Natali Seelig

© Arno Declair

 

Die Baustelle wird notorisch besucht

Das Bühnenbild (Viktor Reim) kann mit dem Vorhaben von Heinar nicht ganz mithalten. Die Zuschauer*innen sehen Bauarbeiten im Anfangsstadium, es sieht aber eher nach den Überbleibseln von Abrissarbeiten aus, die sich gut als Unterschlupf für vom Staat im Stich gelassene Obdachlose eignen. Videos von Sebastian Pircher sollen für opulente Bebilderung, eleganten Schwung und Untermalung des Gezeigten sorgen. Leider sind sie nur eine Wiederholung dessen, was man ohnehin schon wahrnimmt. Heinars Frau Petra (Natali Seelig) ist permanent präsent, ebenso wie ihr Vater Kurt (Harald Baumgartner), der das Granteln offensichtlich als Lebenselixier braucht. Seine Sprache ist eine wütende, artifizielle Künstlichkeit. Ganz anders Natali Seelig: Sie ist mit ihrer sonoren Stimme das Raubein in diesem Ensemble und möchte selbst zarteste Poesie in kraftvolle, mit Derbheiten vermischte Prosa verwandeln. Linn Reusse als Christina hingegen wirkt wie die Unschuld vom Lande, die doch nicht ganz so unschuldig ist. Sie ist ebenso nur Baustellen-Besucherin wie Markus (Bernd Moss) und der zottelfrisurige Thomas (Edgar Eckert). Alle sind sie notorisch Anwesende auf einer aus den Ufer geratenen Baustelle, mit der sie sich gar nicht arrangieren können. Warum treffen sie sich da ständig? Im Übrigen trägt das Personal extrem futuristische Kleidung, die eine kuriose Kombination aus Glitzer-Kostümen und abenteuerlichen Schulter-Fellen bildet. Wie im vorsokratischen Theater werden – heute als mythisch geltende – Masken getragen. Die Gesichtszüge sind phasenweise nicht zu erkennen -

 

Die Hybris des Menschen

Die Figuren wundern sich über den spleenigen Bauherrn, dabei sind sie ebenso "verrückt". Anscheinend nehmen sie das Projekt hochernst, obwohl Schwiegervater Kurt immer wieder durchblicken lässt, dass er den den zum Bauleiter gewordenen Lehrer für einen Versager hält. Der nie auftauchende Heinar ist die einzige Figur, die einem bürgerlichen Beruf nachgeht. Womit der Rest sein Geld verdient und warum er sich ständig im abseits gelegenen Landbesitz aufhält, wird nicht erklärt. Vermutlich, um die Sprache von Schmalz besser rüberzubringen. Die ist nämlich teilweise wirklich poetisch – leider hat das der Jung-Regisseur Philipp Arnold vollkommen in den Sand gesetzt. Dieses Stück ist bestens dazu geeignet, ein nihilistisches Grundgefühl, dem man sich mühsam entledigt hat, wiederzubeleben. Was ist die Botschaft? Vielleicht eine Kritik am Über-Sich-Hinauswachsen von Nietzsche. Die Hybris des Menschen, in den Himmel aufzusteigen, und wenn es nur ein gewaltiges Bauprojekt ist. Insofern ist dieses Stück der Abriss des Turmbaus zu Babel. In der Bildenden Kunst wurde das herrlich dargestellt. Das Einzige, was in dieser Inszenierung Kunst ist, ist der Text.

 

Der Tempelherr – ein erbauungsstück
von Ferdinand Schmalz
Uraufführung
Regie: Philipp Arnold, Bühne: Viktor Reim, Kostüme: Julia Dietrich, Video: Sebastian Pircher, Musik: Matthias Lunow, Dramaturgie: Bernd Isele und Juliane Koepp.
Mit: Linn Reusse,, Harald Baumgartner, Edgar Eckert, Bernd Moss,Natali Seelig.
Deutsches Theater Berlin, Uraufführung vom 3. März 2019
Dauer: 80 Minuten, keine Pause

 

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