Das Jugend-Ensemble ohne Turbo Pascal

Das Jugend-Ensemble ohne Turbo Pascal (Bild: @ Arno Declair)

Das Tor zur Welt

Diese ambitionierte Organisation geht auf Garry Davis zurück, der, ein ehemaliger Bomberpilot im 2. Weltkrieg, zum Geschmack am Frieden bekehrt wurde und infolgedessen alle Staatsgrenzen niederreißen möchte, um einen Weltstaat mit Weltregierung zu gründen. Davis, selbsternannter "Weltbürger Nr.1" und fanatischer Kosmopolit, gerät wegen seiner angenommenen Staatenlosigkeit und öffentlichen Auftritte einige Male in Konflikt mit den Justizbehörden verschiedener Länder und kann dadurch sein Erfahrungskonto auffüllen: Knast. In "Die Welt in uns" ist Davis ominpräsent, auf ihn wird immer wieder Bezug genommen. Turbo Pascal, auf der Bühne vertreten von Frank Oberhäußer und Eva Plischke, haben Kontakt zu Berliner Schüler*innen aufgenommen und mit ihnen diese Inszenierung eingeübt. Neben einheimischen Jugendlichen findet sich ein beachtlicher Migrantenanteil, der naturgemäß andere Probleme hat als jemand, der hier geboren wurde. Für manchen Passlosen ist der deutsche Ausweis wie ein Himmelsgeschenk, das den wie Eingepferchten das Tor zur Welt aufstößt. Der Gedanke an ein reguläres Reisedokument lässt die wildesten Fantasien aufsteigen. Es wundert nicht, dass der Bühnenboden mit großen Reisepässen ausgelegt ist. Ein bisschen langweilig zwar, aber recht schmuck, Globetrotter-Gefühle mit Siebenmeilenstiefeln entfachend.

 

Garry Davis' Nachfolger

Dass nicht wenige junge Menschen Spezialwünsche hinsichtlich der Ausweisvergabe haben, muss Eva Plischke feststellen. Sie spielt eine Behördenfrau, die mit den kuriosesten Anfragen konfrontiert wird. Eine Russin möchte ihren deutschen Pass gegen einen russischen eintauschen, weil sie sich ihrer Heimat intensiver verbunden fühlt. Ein andere Person will ihren deutschen Pass ganz abgeben. Wieder ein anderer möchte mindestens fünf Pässe verschiedener Nationen, da er, wohl von unausgesetztem Fernweh geplagt, ein hoffungsloser Reise-Fetischist ist, ein Weltbürger par excellence. Eine Vielzahl von Pässen tragen normalerweise nur Mafiosi und Terroristen, zumal ein deutscher Reisepass für eine Welt-Tournee ausreicht. Die Beamtin – Plischke versetzt sich in reale Situationen, fühlt sich ganz in ihre Rolle ein - ist irritiert, muß über Gebühr nachdenken, erteilt aber nach Kräften Auskünfte. Und dazwischen immer wieder Garry Davis, seine kämpferischen Lebensstationen, beispielsweise seine spektakuläre Rede – ein einziges Päydoyer für international anerkannte Staatenlosigkeit und Weltbürgertum - vor der UN-Generalvollversammlung 1948 in Paris. Immerhin, diese von ihm ins Leben gerufene Bewegung hat etliche namhafte Befürworter und Mitstreiter, auch Julian Assange und Edward Snowden besitzen einen Weltpass. Aber was nützt ein eher symbolisch zu verstehendes Dokument im herangebrochenem Zeitalter der Nationalstaaten, des Auslebens heimatlicher und kultureller Differenzen? Letztlich ist es nur ein flockiges Spiel mit einer süßen Utopie.

 

Die Welt in uns

Konzept und Regie: Turbo Pascal, Ausstattung: Janina Janke, Musik: Friedrich Greiling, Dramaturgie: Anne Tippelhoffer.

Von und mit:

Turbo Pascal: Frank Oberhäußer, Eva Plischke.

Schüler*innen: Denise-Celine Rodis, Mustafa Erden Özdilberler, Maria Abramov, Gino Reusner, Simon Maximilian Frenz, Ilia Norouzi, Hamid Hassanzadeh, Angela Löer, Enayat Khodadadi, Laides Kreuzpointner.

Junges DT, Premiere vom 23. April 2017, Box.

Dauer: 1 Stunde, 10 Minuten.

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