, die auf empfindliche Ohren, auf Menschen im Vorgreisenalter keine Rücksicht nimmt. Nun, wer einen leichten oder schlimmeren Gehörschaden hat, kann hier wenigstens einen Vorteil daraus ziehen. Dynamisch und gleichzeitig etwas sphärisch angehaucht, wird eine gewisse Spannung aufgebaut, die im Stück eigentlich gar nicht enthalten ist. Schlecht sind die Klänge keineswegs, aber es wird eine künstliche Dramatik aus der Konserve produziert.

Langeweile in der Schattenwelt

Etwas langweilig ist es schon in der Schattenwelt, auch wenn Pierre (Ole Lagerpusch) und Eve (Judith Hofmann) ihre Gefühle miteinander vermischen und ihre gegenseitige Liebe entdecken. Handlungen und Eingriffe ins Leben bleiben den beiden versagt: Pierre kommt nicht auf den Geschmack einer auserwählten penetrierten Rosette. Mehr als ein seelisches Ineinanderklingen springt nicht heraus, etwas Magie ist auch im Spiel, aber die Tatenlosigkeit, die der Tod mit sich bringt, führt zu keiner Erfüllung. Wie ein angekündigtes Seelenheil mag daher die versprochene Rückkehr durch die verwelkte, faltendurchzogene Bürokratie-Schabracke (Natali Seelig auf alt getrimmt) erscheinen. Doch die Unterschiede erweisen sich als nahezu unüberbrückbar: Eve kehrt zu ihrem Gatten zurück, gespielt von Alexander Khuon, der diesmal nicht an den frühen Montgomery Clift erinnert.

 

Revolutionäres Blut in den Adern

Da es Jette Steckel um möglichst viel Atmosphäre geht, lässt sie einen ominösen Lichttunnel auferstehen. Ein nebliger, ins Hellbraune übergehender Brodem steigt auf, und im Hintergrund bilden sich konzentrische Kreise, die in ein beleuchtetes Loch führen. Das Licht am Ende des Tunnels – ein Bild von faszinierender Kraft, wie ein untergründiges Weltauge. Nach diesem kurzweiligen Höhepunkt flacht das Geschehen wieder ab, der Alltag im "normalen" Leben beginnt. Pierre strömt immer noch das revolutionäre Blut in den Adern, er fühlt sich an seine Kampfgenossen gebunden, so wie Eve sich nicht von ihrer Familie losketten kann. Immer wieder erinnern sie sich an ihr Liebesversprechen, aber es scheitert kläglich: Pierre schließt sich wieder den Aufständischen an. Die Klassenunterschiede machen sich bemerkbar, obwohl es sich um kein Klassenkampfdrama handelt. Am Ende kommt es zu einer ebenso überflüssigen wie geschmacklosen Szene: Das desillusionierte Paar schmiert sich gegenseitig mit einer öligen, schmierigen Flüssigkeit ein. Sartre diesmal anders: Die Existenz geht nicht der Essenz voraus, sondern umgekehrt. Die Determinismus-Falle, die nicht zündet. Das Drama geht zuende mit einer wie immer gut aufgelegten Judith Hofmann und einem etwas schalen Ole Lagerpusch. Nun, mit dem Mittelmaß kann man leben.

Das Spiel ist aus
von Jean-Paul Sartre.

Deutsch von Alfred Dürr und Uli Aumüller.

Regie: Jette Steckel, Bühne: Florian Lösche, Kostüme: Pauline Hüners, Musik: The Notwist, Video: Alexander Bunge, Dramaturgie: Anika Steinhoff, Licht: Matthias Vogel.
Mit: Judith Hofmann, Ole Lagerpusch, Alexander Khuon, Barbara Heynen, Natali Seelig, Elias Arens, Anne Wels, Till-Jan Meinen und Statisten.

Deutsches Theater Berlin

B-Premiere vom 29. März 2014

Dauer: 90 Minuten, keine Pause

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