Antonia Bill, Almut Zilcher ...

Antonia Bill, Almut Zilcher, Wolfram Koch (Bild: Arno Declair)

Heißer Tanz um den Sarg

Die Anwendung des Chors hatte es Schleef angetan, der Regisseur Jakob Fedler reduziert das Ganze ein wenig und lässt die Schauspieler*innen mehr Solo sprechen. Alle spielen Gertrud und tragen ein eher geschmackloses olivgrün-braunes Einheitsdress mit Rock. Bei Koch sieht das etwas lustig aus, versprengte Haare verzieren seine schlanken Unterbeine. Das kahle Bühnenbild von Dorien Thomsen ist schmuck und verschmockt: In der Mitte steht eine kupferfarbene Platte, auf der ein Sarg prangt. Sarg-Gefühle gibt es in dieser Premiere zuhauf. Der verstorbene Schriftsteller und Regisseur Schleef arbeitete in "Gertrud" viel mit Zeitsprüngen, leider radikalisiert das Fedler und er hüpft und springt, wie es ihm gerade in den Kram passt, als sei die Gegenwart angefüllt mit Vergangenheitserlebnissen, die das Aktuelle vergessen machen. Die Grabplatte legt es nahe: Gertrud ist schon vor ihrem Tod gestorben. In der späten DDR-Phase, in den siebziger Jahren dreht sich viel um ihren erst pflegebedürftigen, dann verstorbenen Gatten. Und ihre beiden Söhne haben ihren Heimatort Sangenhausen verlassen, der eine flüchtete in den Westen, der andere (Einar) inszenierte in Ost-Berlin. Gertruds kognitives System arbeitet langsam und sie hat es nie in ihrem Leben fertiggebracht, ihr Lebenszentrum zu verlagern und in eine andere Stadt zu ziehen. Die junge Gertrud spielt hauptsächlich Antonia Bill, die die gesamte Bandbreite ihres gestischen Könnens aufbietet und vital um die Bühnenplatte herumläuft, als befinde man sich in Mouawads "Verbrennungen" (Premiere 2.9.2012), wo der kräftige Christoph Franken durch seine sportliche Aktivität wahrscheinlich ein paar Kilo abspeckte.

 

Foto: Arno Declair

 

 

Verkürzte Sprache

Nun, Intendant Khuon 1. ist kein sportlicher Direktor, er verfügt nur über einen ungewöhnlichen Talentschuppen. Schauspielerisch ist immer alles auf einem recht hohen Niveau – doch das erwartet man automatisch in diesem traditionsbeladenen Haus. Aber was für Inszenierungen er mitunter zulässt! Entweder man nimmt Schleefs Roman ernst (was er verdient hat) oder nicht – Fedler entscheidet sich für Komik und Slapstick. Für Literatur-Liebhaber ist die Premiere unter Umständen ein Grauen. Die Sprache funktioniert vor allem im Telegramm-Stil. Hier ein erfundenes Beispiel, kein Zitat: "Tür abgeschlossen. Auf die Straße gegangen. Taxi genommen". Das erinnert in fataler Weise an schlechte Tagebuchaufzeichnungen, Zeitungsüberschriften und Untertitel in TV-Nachrichten. Es ist kein lebendiges Erzählen, sondern eine kalte Steno-Sprache, in die man sich nie einfühlen kann, genauso wenig wie in das traurige Schicksal von Gertrud. Die Inszenierung ist eine falsch gewürzte Soße, die mit einem Zuckerguss überzogen ist. Das Süßliche ist die teilweise unpassende Komik. Wer sich gerne rein visuell unterhalten lässt, kommt schon auf seine Kosten. Aber, meiner treu, inhaltlich kommt da wenig.

 

Gertrud

von Einar Schleef

nach dem gleichnamigen Roman

Bühnenfassung: Jakob Fedler

Regie. Jakob Fedler, Ausstattung: Dorien Thomsen, Licht: Marco Scherle, Dramaturgie: Ulrich Beck.

Es spielen: Wolfram Koch, Antonia Bill, Almut Zilcher.

Deutsches Theater Berlin, Kammertheater, Premiere vom 15. Dezember 2017

Dauer: 1 Stunde, 50 Minuten

 

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