Michael Goldberg, Benjamin Lillie, Bernd Moss

© Arno Declair

 

Langeweile im vielversprechenden Interieur

Die Männer (Bernd Moss, Michael Goldberg und Benjamin Lillie) spielen ihre Frauenrollen mit Masken. Wenn ein Regisseur so etwas macht, will er wohl von der Gestik ablenken und das Gewicht aufs gesprochene Wort legen. Doch der Text ist immer noch der alte und gewinnt durch den Verfremdungseffekt keinerlei neue Aspekte. Die Bühne wirkt, als habe sich ein progressiver Innenarchitekt bis in die kleinsten Facetten verkünstelt. Eine hochmoderne, verwinkelte, mit Zacken versehene Konstruktion mit eher kühlem Ambiente. Schön fürs Auge, aber schlecht zum Leben und erst recht nichts zum Kuscheln. In diesem vielversprechenden Interieur langweilen sich die Schwestern zu Tode, und sie würden es wohl auch in Moskau tun, obwohl sie ihr ganzes Geschick an die Metropole klammern. Mascha (Michael Goldberg), die Mittlere, ist unglücklich verheiratet mit Kulygin (ebenfalls Michael Goldberg) und würde ihn am liebsten hinwegraffen. In Irina (Benjamin Lillie) sind gleich zwei Männer verliebt, Baron Tusenbuch und Offizier Soljony, doch sie lehnt beide ab. Am Ende entscheidet sie sich aus Vernunftgründen und aufgrund existentieller Verlorenheit doch für Tusenbach, aber der zieht es vor, sich selbsttätig aus dem Staub zu machen (er stirbt nicht wie bei Tschechow durch ein Duell). Übrigens brennt es auch zwischendurch, ganz wie in der Vorlage: Nebel steigt auf und macht die Figuren zu Silhouetten. Irgendwann verliebt sich Mascha vermutlich aus Langeweile (oder weil sie nicht weiß, wohin mit ihren Gefühlen) in Werschinin (Bernd Moss), bedauerlicherweise hat der andere Zukunftspläne. Goldberg ist es auch, der von einer befreiten Welt in hundert Jahren daherschwadroniert.

 

Natascha ergreift allmählich die Macht

Dieses ständige Raus-Wollen erinnert an desillusionierte westliche Linksideologen in den 70er- und 80er-Jahren, für die irgendein Ausland eine Verheißung war. Da wo es schön ist, ist immer woanders, nur nicht hier. Dieser müde Haufen wäre, so wie er dargestellt wird, auch in Moskau ein Verein träger Abgestumpftheit. Interessant wird es noch einmal, als gegen Ende Angela Winkler, die beim Prolog schon kurz auftauchte, als Irina auf die Bühne tritt. Winklers Irina ist trotz ihrer 24 Jahre fast schon vom Leben gebrochen, geknickt wie eine Rose, die zu zerbrechlich ist für die Unbilden der Natur. Wir sehen: Diese Frau hat mit dem Leben abgeschlossen. Stattdessen steigt Natascha (Felix Goeser), die von Andrej geheiratet wurde, immer mehr empor und erlangt Macht über das mittlerweile von einer Hypothek belastete Haus. Letztlich verschwindet Andrej völlig hinter seiner Frau, die quasi zur Hausherrin aufgestiegen ist. Leider hat es die Regisseurin Henkel unterlassen, den familiären Aufstieg von Natascha näher zu beleuchten. Warum wird dieses Stück nicht einmal durch die Brille von Natascha gelesen? So bleibt sie nur ein Beiwerk, ein Anhängsel, ein Wurmfortsatz. Karin Henkel hat gefällig inszeniert, ohne zu glänzen. Es ist eine Inszenierung, die jederzeit das Mittelmaß erreicht und durchgeht, ohne nach irgendeiner Krone zu greifen oder höhere Ansprüche erheben zu können.

 

Drei Schwestern
nach Anton Tschechow
Regie: Karin Henkel, Bühne & Kostüme: Nina von Mechow, Musik & Sounddesign: Arvild Baud, Licht und Video: Voxi Bärenklau, Dramaturgie: John von Düffel.
Mit: Bernd Moss, Felix Goeser, Angela Winkler, Michael Goldberg, Benjamin Lillie.
Deutsches Theater Berlin, Premiere vom 12. November 2018
Dauer: 120 Minuten, keine Pause

 

Laden ...
Fehler!