Edgar Eckert, Almut Zilcher

Edgar Eckert, Almut Zilcher (Bild: © Arno Declair)

Zerrüttete Familienverhältnisse

Des Regisseurs suggestive Ästhetik lohnt sich wie immer. Er liefert schön-traurige, psychedelisch anmutende Animationsbilder, in denen Großgassen und Häuserfronten und kalte Vegetationen zu sehen sind. Zwischendurch regnet es, und trotz leiser Faszination entsteht ein Gefühl von Unheimeligkeit. Da alle drei Texte im 19. Jahrhundert angesiedelt sind, sehen die Zuschauer*innen mit Zylindern gespickte Bilder aus der Gründerzeit. Nietzsche hatte für die Phase nach Gründung des Kaiserreichs 1871 eine treffende Bemerkung übrig: Die "Exstirpation des deutschen Geistes zugunsten des ‚deutschen Reiches'." In nördlicheren Regionen sieht es nicht besser aus. Beim Personal des 3er-Cocktails gewinnt man relativ schnell den Eindruck, dass auch hier der Geist ausgeblendet, ja aus subjektiver Schwäche heraus komplett gelöscht wurde - trotz der Agonie scheinen die männlichen Vertreter dem Tod entgegenzulechzen. In "Der Vater" ist es der Rittmeister (Felix Göser), der durchdreht und sich vom Wahnsinn umzingelt glaubt. Bei Ibsen kehrt der künstlerisch erfolgreiche, an Syhilis erkrankte Sohn Osvald (Edgar Eckert) nach zwei Jahren zu seinen Eltern zurück und feiert seinen verstorbenen Vater ab, bis er begreift: Er kann einen Vater nicht lieben, dem er nichts zu verdanken hat. Aberglauben, nichts als Gespenster. Eingangs und zwischen den Szenen wird Live-Musik von Ben Hartmann und Philipp Thimm beigesteuert. Es sind rockige, spritzige bis schrille Gitarren-Sequenzen, und dazu singt Linda Pöppel aus Heines sehnsuchtserfülltem Textrepertoire, ohne das Gespenstische vordergündig zu berühren. Das bewältigen schon die Bühnenbilder.

 

Spielerischer Fluss und Leerlauf

Linda Pöppel begrenzt sich nicht nur aufs Singen, sie spielt auch eifrig mit. In einer Szene wird einem Arzt (Markwart Müller-Elmau) von drei Frauen (Linda Pöppel, Katrin Wichmann, Almut Zilcher) der Zutritt verwehrt. Wie Damen von einer gewissen Noblesse sprechen sie herablassend mit dem ‚Eindringling', ja affektiert und gespreizt. Katrin Wichmann agiert mit geflochtenen Haarkränzchen, wie sie heute nur noch auf dem Land anzutreffen sind. Ihre Figur Laura, die sich mit dem Rittmeister herumzuquälen hat, der seine Vaterschaft der Tochter anzweifelt und mit einem inneren Dämon ringt - Laura spielt sich in einen Seelenkampf hinein. Göser als zugrundegehener Rittmeister wirkt, als sei er seit der letzten Premiere noch bulliger und optisch mächtiger geworden. Dabei ist die Seele des Rittmeisters länger gebrochen, er windet sich in Jammerausbrüchen. Während die Konstellation Gabriele Heinz und Markwart Müller-Elmau etwas undurchsichtig weil schwer einzuordnen ist, wird es klar bei der von Erregtheit diktierten Schlusspassage mit Almut Zilcher (Mutter) und Edgar Eckert (heimgekehrter Sohn). Und wieder hören wir: "Ich habe dich um das Leben nicht gebeten", lamentiert der aus der Art geschlagene Künstlersohn. Warum Hartmann ausgerechnet einen bildenden Künstler anbietet, der überdreht, lebensuntauglich und etwas über die Maßen durchgeknallt ist, bleibt schleierhaft. Zilcher hingegen ist die zugleich sorgenvolle und abwehrende Mutter, nicht ohne Kreischneigungen. Srindberg und Ibsen sind Meister der familiären und ehelichen Seelengefechte. Die hat Hartmann zusammengepresst und etwas Heine hinzugerührt, auf dass die Soße schmecke. Etwas Einheitliches kommt dabei nicht zustande. Einige kühne Schläge in den den luftleeren Raum und ein paar Treffer ins Volle.

Gespenster
nach August Strindberg / Henrik Ibsen / Heinrich Heine
Regie und Bühne: Sebastian Hartmann, Kostüme: Adriana Braga Peretzki, Musik: Ben Hartmann, Philipp Thimm, Video und Licht: Rainer Casper, Videoanimation: Tilo Baumgärtel, Dramaturgie: Claus Caesar.
Mit: Felix Goeser, Linda Pöppel, Edgar Eckert, Katrin Wichmann, Gabriele Heinz, Markwart Müller-Elmau, Almut Zilcher.

Deutsches Theater Berlin, Premiere vom 24. Februar 2017.

Dauer: 120 Minuten, keine Pause

 

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