Peter Kurth

© Arno Declair

 

Monotonie und Routine

Petras arbeitet mit sprachlichen und darstellerischen Hyperbeln, obwohl das Bühnenbild das Gegenteil suggeriert. Kahle Wände, an die sich die Figuren zuweilen festklammern, kontrastieren zu harmlosen, in ihrer Überzeichnung imposanten Szenen. Wir sehen Peter Kurth als Besitzer einer nicht gezeigten Imbissbude, wie er sich mit einem muslimischen Nachbarn (Božidar Kocevski) wegen der Verwendung von Schweinefleisch streitet, aber gleichzeitig scharf auf dessen Partnerin (Maike Knirsch) ist und vor Plumpheit nicht zurückschreckt. Ein Kultur-Clash, illustriert durch drei Matratzen, die einen belegten Hamburger darstellen sollen, mit einem gigantischen grünen Salatblatt dazwischen. Anja Schneider und Katrin Wichmann treten gestylt auf, mit umgehängten weißen Bändern, als seien sie eben von der Miss-Leipzig-Wahl zurückgekehrt. Wie es nun ausgeht, ob der derbe Fastfood-Händler die hin-und hergerissene Muslimin erobert oder auch nicht, bleibt zweitrangig. Überhaupt sehen die Zuschauer*innen nur Ausschnitte aus einem angeblich eintönigen Leben. Wenn Peter Kurth als Wachschützer sich pantomimisch einen nächtlichen Tee zubereitet, ist das für viele Leute natürlich eine in Monotonie steckengebliebene Routine, die zum Einschlafen wie geschaffen ist. Doch mit etwas Empathie kommt man vielleicht auf den Gedanken, dass selbst die kleinen Arbeitsrituale und Geschäftspausen eine innere Freude erzeugen können, so wie sich jemand, und mag er noch so stupid sein, auf seine abendliches Bier freut. Bescheidenheit kann auch ein stilles Glück hervorrufen, sie hat sogar eine leise Poesie. Petras fällt dazu nur Komik ein, das Hineinfühlen in die Figuren ist seine Sache nicht. Bei der Lektüre hat er sich vielleicht nur gedacht: Was kann man aus dieser Figur machen oder gar herausholen? Inzwischen wissen wir wenigstens, dass Alexander Khoun hervorragend schwäbeln kann.

 

Das Leben unten ist vitaler als gedacht

Peter Kurth kann auch anders, zum Beispiel den Zustand gänzlicher Indifferenz darstellen. Er sitzt da, als pyknische Oma verkleidet, mit gewellter Perücke und Hausschlappen, und verfolgt das wilde Geschehen im Fernseher mit einem Ausdruck totaler Abgestumpftheit, als habe man ihn mit Betäubungsmitteln vollgepumpt. All das Gehampel von Božidar Kocevski, der das Programm durchspielt, nützt nichts. Wurde die Figur nun abgehängt oder hat sie sich selbst abgehängt? In der Marktwirtschaft, so wird medial verbreitet, hat jeder sein Schicksal in der Hand, leider erzeugt sie auch abgehackte Hände und den freien Fall. Bodenhaftung haben noch Anja Schneider und Katrin Wichmann, die eine Friseuse und eine Bahn-Putzfrau spielen. Sie lernen sich in einem nicht dargestellten Café kennen, die leichte Prolligkeit der Reinemachefrau stört die um spröde Eleganz bemühte Haar-Klempnerin nicht. An einem Tag triff man sich nicht mehr – die Stadt hat die Friseuse verschluckt, wie so viele, die in die Fänge das Molochs geraten sind. Das Ganze wird mit einem Zuckerguss der Lustigkeit überzogen. Mit dieser Methode desavouiert man nur, wo man doch eigentlich hervorheben möchte, hinauf ins Schillernde. Das Publikum stellt, ergriffen oder überhaupt nicht fest: Auch bei denen da unten ist etwas los.

 

Die stillen Trabanten
von Clemens Meyer
Regie: Armin Petras, Bühne: Olaf Altmann, Kostüme: Patricia Talacko, Musik: Miles Perkin, Choreografie: Denis Kooné Kuhnert, Dramaturgie: Juliane Koepp.
Mit: Anja Schneider, Peter Kurth, Alexander Khuon, Katrin Wichmann, Maike Knirsch, Božidar Kocevski.
Deutsches Theater Berlin, Premiere war am 11.11.2018, Kritik vom 14.11.2018.
Dauer: 3 Stunden, eine Pause

 

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