Die Autorin Dea Loher

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Der kleine Mann will höher hinaus

Die Regisseurin Alize Zandwijk gibt sich alle Mühe, die Leere dieser Abgeschiedenheit durch übersteigertes Getue und Getöse aufzufüllen. In der dumpfen Höhle herrscht rasende Betriebsamkeit, obwohl die Zwillinge eigentlich erschöpft sein müssten. Beide haben sie schlecht bezahlte Hilfsarbeiterjobs, die dazu angetan sind, sich "ganz unten" zu fühlen und Ressentiments gegen Besserverdienende zu entwickeln. Aber um gesellschaftliche Ausgrenzung geht es in diesem Stück überhaupt nicht, und wenn, dann nur am Rande. Die Figuren sind doppelt besetzt: Jesus Maria wird von Hans Löw und Miquel de Jong gespielt, Maria von Judith Hofmann und Fania Sorel. Warum das so ist, wird nie ganz klar, immerhin sorgen die Doppelbesetzungen für mehr Leben, ja für mehr Eindringlichkeit und Schärfe. Die ganze Story erinnert an den typischen kleinen Mann, der höher hinaus will und einen großen Coup plant. Nichts Originelles also, und das Husarenstück, der Meisterstreich ihres bisherigen Vegetierens soll durch einen gewöhnlichen Überfall geschehen.

 

Wir sind reich!

Im Haus befinden sich noch wunderliche Nachbarn, etwa ein sich der Wahrsagung verpflichtender Transvestit namens Madame Bonafide (Elias Ahrens) mit blonder Beehive-Frisur und ein leicht pyknischer, aber entkräfteter Pornofilmer (Beppe Costa), dessen letztes Lebenszeichen sein markanter Gesang ist, der übrigens der Inszenierung ganz gut tut. Um die überartifizielle Madame Bonafide, deren Raum eine überscharfe Luft verströmt, rankt sich eine kleine, gänzlich überflüssige Fisch-Geschichte. Ein Fisch landet schließlich in ihrem Bienenkorb-Haar, wird später in ein Waschbecken geworfen und letztlich vor dem Absaufen gerettet. Ein Füllsel, das für Turbulenzen sorgen soll, aber nur die Zeit überbrückt. Überbrückt, für was? Das große Finale ist eine Juwelierüberfall, der den Zwillingen vom Juwelier Herr Wunder (Elias Ahrens) höchstselbst angeboten wird. Für 10 000 Euro sollen sie einen Juwelenraub durchführen und Wunder kassiert dafür die Versicherungssumme. Angesichts dieser Summe gerät Maria ins Träumen ("Wir sind reich!"), obwohl das nur ein Monatslohn von besserverdienenden Angestellten ist.

 

Schielen nach verheißungsvoller Scheinwirklichkeit

Wie bei einem Heist-Movie wird aus Sicht und Perspektive der von einer kühnen Vision angetriebenen Kleinräuber erzählt. Leider fehlt die Spannung dieses Genres völlig, das Ganze ist ein Spektakel von Dilettanten, die etwas verwirklichen, wovon nicht wenige Schlechtweggekommene fantasieren. Nicht einmal Gesellschafts- oder Kapitalismuskritik wird ins Visier genommen, "Gaunerstück" hat weder eine weltanschauliche Grundlage noch einen Ausblick in Richtung Transzendenz. Dea Lohers Text ist ein Schielen von Realitätsnahen nach einer verheißungsvollen Scheinwirklichkeit – mit Geld wird alles besser. Aber entschwindet dadurch auch der Waschzwang, das grundlose Rennen von Waschmaschine zu Waschmaschine, nur weil die Mutter eine abgestürzte, enervierende Büglerin war? Dass der gefesselte Juwelier letztlich den Lebensgeist aufgibt, spielt keine Rolle, ganz im Gegenteil, dieses Missgeschick scheint das Hochgefühl der Hasardeure noch zu intensivieren. Trotz des Illustrationsbedürfnisses der Regisseurin vermag die Inszenierung nicht zu berühren, lediglich gute Schauspielerleistungen können noch einiges retten.

Gaunerstück
von Dea Loher
Regie: Alize Zandwijk, Bühne und Kostüme: Thomas Rupert, Musik: Beppe Costa, Choreographie: Miquel de Jong, Dramaturgie: John von Düffel.
Mit: Hans Löw, Beppe Costa, Judith Hofmann, Fania Sorel, Miquel de Jong, Elias Arens.

Deutsches Theater Berlin

Premiere vom 15. Januar 2015
Dauer: 120 Minuten, keine Pause

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